Nach Riesen-Rechnung in Magdeburg Nach Riesen-Rechnung in Magdeburg: Falscher Anwalt vor Gericht

Berlin/Magdeburg - Jeans und Turnschuhe statt Anwaltsrobe, Schweigen statt eloquenter Reden: Im Berliner Gerichtssaal hält sich der junge Mann, der in Sachsen-Anhalt als falscher Anwalt in einem Millionen-Fall Schlagzeilen machte und vor der Tür gerade noch entspannt einen Kriminalisten ins Gespräch verwickelt hat, plötzlich zurück. „Zur Sache möchte ich nichts sagen“, lässt Paul N. am Freitag wissen. Dann ist Ruhe.
Dabei hatte der junge Mann mal eine ganze Menge zu sagen - Ende 2014, als er als „Anwalt“ eine Magdeburgerin vertrat, die einen angeblich von der Telekom initiierten Mahnbescheid über 43 Millionen Euro erhalten hatte. Der Antrag für den Bescheid, so wurde später klar, war von Unbekannten gefälscht worden. Es gab keine Forderungen der Telekom, ein bereits angekündigter Prozess fand nicht statt. Als Anwalt hätte Paul N. an dem Fall viel verdienen können. Doch auch an seinem Beruf gab es bald Zweifel. Um Worte aber war er selbst dann nicht verlegen, als klar wurde, dass er trotz gegenteiliger Beteuerung kein Anwalt sein kann.
Im Magdeburger Fall wird noch wegen Titelmissbrauchs gegen den Berliner ermittelt. In der Hauptstadt steht er am Freitag unterdessen wegen anderer Dinge vor Gericht. Pikant: Auch dabei geht es um Mahnverfahren, allerdings trat Paul N. da nicht als Anwalt, sondern laut Anklage als angeblicher Gläubiger auf. Vorgeworfen werden ihm versuchter Betrug und Urkundenfälschung.
22 Mal soll er 2012 und 2013 bei einem Gericht Mahnbescheide gegen verschiedene Firmen und Institutionen beantragt haben, obwohl er gar keine berechtigten Ansprüche hatte. Die Höhe der Forderungen lag zwischen 93 Euro gegenüber einer halleschen Bildungsgesellschaft und 200.000 Euro gegenüber dem Land Brandenburg. Meist ging es um 25.000 Euro. Gesehen hat PaulN. keinen Cent. Weil er Gerichtskosten nach Widersprüchen der „Schuldner“ hätte selbst zahlen müssen, zog er alle Anträge zurück. Die Staatsanwaltschaft ermittelte nun wegen versuchten Betruges - nichts Neues für den gebürtigen Brandenburger. Nach Justizangaben wurde er bereits zweimal verurteilt, zuletzt zu drei Jahren Haft. Als Jugendlicher soll er versucht haben, mit gefälschten GEZ-Schreiben Menschen abzuzocken.
Mit weiterer Masche betrogen
In der aktuellen Anklage wird ihm zudem eine weitere Masche vorgeworfen. Mit gefälschten Krankenhausbriefen soll er einer Behörde, die Zahlungen zwischen Kliniken und Sozialversicherung organisiert, geänderte Kontonummern von drei Kliniken vorgegaukelt haben. Alle Zahlungen sollten von nun an auf das Konto einer Firma gehen, auf das er Zugriff hat. Auch dies flog auf, bevor ein Cent floss.
Doch wer ist der Mann, der offenbar so munter Geld zu machen versucht? Ein 21-Jähriger mit erweitertem Hauptschulabschluss, der laut eigener Aussage nach zwei Monaten Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten bereits in der Probezeit gekündigt wurde, seitdem von Hartz IV lebt. Das Abitur möchte er bald nachholen. Da könnte ihm allerdings der Prozess dazwischenkommen. Am Freitag wird der zunächst ausgesetzt. Eine psychiatrische Begutachtung ist im Gespräch. Möglicherweise sollen auch weitere Ermittlungsverfahren einbezogen werden - es laufen noch einige andere gegen Paul N. „Das wird dann wohl ein sehr langes Verfahren werden“, kündigt der Richter an.
Paul N. scheint trotz aller Ermittlungen unbeeindruckt geschäftig. Im Internet kündigt er vor wenigen Wochen an, er habe „eine Lösung“, wie Schuldner Pfändungen verhindern können. „Nicht billig, aber effektiv“, schreibt er. Näheres will er nur im direkten Kontakt preisgeben. Vermutlich gegen Bares. „Ich muss ja auch von was leben.“ (mz)