Nach Defekt an einer Elektrolokomotive Nach Defekt an einer Elektrolokomotive : Deutsche Bahn sucht die Achse des Bösen

Halle (Saale) - Nach einem Unfall hat die Deutsche Bahn kurzfristig mehrere Dutzend Lokomotiven vorübergehend aus dem Verkehr gezogen und damit möglicherweise weitere Unglücke verhindert.
Seit Dienstag stehen in Sachsen-Anhalt und in anderen Bundesländern mehr als 50 Elektroloks der Baureihen 143, 112 und 114 aus DDR-Produktion in den Werkstätten. Die Fahrzeuge, die in vielen Regionen Deutschlands den Nahverkehr abwickeln, werden dort auf Schäden untersucht, nachdem bei einer Lok dieser Bauart Anfang April in Hessen eine Achse gebrochen war.
Bahn lässt Achse auf Risse kontrollieren
In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen wurden 38 Exemplare des Typs 143 in die Werkstatt geschickt. Die Bahn lässt bei ihnen per Ultraschall die Achsen auf Risse kontrollieren. Bisher seien dabei keine Auffälligkeiten festgestellt worden, sagte Bahnsprecher Jörg Bönisch der MZ. Er sprach von einer „vorsorglichen“ Untersuchung, die bereits weitgehend abgeschlossen sei.
Bei dem Unfall in Hessen war vor drei Wochen eine Lokomotive der Baureihe 143 entgleist. Ein Gutachten im Auftrag der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes hatte laut Bahn ergeben, dass eine gebrochene Achse die Ursache war. Das habe erst am späten Montagnachmittag festgestanden, sagte Bönisch. Daraufhin habe die Bahn sofort reagiert und Loks ab einer bestimmten Kilometerleistung aus dem Betrieb genommen. „Im Interesse der Sicherheit denken wir, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben, auch wenn das Probleme für die Fahrgäste mit sich bringt“, sagte Bönisch.
Einschränkungen und Zugausfälle
Infolge der Untersuchungen müssen sich Fahrgäste in mehreren Bundesländern auf Einschränkungen und Zugausfälle einstellen. Am stärksten betroffen ist der Süden Sachsen-Anhalt. Dort fielen am Dienstag auf acht von der Bahn betriebenen Regional-Linien Züge aus. Der Betrieb auf der halleschen S-Bahn-Linie 7 wurde sogar ganz eingestellt. Auch in Thüringen, Sachsen, Hessen und Schleswig-Holstein wurden Züge aus dem Fahrplan gestrichen oder fuhren verkürzt, weil andere leistungsschwächere Loks eingesetzt werden mussten. Nach Angaben der Bahn muss auch am Mittwoch noch mit Behinderungen gerechnet werden, der Zugverkehr normalisiere sich aber zunehmend wieder.
Entgleisung eines ICE-Zuges in Köln
Der Fall erinnert an die Entgleisung eines ICE-Zuges im Sommer 2008 in Köln; Ursache war damals ebenfalls ein Achsbruch. Der Unfall ereignete sich bei niedrigem Tempo kurz nach der Ausfahrt aus dem Hauptbahnhof, verletzt wurde niemand. Bei hoher Geschwindigkeit hätte es nach Ansicht von Fachleuten unweigerlich eine Katastrophe gegeben. Das Eisenbahnbundesamt als zuständige Aufsichtsbehörde hatte daraufhin die Fristen verkürzt, zu denen Züge des betroffenen Typs regelmäßig in der Werkstatt untersucht werden müssen. Deshalb standen die Züge öfter still, das führte über Monate bundesweit zu erheblichen Beeinträchtigungen im Fernverkehr. (mz)