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Leopoldina Leopoldina: Geheimnis um Schatz im Schacht

Von RALF BÖHME 17.05.2011, 21:17

WANSLEBEN/Halle (Saale)/MZ. - Platz ist genug da. Wahrscheinlich könnte die Leopoldina im sanierten Logenhaus neben der Moritzburg in Halle ihre komplette Ahnengalerie präsentieren. Das Problem: Der Bestand ist nicht komplett. Mindestens 13 wertvolle Gemälde, die große Gelehrte darstellen, fehlen seit 1945. Weg sind auch 7 000 historische Bücher, darunter Werke des berühmten Astronomen Johannes Kepler. Die Leopoldina gibt die Suche nicht auf. Bund und Länder helfen dabei. Zu konkreten Anhaltspunkten will sich aber gegenwärtig keine der beteiligten Seiten äußern.

Eine Spur zum Schatz der Leopoldina führt in den Landkreis Mansfeld-Südharz. Nationalakademie und Kultusministerium bestätigen, dass viele der Kostbarkeiten im Jahr 1943 aus Halle in den Georgi-Schacht nach Wansleben kamen. Dort versucht der Heimatforscher Dieter Michaelis, das Geheimnis um die Einlagerung und den weiteren Verbleib der Bücher und Bilder zu lüften. Um Gewissheit zu erlangen, welche Werte noch im ehemaligen Kaliwerk lagern, müsste Michaelis allerdings einen ganzen Berg versetzen. Der Förderschacht ist nämlich aus Sicherheitsgründen, so die Erklärung zu DDR-Zeiten, seit Mitte der 1960er Jahre mit einer viele Tonnen schweren Betonplatte verschlossen.

Bedauernd stellt der 74-Jährige fest: "Leider vermag ich nur an der Oberfläche zu kratzen." Für ihn bedeutet das, alle Informationen zu sammeln, die mit dem unterirdischen Depot zusammenhängen. Im Laufe von fast fünf Jahrzehnten ist da eine Menge an Papieren zusammengekommen. Akribisch registriert der Rentner auch jede Veränderung im Umfeld: Von den Schachtanlagen steht nur noch eine Ruine. Bäume wachsen auf Mauerresten, Brombeergestrüpp wuchert.

Selbst wenn Michaelis den Zugang zum Schacht freilegen würde, wäre noch keine Einfahrt möglich. "Es ist alles verfüllt, 400 Meter tief." Einwohner, vor allem ehemalige Bergleute, sowie Dokumente des Bergamtes haben ihm das bestätigt. Michaelis notiert sämtliche Erinnerungen an das damalige Geschehen. "Erst mit dem Zug, dann mit Möbelwagen sind die Kisten im Oktober 1943 nach Wansleben gekommen. Es war eine Nacht- und Nebelaktion." Auf Weisung aus Berlin verfrachtete die Leopoldina 500 Kisten und das Zehnfache an Paketen in den schon 1926 stillgelegten Salzstock. Dort lag der Schatz sicher vor Bombenangriffen. Und er war unter der Kontrolle der gefürchteten Schutzstaffel (SS). Diese Einheit bewachte auch das Konzentrationslager, das sich ebenfalls unter Tage befand. Michaelis: "Die Nazis ließen dort bis zu 1 500 Häftlinge für die Rüstung schuften." Ihre Befreier waren am 14. April 1945 amerikanische Soldaten. Der Truppe ging es auch um technische Unterlagen, die sie beschlagnahmte. Den Schacht, so Michaelis, nahmen die Soldaten kaum unter die Lupe. Die Russen rückten im Sommer 1945 nach.

Jahrzehnte später werden Teile der Leopoldina-Bibliothek in sowjetischen Beständen entdeckt. Etliches kommt, wie die Leopoldina bestätigt, nach der deutschen Einheit zurück. Trotzdem klaffen weiter Lücken im Bestand.

Rätselraten herrscht, meint Michaelis, wie weit die Besatzer einst ins Bergwerk eingedrungen sind - wirklich bis in die letzten, teils sogar zugemauerten Winkel? Der Heimatforscher verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine unterirdische Rollbahn, die wohl nur auf wenigen Spezialkarten vermerkt gewesen sei. Diese Trasse mit zahlreichen Nebenräumen verlaufe unter der heutigen B 80 bis zum benachbarten Kaliwerk "Neu Mansfeld". Ob dort vielleicht noch etwas versteckt ist?

Michaelis weiß, dass im Moment nur spekuliert werden kann. Dennoch hängt der Rentner dem verwegenen Gedanken nach, dass der Schacht noch einmal geöffnet werden sollte. Widerspruch scheint programmiert, schon wegen der Kosten. Neun Millionen Euro würde das Projekt nach ersten Expertenschätzungen kosten. Die Leopoldina kann kaum der Geldgeber sein. Ihre Mittel sind knapp bemessen. Technisch gilt die Öffnung des Schachtes freilich als machbar.