MZ-Restaurantkritik MZ-Restaurantkritik: Schulküche ganz anders im "Exempel"

Tangermünde/MZ - Hop oder top - über Schulessen lässt sich oft trefflich streiten. In Tangermünde kann jedoch auch jeder, dessen letztes Zeugnis schon langsam vergilbt, die Probe auf das Exempel machen - in den gleichnamigen Gaststuben im Schatten von St. Stephanus. Im ehemaligen Schulhaus der Stadt, ehedem auch das Zuhause des Kantors, kommt in historischer Umgebung vor allem Regionales in die Gläser und auf die Teller. So liefert der Hof Kalkofen aus Cobbelsdorf die Kartoffeln und das Gemüse, aus der Rossschlachterei Schönhausen kommt Fleisch, andere Spezialitäten stammen aus der Käserei Kintra in Drüsedau. Deftiges und Herzhaftes bestimmt das Angebot.
Adresse:
Exempel-Gaststuben, Kirchstraße 40, 39590 Tangermünde
Kontakt:
Telefon: 039322/ 44899
Internet:
Öffnungszeiten:
täglich 11 bis mindestens 23 Uhr
Angebote:
Hauptgerichte zwischen neun 9 und 13,90 Euro
offene Weine ab 3,90 Euro
teuerste Flasche 49 Euro
Wer pflastermüde vom Bummel durch die alte Kaiser- und Hansestadt hier einkehrt, dem schmeckt bestimmt ein Tangermünder Kuhschwanzbier. Schwarzes oder Helles - ganz nach Geschmack, als Quart (0,25), Ösel (0,5) oder Kufen (ein Liter). Immer ist, verspricht der Wirt, echtes Bio-Bier im Humpen.
Bier mit Kuhschwanz
Das Wasser für das Gebräu kommt freilich längst nicht mehr aus dem Tangerfluss, der dereinst auch als Rindertränke diente. Indes verdankt der Sud genau diesem Umstand seinen Namen. Laut Chronik fand sich immer mal wieder ein Kuhschwanz im Sud. Neben Bier eignet sich auch Tangermünder Kuhschwanz-Marmelade als Mitbringsel für die Lieben daheim. Wohl bekomm´s!
Ist der Krug fast geleert, muss im „Exempel“ niemand lange warten. Die nächste Runde kommt gewiss. Darauf achtet die Kellnerin in Omas flottem Schürzenkleid, die jeden Gast am Eingang des Fachwerkhauses in Empfang nimmt und ins rustikal gestaltete Klassenzimmer führt. Plätze finden sich in gebrauchten Schulbänken wie sie vor 80 oder 100 Jahren üblich gewesen sind. Nicht einmal die alten Tintenfässchen und Kerzenständer fehlen. Die Möbel und alle anderen Ausstattungsgegenstände sind, wie zu erfahren ist, ausnahmslos Originale - nach und nach ersteigert auf Auktionen und gefunden auf Trödelmärkten in der Altmark. So findet sich ein hölzerner Rechenschieber, aber auch eine Kollektion von Schultaschen schmückt die Garderobe. Die Idee dafür stammt von einer pensionierten Lehrerin, deren Enkel seit einigen Jahren mit ihrem urigen Gasthaus die Gastronomie-Szene der kleinen Stadt an der Elbe bereichern.
Entsprechend liest sich die Speisekarte. Da ist von einer Schuhsohle die Rede. Dahinter verbirgt sich kein Schweinsleder, sondern ein würziges Schweinesteak mit viel geschmorter Zwiebel. Der Feuertiegel soll an den großen Stadtbrand von 1617 erinnern, ausgelöst von einer Brandstifterin - heutzutage im „Exempel“ brennt nur die extra scharfe Paprika-Soße. Als Gaumentest der besonderen Art erweist sich, was kurz unter Kutschers Proviant firmiert: eine Pferdeknackwurst, auf Apfel-Speck-Zwiebeln, mit viel Mostrich und Pellkartoffeln.
Fruchtige Birnen in Klump
Danach ist gegen den Gewürzbitter der Marke „Furzwurz“ - das Gläschen kostet 1,90 Euro - kaum etwas einzuwenden. Und dabei bleibt es oft nicht. Ob „Exlepäng“, ein zünftiger Obstbrand aus Äpfeln und Birnen, oder das „Schmiedefeuer“, ein 56-prozentiger Anisschnaps - scharf, aber es trinkt sich weg. Natürlich geht es auch anders, süß und fruchtig zum Beispiel. „Birnen in Klump“ heißt eine vegetarische Suppe mit Eierteigklößchen. Dagegen schmeckt die zwischen Wolfsburg und Havelberg sehr bekannte und vielfach servierte Altmärkische Hochzeitssuppe beinahe schon fade.
Aber zurück zu den Hauptgerichten: Hausmannskost zu landesüblichen Preisen zwischen neun und 13,90 Euro, das trifft auch auf den an dieser Stelle empfohlenen „Fischers Stolz“ zu. Gemeint ist damit Zander auf Dillsoße. Und dass der Fisch tatsächlich aus der Elbe stammt, darf zumindest angenommen werden. Wer den Anglern am Hafen zusieht, kann angesichts ihrer reichen Fänge kaum daran zweifeln. Zander, die über einen Meter lang sind, gelten hier nicht als Hauptgewinn. Eher lässt sich das vielleicht von dem überraschend einfachen Rezept behaupten, das man von Zeit zu Zeit auf Einladung in der „Schulküche“ nachkochen kann - keine Bange, einfach fragen. Es lohnt sich bestimmt. Denn nicht nur in den Gasträumen, auch hinter dem Tresen und am Herd geht es professionell, aber locker zu.
Nun der erste Schritt zum Hausrezept: Zanderstücke waschen und trocken tupfen. Filets auf der Hautseite mehrmals diagonal einritzen, dann salzen und pfeffern. Eine Zitrone heiß waschen, abtrocknen, die Schale abreiben und die Frucht auspressen. Dann den Dill waschen, trocken schütteln und die Blättchen fein hacken. Die Zwiebel abziehen und fein würfeln.
Zweiter Schritt: Butter in einer Pfanne erhitzen und die Zwiebelwürfel darin glasig braten. Gemüsebrühe, Sahne, Zitronensaft dazugeben, aufkochen und ungefähr drei bis vier Minuten offen kochen lassen. Die Speisestärke mit vier Esslöffeln kaltem Wasser glatt rühren, die Soße binden. Nun den Dill einrühren und mit Salz, Pfeffer und mit etwas Honig abschmecken. Die Krönung des Ganzen ist so etwas wie ein Geschicklichkeitstest, bei dem man sich durchaus die Finger verbrennen kann: In einer zweiten Pfanne das Butterschmalz erhitzen und die Zanderfilets darin bei mittlerer Hitze erst auf der Hautseite, dann auf der Fleischseite jeweils drei Minuten braten.
Gewusst wie, meint „Exempel“-Betreiber Tiemo Schönfeld, kann auch ein talentierter Laie die Prozedur zu einem guten Ende bringen. Als „Schulessen“ jedenfalls erweist sich der Zander in goldgelber Kruste als wirklich butterweich, und das ohne sich gleich „aufzulösen“. Das Wechselspiel von frischem Dill und süßem Honig zeigt eine überaus erfreuliche Wirkung, aktiviert die Geschmacksnerven - beispielsweise für einen der zahlreichen einheimischen Weine aus Sachsen-Anhalt.
Dagegen sind die Fruchtweine - Erdbeere, Rhabarber, Johannisbeere - zwar gewiss eine Bereicherung, jedoch auch Geschmackssache. Auf der sicheren Seite ist man freilich mit dem harmonischen Gutedel aus dem Weingut Born in Höhnstedt (Saalekreis).
Von Saale und Unstrut
Gleiches gilt für den bereits legendär-samtigen Dornfelder des Weingutes Herzer an der Unstrut (Burgenlandkreis). Schoppenpreise um die sechs Euro können angesichts der vielen Auszeichnungen, die diese Winzer schon erhalten haben, durchaus akzeptiert werden. Wem das noch nicht genügt und nach Höherem strebt, dem sei eine Flasche des extravaganten Dornfelder „Prinz zur Lippe“ empfohlen - nicht geschenkt, 49 Euro erscheinen dann auf der Rechnung.
Ein Anlass, sich einmal auf den Weg nach Tangermünde zu machen, könnte für manchen Interessenten vielleicht der große Töpfermarkt in der Stadt sein. In diesem Jahr findet das Spektakel am 19. und 20. Oktober statt. Für „Exempel“-Mitinhaberin Stine Pohl eine gute Gelegenheit, den Bestand an traditionell gestaltetem Geschirr zu ergänzen.
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