Wintersport in Oberhof trotz Klimawandels? Oberhof im Thüringewr Wald hortet Schnee für die Pisten im Winter

Oberhof - Das Weiß ist an diesem Freitag Anfang April überall. Es bepudert die Bäume des Thüringer Waldes, liegt zentimeterdick auf den Wiesen rund um die Skihalle in Oberhof und hängt als feiner Nebel in der Rennsteig-Luft. „Der ganze Schnee kam erst heute Nacht runter“, sagt Detlef Kotlinsky. Er wirkt nicht verwundert, aber doch, als fühle er sich vom Wetter veralbert. So ein später Schneefall ist im 815 Meter hoch gelegenen Oberhof nicht ungewöhnlich. Doch Kotlinsky hätte ihn in diesem Jahr zu einem anderen Zeitpunkt viel dringender gebraucht.
Der 53-Jährige ist im thüringischen Wintersportmekka der Chef der Ski-Arena. Dort findet immer Anfang des Jahres eines der größten Sportevents Ostdeutschlands statt: der Biathlon-Weltcup. Zu den Wettkämpfen kommen zehntausende Fans in die Arena. Während des viertägigen Spektakels werden in der Region rund 20 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Doch in diesem Jahr musste die Sportveranstaltung mit Volksfestcharakter abgesagt werden. „Das war eine Katastrophe für uns“, sagt Kotlinsky.
Allerdings eine unvermeidliche, denn die Strecke rund um den Schießstand konnte nicht entsprechend mit Schnee präpariert werden. Zwar gibt es seit November ein Schneedepot in Oberhof, doch das war nicht gefüllt. „Uns fehlte die Zeit zum Produzieren“, sagt Kotlinsky resigniert.
Zu einer Absage soll es jedoch nicht noch einmal kommen. Im Februar und März hat der Arena-Chef deswegen mit seinem Team die Schneekanonen angeworfen und das Depot bis obenhin gefüllt. 100.000 Badewannenladungen Schnee liegen jetzt darin. Und bis Januar nächsten Jahres soll der sorgfältig mit Styrodur-Platten und Silofolie abgedeckte Berg dort auch bleiben. Übersommerung nennt man diese Prozedur. Und dass die funktioniert, sei bereits in anderen Wintersportorten erprobt. „Dort bleiben rund 80 Prozent des Schnees erhalten“, sagt Kotlinsky. Wäre das auch in seinem Depot so, könnte der Biathlon-Weltcup stattfinden.
Für Oberhof ist Schnee wie Gold
Probleme mit dem edlen Stoff gibt es jedoch nicht nur in Thüringen. Selbst in den Alpen galt Anfang Januar nur auf über 1.500 Metern Schneesicherheit. Was an weißer Decke schon im November gefallen war, ließ der Dezember dahinschmelzen. Wärmer als 2015 war es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen nie. Und die starteten 1881. Weltweit steigen die Temperaturen. Ein Trend, der - Stichwort Klimawandel - anhalten wird.
Besonders den Skigebieten in den Mittelgebirgen macht diese Entwicklung zu schaffen. Das ist auch im Harz zu beobachten. Erster Anlaufpunkt für Wintersportler ist dort das niedersächsische Braunlage. Der angrenzende, 970 Meter hohe Wurmberg ist mit zig Pisten und Liften bestückt. Allerdings will auch das einen Berg weiter, in Sachsen-Anhalt gelegene Schierke nachziehen. Im Örtchen unterhalb des Brockens wird eifrig an einer Skiarena gebastelt. 25 Millionen Euro sollen investiert werden, sieben Kilometer Skipiste samt Liftanlagen entstehen.
Nach einer anerkannten Regel muss ein Skigebiet aber einhundert Tage im Jahr eine ausreichend dicke Schneedecke aufweisen, damit der Betrieb rentabel ist. Laut Beobachtungen des Deutschen Wetterdienstes war das zwischen 1970 und 2012 in den zentralen Mittelgebirgen, zu denen der Thüringer Wald und der Harz zählen, aber in keinem einzigen Winter der Fall. Und eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht.
So steht im Klimawandel-Bericht, der 2015 vom Umweltbundesamt herausgegeben wurde, dass sich Prognosen zufolge „die Anzahl der Schneetage in den Mittelgebirgen bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts durchschnittlich um mehr als die Hälfte reduzieren“ wird. Die Experten empfehlen deswegen, dass Tourismusregionen alternative Angebote entwickeln, die „weniger oder gar nicht auf Schnee angewiesen sind“.
Allerdings hat die Schneedecke in vielen Orten ohnehin keinen natürlichen Ursprung mehr. Bereits heute ist die Hälfte der deutschen Skigebiete auf eine künstliche Beschneiung angewiesen. Wer etwa in Braunlage die Hänge hinabfährt, der wedelt durch einen Wald aus Schneelanzen und Schneekanonen. Was die Natur nicht mehr bietet, wird mit ihnen künstlich auf die Pisten gepinselt.
Diese Beschneiung der Hänge steht schon lange bei Umweltschützern in der Kritik. Um die Anlagen zu füttern, sind künstlich angelegte Wasserspeicher notwendig. In Braunlage hat man einen entsprechenden See auf dem Gipfel des Wurmbergs angelegt. Pumpen befördern das Wasser nach oben. Das kostet viel Energie. Schätzungen zufolge verbrauchen die Schneekanonen Europas pro Jahr so viel Strom wie eine Stadt mit 150.000 Einwohnern - und so viel Wasser wie Hamburg.
Ähnliche Feststellungen sind auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag zu lesen. Gestellt wurde sie Anfang des Jahres unter anderem von Markus Tressel. Der Bundestagsabgeordnete folgerte daraufhin: „Jede weitere Investition in Skiinfrastruktur ist in Deutschland eine Fehlinvestition und alles andere als nachhaltig.“
Von solchen Aussagen hält Detlef Kotlinsky freilich nichts. „Wintersport gehört zu Oberhof einfach dazu“, meint der Arena-Chef fast schon trotzig, während er durch den April-Schnee zum neuen Depot stapft. Dass es gebaut wurde, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. „Man muss sich den Bedingungen eben anpassen“, sagt Kotlinsky.
Kann Oberhof des Ruf als Wintersport-Ort Nummer 1 im Osten halten?
In den vergangenen Jahren geschah das in Oberhof mit einem großen finanziellen Aufwand. Der Ruf als der Wintersport-Ort Nummer eins im Osten wurde mit Millionen Euro gefestigt. Keineswegs verschwendetes Geld. Das Rennsteig-Dorf zählt sportlich zu den bedeutendsten Zentren in Deutschland. Die Athleten von hier gehören bei internationalen Meisterschaften zu den regelmäßigen Medaillensammlern. Zudem ist der Ort mit seinen 1.500 Einwohnern eines der Top-Reiseziele im Freistaat. In der Gunst der Touristen liegen nur Erfurt und Weimar noch weiter vorn.
Solche Effekte erhofft man sich auch in Schierke. Der kleine Ort will nicht länger nur eine Haltestelle der Harzer Schmalspurbahn sein. Allerdings rückt man dort bereits von der alleinigen Ausrichtung auf den Winter ab. Einen „Ganzjahreserlebnisbereich“ wolle man schaffen, verkündete unlängst ein Sprecher der Stadt Wernigerode, zu der Schierke gehört. Vorbild ist der Wurmberg, den man mit Mountainbikes oder Monsterrollern hinabbrettern kann und auf dessen Spitze Floßfahrten über den Speichersee und ein Streichelzoo locken.
Angebote, die Detlef Kotlinsky fremd sind. Für den 53-Jährigen geht es darum, den Wintersport in Oberhof zu erhalten. Und den Biathlon Weltcup. „Das Schneedepot gibt uns dafür eine gewisse Sicherheit“, meint er. Dass der Weltcup damit für die nächsten Jahre sicher ist, davon ist allerdings auch Kotlinsky nicht überzeugt. „Abwarten“, sagt er. Immerhin brauche es für die Erzeugung des Kunstschnees eine Temperatur von Minus drei Grad Celsius. Und die wurde in diesem Winter nicht allzu oft erreicht. (mz)
