Online-Auktionen Online-Auktionen: Die Jagd auf den Platzhirschen
Dessau/Leipzig/MZ. - Im Oktober 2002, erzählt Thomas Wagner, sind sie mit ihrer ersten Seite online gegangen, einem Studentenportal. Also können sie bald Fünfjähriges feiern. "Stimmt", sagt Wagner und grinst, "das ist uns noch gar nicht aufgefallen." Irgendwie scheint das typisch für die Leipziger Internet-Firma Unister. Vermeintliche Nebensächlichkeiten, wie ein kleines Jubiläum, spielen keine Rolle.
Äußerlichkeiten auch nicht. Am Klingelschild neben der Haustür steht "Empfang", aber nur, damit sich niemand verläuft in den vier Etagen, die die Firma in einem Gründerzeithaus in der Innenstadt gemietet hat. Einen Tresen, an dem man sich anmelden könnte, gibt es nicht. Was es gibt, sind viele junge Leute in Turnschuhen, Jeans und Sweatshirt. Auch Thomas Wagner trägt Turnschuhe, Jeans und Sweatshirt. Der Altersdurchschnitt ist niedrig, er liegt bei 26 Jahren. Wagner ist nur drei Jahre älter. Und der Chef.
Im Jahr 2002 hat der gebürtige Dessauer die Unister GmbH zusammen mit einem Studienfreund gegründet. Fünf Jahre später arbeiten hier 140 Leute. Sie betreiben diverse Internetportale, etwa für Reisen oder Finanzen. Ihr jüngstes Kind ist das Online-Auktionshaus "Auvito". Es ist ein Riesenbaby. Seit September vorigen Jahres ist die Seite online, die Nutzerzahlen sind rasant gewachsen. Wagner führt das vor allem auf "aggressive" Werbung im Netz zurück. Der Rating-Agentur "Nielsen Netratings" zufolge hat es Auvito in Deutschland auf Platz zwei unter den Online-Auktionshäusern geschafft - hinter dem Platzhirschen Ebay. Der Abstand ist freilich noch gewaltig: Auvito verzeichnete im ersten Quartal dieses Jahres 4,4 Millionen Besucher. Auf die Ebay-Homepage klickten mehr als 26 Millionen Kunden. Dennoch sagt Thomas Wagner selbstbewusst: "Wir versuchen, das Ebay-Monopol zu knacken."
Hätte Unister einen Leitspruch, er könnte lauten: "Das können wir auch selber." Auvito entstand, weil Wagner und seine Mitstreiter auf einer von ihnen betriebenen Preisvergleichsseite ständig Nutzer an Ebay vermittelten. "Irgendwann haben wir uns gefragt, warum wir denen das Geschäft überlassen." Zuvor hatten die Leipziger im Netz Kunden für Versicherungen und Online-Reisebüros akquiriert - auch daraus entstanden eigene Portale.
Dabei ist Wagner gar kein Computerfreak. 1999 begann er in Leipzig mit einem Betriebswirtschaftsstudium. Die Idee mit dem 2002 eingerichteten Studentenportal stammt aus England, "das hab' ich in einer Zeitschrift gelesen". Programmieren hat er sich selber beigebracht - mit Hilfe des Internets. Die Keimzelle von Unister war ein 20 Quadratmeter großes Zimmer in einem Studentenwohnheim. "Zwei Betten, fünf Rechner."
Student ist der 29-Jährige immer noch, offiziell. "Ich bin nach wie vor eingeschrieben." Seit seinem Vordiplom vor sechs Jahren ruht das Studium allerdings - die Zeit fehlt. Demnächst soll ein Hotelportal online gehen, die bestehenden Seiten müssen gepflegt und ausgebaut werden.
Die Firma will Lehrlinge einstellen. Und das alles ohne einen Cent Fremdkapital. Die Summen, um die es geht im Leipziger Barfußgässchen geht, klingen gigantisch: Allein in "Auvito" steckt Unister jeden Monat eine Million Euro - aus Unternehmenseinnahmen.
Thomas Wagner wirkt sehr entspannt, wenn er das alles erzählt, sehr sicher. Aber besteht nicht die Gefahr, dass diese Blase irgendwann platzt? "Es gibt überall Risiken", sagt er salomonisch. Natürlich wachse der Internet-Markt stark, "und man muss mitschwimmen, wenn man nicht untergehen will". Aber mit dem Boom der IT-Branche vor wenigen Jahren sei die heutige Situation nicht zu vergleichen, glaubt er. "Viele hatten damals keine Erfahrungen und haben falsche Planungen erstellt, zum Beispiel was Nutzer-Zahlen im Netz angeht." Insofern habe man vom Zusammenbruch der New Economy nur lernen können.
Ein Markenzeichen der Branche haben die Leipziger aber nicht übernommen: "Viele Internet-Agenturen haben tatsächlich heute noch irgendwo einen Kicker stehen", erzählt Wagner. "Wir nicht, wir haben eine echte Fußballmannschaft." Vielleicht gibt es zum Fünfjährigen ja ein Jubiläumsturnier.