Mercedes Mercedes : Die neue S-Klasse - Der Selbstfahrer

Wenn Mercedes erstmals seine neue S-Klasse zeigt, dann mangelt es traditionell nicht an Selbstbewußtsein. Man habe das beste Auto der Welt auf die Beine gestellt. Das wird sich zeigen, aber die Chance, dass viele Käufer das genauso sehen, ist groß. Denn dieses Modell war schon bisher das am meisten verkaufte Luxusauto der Welt. Seine Wurzeln reichen zurück bis 1951, da debütierte das Topmodell als „220S“. Ab 1972 gab es das Mercedes-Flaggschiff als S-Klasse.
Jenseits aller Superlative bietet das neue Modell technische Finessen an, die momentan noch Ihresgleichen suchen und so eine lange S-Klasse-Tradition fortsetzen. Denn dieses Auto war immer schon eine Art Technologieträger für die Zukunft. Vieles (ABS, ESP, Knautschzone, Airbag), war hier zum ersten Mal verbaut wurden und entwickelte sich Jahre später zum weltweiten Standard bis hinunter zum Kleinwagen.
Flüster-Motoren und Kraft-Werke
Acht Jahre lang diente der Vorgänger Reichen, Schönen und Verantwortungsträgern als Fortbewegungsmittel. 500 000 mal wurde das Modell weltweit in dieser Zeit verkauft. Das aktuelle Design strahlt zeitlose Noblesse aus, wird aber auch Kritiker auf sich ziehen, weil es gar zu perfektioniert, zu harmonisch aussieht - grundsolide in Zeiten, wo BMW und Audi auch in der Luxusklasse mehr Sportlichkeit wagen.
Mercedes ficht das nicht. Man baut auf treue Kundschaft, die vor allem in Asien rasant wächst. Keine Experimente also. Hier ein Strich und da ein Strich. Die Flanke ist nun stärker konturiert, das Heck schlanker, der noch mächtigere Kühlergrill eine eindeutige Statusanzeige - hier kommt der Platzhirsch, und der Stern ist da, wo er hingehört: Oben auf dem Kühler des 5,12 m langen Wagens, ein Maß, fast wie zuvor. Das gilt auch für den Radstand (3,04 m). In der Langversion wächst das Auto auf 5,25 m. Das ist wichtig für den chinesischen Markt: Dort wird ausschließlich die L-Version verkauft, man mag das, weil der Eigner dort fast ausnahmslos vom Fahrer umherkutschiert wird.
Erweitertes Hybridangebot
Das Kapitel Motoren lässt sich knapp abhandeln. Man baut weitgehend auf Bewährtes, auf Flüster-Motoren und Kraft-Werke, Sechs-, Acht- und Zwölfzylinder, die Leistungen von 258 bis 630 PS anbieten. Erweitert wird das Hybrid-Angebot. Dass der Riese durch Leichtbau um bis zu 100 Kilo abgespeckt hat, hilft mit, den Spritverbrauch bei einigen Modellen bis in Bereiche eines Kompaktwagens zu senken.
Der neue Diesel-Hybrid (204 klassische PS und und 37 Elektro-PS) verbraucht auf dem Papier 4,4 l auf 100 km - in einer zwei Tonnen schweren S-Klasse, die dann nur noch 115 Gramm Kohlendioxid auf 100 km ausstößt, wenn man entsprechend fährt. 2014 will Mercedes noch einen drauf setzen. Dann gibt es einen Plug-in-Hybrid, (eine größere Batterie kann an der Steckdose aufgeladen werden). Der soll beim Verbrauch eine Drei vor dem Komma tragen, was die Neukunden gewiss ganz rational aufnehmen werden. Man erwartet schließlich seit Jahrzehnten unter der Haube nichts anderes als technische Perfektion, die den jeweiligen Höchststand ihrer Zeit markiert.
Wie in der Business-Class bei Lufthansa
Große Emotionen indes könnte das ansprechen, was Mercedes an Sicherheit und Komfort in die neue S-Klasse eingepflanzt hat, vieles davon natürlich zum Aufpreis, der oben drauf kommt auf die 79.790 Euro des Basismodells.
Gediegen ging es schon immer zu in diesem Wagen. Nun kann man sich hinten langmachen, ordert man Liegesessel wie in der Business-Class bei Lufthansa, natürlich mit einem feinen Tischchen für die Akten oder für die Champus-Gläser, vor der Nase ein riesiger Bildschirm im iPad-Design. Das Mobiliar ist immer mehr zu Hightech-Sesseln geworden. In denen kann man sich jetzt Massagen im „Hot-Stone-Stil“ verordnen, nur ohne heiße Steine, dafür aber mit heißen, beweglichen Luftkissen im Rücken. Da können sich die Insassen noch entspannter dem Internet an Bord zu zuwenden, das gehört heutzutage „ganz oben“ einfach dazu. Der Duftspender im Handschuhfach eher nicht.
Im Cockpit ist die Zeit der mechanischen Zeiger-Armaturen endgültig vorbei. Ein großes Display (30-Zentimeter-Diagonale!) simuliert Rundinstrumente, daneben ein weiters Groß-Display für die elektronische Steuerzentrale für Radio, Navi, Klima, Internet, Telefon - all das breit gezogen auf fast 60 Zentimeter, im Dunklen scheint es zu schweben. Der einzige echte Zeiger bewegt sich in der noblen Uhr außerhalb der elektronischen Anzeigen - im möglicherweise derzeit luxuriöseste Innenraum eines Großserien-Autos. Und noch etwas gibt es nicht mehr im Neuling: Glühlampen. Das ist das erste Auto ohne den Licht-Klassiker. Ausschließlich LED sorgen für Helligkeit, innen wie außen.
Zwei Dutzend elektronische Helfer
Bei Zahl und Namen der elektronischen Helfer für mehr Sicherheit und Komfort kommt man nun schon nicht mehr nach, auswendig können nicht mal die Entwickler alle ohne zu stocken aufsagen. Zwei Dutzend solche Helfer gibt es, zwei sind der Zeit voraus, da wird es noch lange dauern, bis Golf oder Punto damit rumfahren. Dieses Auto kann sehen und denkt mit. Eine Stereo-Kamera beobachtet bis 500 Meter voraus die Straßenbeschaffenheit und signalisiert in Bruchteilen von Sekunden an Rechner und Hydraulik, wie Fahrwerk und Federung so verändert werden müssen, dass allzeit der höchste Komfort garantiert ist, egal wie schlecht die Straße gerade ist.
Ein anderer Helfer macht, dass das Auto bis 50 km/h Fußgänger oder auf Kreuzungen querende Autos erkennt. Es bremst automatisch, wenn es knapp wird, auch dahinter steckt die Stereo-Kamera. Im Stopp-und-Go-Verkehr kann das Auto komplett übernehmen. Radar plus Sensoren bremsen selbstständig ab, beschleunigen, halten Abstand. Lenken müsste man dann nicht. Aber weil das per Gesetz nicht erlaubt, schaltet sich der „Autopilot“ nach 15 Sekunden ab, wenn er merkt, es sind keine Hände am Steuer.



