MZ-Restaurantkritik MZ-Restaurantkritik: Rum probieren im Leipziger "Varadero"

Halle/MZ - Kuba: Das klingt nach Karibik, Sonne, Lebenslust - und Rum. Und nach sommerlich-leichtem Essen, inspiriert von dem, was das Meer zu bieten hat. Um die kulinarischen Welten ohne einen mehrstündigen Flug auf die Insel zu genießen, bietet sich ein Besuch in einem kubanischen Restaurant an. Die Wahl fiel auf das „Varadero“, benannt nach dem bekanntesten Ferienort auf der größten der karibischen Inseln - und ein Restaurant mit Geschichte.
Karibik in der Gottschedstraße
Seit 1977 gibt es das Varadero bereits, vor viereinhalb Jahren ist es aus der Kneipenmeile Barfußgässchen in die Kneipenmeile Gottschedstraße in Leipzigs Zentrum umgezogen. Die Architektur des Straßenzuges findet man - deutlich maroder - auch in Kubas Hauptstadt Havanna. „Früher gab es auch in Halle am Boulevard ein kubanisches Restaurant“, erinnert sich Varadero-Geschäftsführer Thomas Wendt. Der „Havana Club Halle“ gegenüber dem Leipziger Turm existiert aber schon lange nicht mehr - und auch kein anderes kubanisches Restaurant im südlichen Sachsen-Anhalt.
Wendt ist seit dem ersten Tag dabei, war damals Gaststättenleiter, als das Varadero noch HO-Gaststätte war. „Wir wollten etwas Besonderes machen“, sagt Wendt. Eröffnet wurde es sogar im Beisein des damaligen kubanischen Botschafters Nikolaus Rodrigues. Die DDR-Oberen waren nie zu Gast, die Führungsclique Leipzigs dafür öfter. Und so mancher der vielen Kubaner, die vor der Wende in Leipzig wohnten und arbeiteten, stillte das Heimweh mit einem kulinarischen Ausflug. 1990 wurde das Lokal privatisiert, Wendt kaufte es von der Treuhand ab.
Doch zurück in die Gegenwart: Einen Tisch im Freien vor dem Lokal zu bekommen (50 Plätze), ist an einem Freitagabend bei gutem Wetter sicherlich nicht immer einfach, aber wir haben Glück. Und mit ein wenig Fantasie wird aus den vorbeifahrenden Autos das Rauschen des Meeres. Der Innenraum ist schlicht, aber gemütlich eingerichtet und bietet 70 Plätze.
Kaum haben wir Platz genommen, ist eine freundliche Bedienung zur Stelle. Zur Wahl stehen als Vorspeisen tapas-ähnliche Häppchen wie Oliven in würziger Marinade oder Käsewürfel mit karibischen Früchten, aber auch verschiedene Salate, beispielsweise mit Grünschalmuscheln, Tiefseeshrimps oder Putenbrust, sowie verschiedene Suppen.
Kalte Suppe, ofenwarmes Brot
Wegen der sommerlichen Temperaturen bietet sich Sopa de pepino, eine gekühlte Gurkensuppe mit Knoblauch, Shrimps und Kräutern (3,20 Euro), als Vorspeise an. Die ist wie erhofft erfrischend, aromatisch und gut abgeschmeckt. Dazu bestellen wir noch Pan con ajo - ofenwarmes Knoblauchbaguette (3,00 Euro). Das mag zwar vielleicht nichts Extravagantes sein, schmeckt aber knusprig-würzig und macht Appetit auf mehr.
Bei den Hauptspeisen findet jeder etwas - auch jene, die sich erst einmal an die von kreolischen Einflüssen geprägte Küche heranwagen wollen. An die Vegetarier wird ebenfalls gedacht, für die es zwei fleischlose Gerichte gibt. Bei uns soll es Red Snapper an Limonen-Kokossoße mit einem Hauch Chili für sehr moderate 11,80 Euro sein. Die Beilagen kann man selbst wählen. Die Bedienung empfiehlt Reis mit Kokos und Ananas dazu (2,00 Euro). Leicht und fruchtig-pikant kommt das Gericht daher, die Zutaten lassen sich herausschmecken und bilden eine gelungene Kombination. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches fällt die Wahl auf Medaillons von Rind und Schwein, dazu ein Hackfleischröllchen mit kreolischen Soßen (11,20 Euro), als Beilagen Bratkartoffeln mit roten Bohnen (2,20 Euro) und ein Gemüse-Mix aus scharfen roten Bohnen mit Pilzen, Paprika und Knoblauch (3,00 Euro). Die Kombination passt gut zusammen und ist angenehm scharf. Bohnen und Reis sind typisch für Kuba. Fleisch kommt bei Einheimischen auf der sozialistischen Insel hingegen seltener auf den Tisch - auch eine Auswirkung der Mangelwirtschaft. Die Ideen für die Speisen im Varadero sind eine Mischung aus eigenen Reiseerfahrungen und dem Wissen gebürtiger Kubaner, sagt Wendt. „Gleich nach der Wende war ich das erste Mal in Kuba.“ Gerne wäre er auch schon zu DDR-Zeiten hingefahren. „Wir hatten es probiert, es gab ja Reisen über die Völkerfreundschaft, aber wir wurden nicht ausgewählt“, erinnert sich der Gastronom, der mit dem „El Matador“ noch ein spanisches Restaurant in Leipzig betreibt. Kubanische Mitarbeiter, die das Varadero einige Zeit hatte, gaben außerdem Hinweise und Anregungen für authentische Küche.
Vielseitiges Weinangebot
Gern hätten wir einen kubanischen Wein zum Essen genommen, den einzigen, den die Karte bietet. Doch der Weißwein Castillo del Morro wird nur flaschenweise (22,50 Euro) angeboten. Bei zwei Personen, von denen eine das Auto wieder nach Hause steuern muss, etwas zu viel. Aber es gibt dafür gute Gründe, wie Thomas Wendt erklärt: Die frühere Zusammenarbeit zwischen Kuba und Italien in der Weinherstellung gebe es nicht mehr, es komme deshalb schlicht kein neuer Wein aus Kuba nach. Ihn schoppenweise zu verkaufen, rechne sich nicht. Dafür bietet das Varadero jedoch aus dem lateinamerikanischen Bereich, aber auch von Saale-Unstrut, aus Frankreich oder Spanien eine breite Palette guter Tropfen in weiß, rot oder rosé.
Typisch für die Karibik sind zudem bunte Cocktails. Zur Freude derjenigen, die noch fahren müssen: auch ohne Umdrehungen. Der alkoholfreie Manzanillo Sunrise (3,90 Euro) weckt allein mit seinem Namen schon das Fernweh nach palmengesäumten Puderzuckerstränden und türkisfarbenem Meer und schmeckt dazu noch fruchtig und nicht zu süß.
Nach den Hauptgängen hat sich bereits ein Sättigungsgefühl eingestellt. Noch ein Dessert? Das kalte Vanille-Eis auf heißem Mangomus klingt zu verlockend (4,90 Euro) und wird bestellt. Der Kontrast - man kennt es von Vanille-Eis mit heißen Himbeeren - ist immer wieder toll, das Mus im Nachgeschmack leider ein wenig bitter.
Mehr als Havana Club
Das zweite „Dessert“ fällt flüssig aus. Im Varadero, und das ist ein großer Pluspunkt, findet man neben wenigstens zwei Sorten kubanischen Bieres vielerlei echten kubanischen Rum. Havana Club, dessen Produkte man seit 35 Jahren im Varadero anbiete, wie Thomas Wendt sagt, gehört zu den bekannten Marken. Aber „Legendario“ oder „Santiago“ beispielsweise gibt es in Deutschland nur bei einer handvoll Händlern zu kaufen - oder im „Varadero“ zu trinken. Und zwar pur!
Ein „Legendario Elixir“, sieben Jahre alt, soll es sein (5,90 Euro für 4 cl) - sozusagen ein „Frauen-Rum“, denn er ist mild, süßlich und vollmundig. Und viel zu schade, um ihn mit Cola zu panschen. Wer sich einmal durch die Welt des kubanischen Rums probieren möchte, kann das im Varadero nach Anmeldung tun. „Verkostungen haben wir schon gemacht. Dabei kann man sich durch acht bis zehn verschiedene Rum-Sorten testen“, sagt Thomas Wendt. Und auch Zigarren gibt es, aber nur im Sommer, weil man dann auf dem Freisitz gemütlich paffen kann.
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