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MZ-Interview MZ-Interview: Immer mehr Regen

11.01.2011, 19:59

Halle (Saale)/MZ. - Professor Dr. Peter Wycisk ist Hydrogeologe an der halleschen Martin-Luther-Universität. Unser Redakteur Alexander Schierholz sprach mit ihm über den steigenden Grundwasserspiegel in Sachsen-Anhalt.

Herr Wycisk, noch nie haben so viele Menschen im Land über Wasser im Keller geklagt. Woran liegt das?

Wycisk: Der Süden Sachsen-Anhalts ist eigentlich eine sehr trockene Gegend. Aber in den letzten Jahren haben auch wir regenreiche Phasen gehabt, zum Beispiel war der vergangene Herbst sehr nass. Dann steigt der Grundwasserspiegel an.

Wie hat man sich das vorzustellen?

Wycisk: Sand- und Kiespartikel im Boden beispielsweise bilden feine Poren, in denen befindet sich Wasser. Das ist das Grundwasser, das sich im Untergrund bewegt, der so genannte Grundwasserleiter.

Wie tief im Boden bewegt sich das Wasser denn?

Wycisk: Das ist ganz unterschiedlich, je nachdem, wo man sich befindet. In Talauen, zum Beispiel an der Saale, der Weißen Elster oder der Mulde, kann der Grundwasserleiter 1 bis 1,50 Meter unter der Erdoberfläche liegen. Je gebirgiger es ist, desto größer ist der Abstand.

Was bewirkt der starke Regen genau?

Wycisk: Regen trifft auf die Oberfläche. Ein Teil des Wassers fließt ab, je nach Bewuchs und Neigung des Geländes. Der andere Teil versickert im Boden, also in den Poren. Der Grundwasserleiter, der ohnehin schon gefüllt ist, wird also weiter aufgefüllt. Deshalb kann der Grundwasserspiegel auch so stark variieren, das ist ein ständiger Prozess: Regnet es stärker, wird der Leiter stärker aufgefüllt.

Und irgendwann sickert das Wasser in den Keller...

Wycisk: Das kann ganz verschiedene Ursachen haben. Es kann in der Tat mit einem geringen Abstand zwischen Grundwasserleiter und Kellersohle zu tun haben. Um das herauszubekommen, sind komplizierte Messungen notwendig: Da spielt eine Rolle, wie stark der Grundwasserspiegel variiert, wie viel es regnet und wie sich beides zueinander verhält das Jahr über.

Worauf können denn vollgelaufene Keller noch zurückzuführen sein?

Wycisk: Zum Beispiel kann eine Drainage oder Kanalisation mit starkem Regen überfordert sein. Oder Regenwasser auf versiegelten Flächen wird nur unzureichend von Häusern weggeleitet.

Welche Rolle spielt die Bodenbeschaffenheit?

Wycisk: Im südlichen Sachsen-Anhalt gibt es häufig Schwarzerde- oder Lößböden. Die können gut Wasser speichern, sind aber nicht sehr durchlässig. Bei starkem Regen sind sie irgendwann mit Wasser gesättigt. Dann haben wir undurchlässige Tonschichten, zum Beispiel in Teilen von Halle. Je stärker es da regnet, desto mehr Wasser fließt in die Keller, weil es nicht nach unten weg kann.

Steht deshalb auch Wasser auf den Feldern?

Wycisk: Das hat noch eine andere Ursache: Äcker werden bearbeitet, deshalb ist die oberste Bodenschicht auf 20 bis 30 Zentimetern aufgebrochen. Wenn es regnet, werden Tonpartikel ausgewaschen. Dann verschlämmt der Boden, das Wasser kann nicht mehr versickern. Drainagesysteme, die den Abfluss ermöglichen würden, gibt es oft nicht mehr.

Wie sieht es in Bergbaugebieten aus?

Wycisk: Dass dort das Grundwasser ansteigt, ist ein völlig natürlicher Vorgang. Für den Braunkohletagebau hat man den Wasserspiegel über Jahrzehnte großräumig abgesenkt, indem man gepumpt hat. Seit die Pumpen abgestellt sind, stellen sich die natürlichen Grundwasserverhältnisse langsam wieder ein. Das Problem ist, dass an vielen Stellen mittlerweile gebaut worden ist, weil da ja jahrzehntelang kein Grundwasser war. Man hat quasi schlicht vergessen, dass es mal da war.

Man könnte ja wieder pumpen.

Wycisk: Das passiert zum Teil auch. Aber man muss sich immer überlegen, ob das vertretbar ist, sowohl von den Kosten als auch vom Energieaufwand her.

Müssen wir steigende Grundwasserpegel einfach so hinnehmen?

Wycisk: Nein. Wir müssen stärker das Verhältnis von Grundwasserspiegel und Regenmenge beobachten und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Zum Beispiel Entwässerungsgräben oder Drainagen offenhalten und auch pflegen. Die Natur lehrt uns, dass wir da systematischer vorgehen müssen. Wir sind es, im Gegensatz zu anderen Regionen Deutschland, offenbar nicht gewöhnt, dass es häufiger auch stark regnen kann. FOTO: ARCHIV