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Nachwuchs für die rechte Szene  Neonazis in Sachsen-Anhalt : Nachwuchs für die rechte Szene

Von Alexander Schierholz 12.06.2016, 17:46
Teilnehmer eines rechtsextremen Aufmarsches in Thüringen.
Teilnehmer eines rechtsextremen Aufmarsches in Thüringen. dpa-Zentralbild

Magdeburg - In Sachsen-Anhalt gibt es immer mehr Neonazis. Nach Angaben des Landes-Verfassungsschutzes ist die Zahl der Rechtsextremisten im Land im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Die Szene habe sich verändert. Sie sei äußerlich unauffälliger, moderner und bediene sich neuer Aktionsformen, um auch Jugendliche anzusprechen, sagt der Referatsleiter Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz, Hilmar Steffen.

Doppelt so viele rechte Gewalttaten

Im Jahr 2014 stufte der Verfassungsschutz rund 1.300 Menschen im Land als Rechtsextremisten ein. Genaue Zahlen für das vergangene Jahr will Behördenpräsident Jochen Hollmann erst im neuen Jahresbericht nennen, der im Juli vorgestellt werden soll.

Die Verdoppelung der Zahl rechter Gewalttaten in Sachsen-Anhalt auf knapp 110 innerhalb der vergangenen zwölf Monate legt aber nahe, dass nicht nur die Gesamtzahl der Neonazis gestiegen ist, sondern auch die Zahl gewaltbereiter Szene-Anhänger.

Immer wieder versuchen sie mit martialisch wirkenden Aktionen auf sich aufmerksam zu machen. So Anfang des Monats in Gräfenhainichen (Kreis Wittenberg), wo eine Gruppe schwarz gekleideter junger Rechtsextremer mit weißen Masken und Fackeln durch die Stadt lief. „Die Unsterblichen“ nennt sich diese Bewegung, die in Sachsen-Anhalt schon vor einigen Jahren vermehrt auftrat.

Ein jugendaffiner Auftritt

Laut Steffen stecken dahinter keine festen Gruppen, sondern lockere Zusammenschlüsse. In der Regel stellen sie Videos von ihren Aufmärschen ins Internet, professionell geschnitten und mit Musik unterlegt. „Das ist ein jugendaffiner Auftritt“, sagt Verfassungsschutz-Präsident Hollmann. Es sei damit zu rechnen, dass auch von der Aktion in Gräfenhainichen Filme auf einschlägigen Seiten auftauchen. „Die Bewegung ist bewusst auf Öffentlichkeit angelegt.“

„Der klassische Neonazi mit Bomberjacke und Springerstiefeln hat ausgedient“, sagt Steffen. Rechtsextremisten seien häufig nicht mehr als solche zu erkennen. Das gelte nicht nur für die „Unsterblichen“, sondern auch für die sogenannten „Autonomen Nationalisten“. Sie gelten als extrem gewaltbereit und sind in ihrer schwarzen Kleidung von Linksautonomen kaum zu unterscheiden.

Aktivitäten werden verfolgt

Diese Zusammenschlüsse von völkisch denkenden Rechten und Rechtsextremen werden als „Identitäre Bewegung“ bezeichnet. Der Verfassungsschutz stuft sie im Gegensatz zu anderen Gruppierungen vorläufig nicht als rechtsextrem ein. „Wir verfolgen die Aktivitäten der Identitären aber genau, weil wir Anzeichen für verfassungsfeindliche Bestrebungen sehen“, sagt Hollmann. Indizien dafür seien etwa die Teilnahme von Identitären an einem Aufmarsch von Rechtsextremen im April in Magdeburg oder das Zumauern des Büro-Eingangs einer Migranten-Organisation im März in Halle. Dazu hatte sich eine identitäre Gruppe aus Halle bekannt.

Laut Hollmann mischen sich zudem Neonazis unter die Anhänger der Identitären Bewegung: „Vereinzelt gibt es personelle Überschneidungen mit Rechtsextremisten.“ Der Verein Miteinander, der die Szene seit Jahren beobachtet, geht sogar noch weiter: „Leute aus der Neonazi-Kameradschaftsszene haben bei den Identitären eine neue Heimat gefunden“, sagt Torsten Hahnel von der halleschen Arbeitsstelle Rechtsextremismus. Die Identitären selbst bestreiten Verbindungen in die Neonazi-Szene. (mz)