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Ausstellung im Grassi-Museum Passion Hausfrau: Ausstellung im Grassi-Museum in Leipzig zu Alltagsdesign

15.01.2017, 11:00
Kuchen- und Puddingformen aus Kupfer aus dem 19. Jahrhundert.
Kuchen- und Puddingformen aus Kupfer aus dem 19. Jahrhundert. Grassi-Museum für angewandte Kunst

Margit Boeckh - So, liebe gleichberechtigt-feministisch-gender Bewegte und Bewegtinnen, jetzt heißt es ganz stark sein. Denn: Die Hausfrau kehrt zurück. Wie anders wäre ein Satz wie dieser zu deuten: „Das Ideal vom Glück hat sich immer im Haus, in der Hütte, im Schloss verwirklicht.“

Wo nur könnte so etwas zu lesen sein? Ausgerechnet die „Brigitte“, populäres Leitmedium durchaus emanzipierter Fraulichkeit, zitiert dieses Statement einer studierten 44-Jährigen, die als hauptberufliche Ehefrau und Mutter dreier Kinder Praktisches in die Welt bloggt.

Überschrift: „Passion: Hausfrau“. „Brigitte“ dazu: „Ihr wöchentliches Haushaltsjournal soll dazu beitragen, die Hausarbeit wieder salonfähig zu machen.“

Dieses Adjektiv aus der bessergestellten Bürgerlichkeit gibt zwar ein schiefes Bild (Salons werden eher von Personal in Schuss gehalten), weist aber tatsächlich auf eine Art Hausfrauen-Renaissance. Selbst die „taz“ stellte fest: „Der Wunsch nach einem Leben als Hausfrau war in den letzten 20 Jahren ziemlich verpönt, kommt aber jetzt mit Karacho zurück – ganz besonders unter jungen Akademikerinnen.“

Ausstellung unter dem Titel "Backen. Bügeln. Putzen. Kochen." im Leipziger Grassi-Museum

Tatsache ist: 17 Prozent der Frauen hängen nach der Geburt eines Kindes den Job an den Nagel, mehr als die Hälfte geht auf Teilzeit. Arbeiten nach Hausfrauen-Konditionen: viel Arbeit, wenig Geld, womöglich Altersarmut.

Wie ein Kommentar mit Praxisbezug erscheint da die neue Ausstellung im Leipziger „Grassi“. Zeigt doch das renommierte Museum für Angewandte Kunst unter dem Motto „Backen. Bügeln. Putzen. Kochen.“

Geräte aus acht Jahrhunderten zum alltäglichen Gebrauch für „Das bisschen Haushalt“, wie es im Untertitel heißt. Mit dieser Textzeile war in den 70ern ein Liedchen zum Ohrwurm geworden, in dem die Schauspielerin Johanna von Koczian mit Augenzwinkern munter trällerte „Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann“.

Die Zeiten gehen, die Probleme halten sich. Man erinnere sich an den Werbespot, in dem eine Hausfrau und Mutter auf die Frage, was sie denn so beruflich macht, antwortet: „Ich manage ein kleines Familienunternehmen.“ Nix mit Heinzelmännchen, trotz all der nützlichen Gerätschaften, die da jetzt im Art-déco-Ambiente der Grassi-Pfeilerhalle versammelt sind.

Unerlässlich waren und sind diese Dinge für die Bewältigung des Alltäglichen im Rahmen eines effektiven Zeit-Managements. Beim Gang durch die Schau ist zu erleben, wie über Jahrhunderte getüftelt und gestaltet wurde an kleinen und großen Helfern.

Ob einfacher Kochtopf oder multifunktionale Küchenmaschine, Handfeger oder hochleistungsfähiger Staubsauger. Dinge, die als allzu alltäglich meist wenig wahrgenommen, ganz selbstverständlich benutzt werden. In den Museumsvitrinen werden sie buchstäblich ins rechte Licht und in den Blick gerückt.

Man schaut und staunt wohl auch manchmal, wie funktionell, praktisch und ästhetisch in der formalen Anmutung diese Alltagsbegleiter sein können; in ihrer oft gelungenen Einheit von Form und Funktion dazu geeignet, die Hausarbeit nicht nur zu erleichtern, sondern auch ein wenig zu verschönern.

Grassi-Museum zeigt Alltagsgegenstände aus mehreren Jahrhunderten

Wie die kupfernen Kuchen- und Puddingformen aus dem 19. Jahrhundert. Schauobjekte für jede Küche, die fast vergessen machen, dass es viel Einsatz braucht, um sie so blitzblank zu wienern. Die munter gelbe Kasserolle eines dänischen Designers von Mitte der 50er Jahre ist ein modernes Schmuckstück, auch leichter zu pflegen; befüllt und gesäubert werden muss die freilich auch.

In sechs Themengebiete ist die Schau gegliedert, separiert Kochen und Backen von Putz- und Waschvorgängen. Dabei belässt es die Ausstellung nicht bei Aspekten wie körperliche Schonung und Zeitersparnis, sondern thematisiert gleichermaßen gesellschaftliche Aspekte: häusliche Aufgabenverteilung, Erfordernisse von Single-Haushalten, „to go“-Mentalität.

Schon die frühesten Exponate zeugen vom Bemühen, dem Praktischen auch Schönes beizugeben. So ist ein Dreibeintopf, Ende des 15. Jahrhunderts in Sachsen hergestellt, mit einem Zierdekor versehen. Plätzchen- und Lebkuchenmodeln aus dem 19. Jahrhundert gehen glatt als kleinplastische Kunstwerke durch. Verstärkt seit Anfang des 20. Jahrhunderts hielten Edelstahl, Glas, Aluminium und Kunststoffe Einzug im Haushalt.

Berühmte Designer schufen nützliche Dinge, die zu Kultobjekten wurden. Der gläserne, mit einem Metallbügel versehene Eierkocher von Wilhelm Wagenfeld ist solch ein Stück. Schon seit 1931 im Jenaer Glaswerk Schott & Gen. produziert, ist er bis heute im Handel.

DDR-Produkte mit langer Lebensdauer

Stichwort „Nachhaltigkeit“. Da haben, auch das zeigt die Schau, DDR-Produkte oft die Nase vorn. Ein Beispiel: zwei Kurzzeitwecker, die in einer Vitrine einträchtig nebeneinander stehen und sich doch sehr unterscheiden.

Der von der Schweizer Designer-Legende Max Bill entworfene erweist sich bei näherem Hinsehen als weit weniger praktisch in der Handhabung als das Modell daneben eines (DDR-üblich) namenlosen Gestalters aus dem VEB Mikroelektronik Dresden.

Das ist nämlich griffiger einzustellen und besser ablesbar. Für den langlebigen Gebrauchswert von DDR-Erzeugnissen steht neben vielen anderen das Rührgerät „RG 28“. Von Designer Kurt Boeser entworfen, wurde es seit 1975 im VEB Elektrogerätewerk Suhl hergestellt und tut bis heute noch in etlichen Haushalten seine Dienste.

In anderer Weise auf Nachhaltigkeit zielt das System „frisk“, das Studenten der Bauhaus-Universität Weimar 2016 entworfen haben. Ein Baukasten-Modell aus sechs Modulen für die Lagerung von Brot, Obst und Gemüse ohne Strom durch ein ausgeklügeltes System aus Holz, Ton, Plexiglas, Wasser und Kies. Am Schluss der Schau weist der Entwurf der künftigen Designer auf die Gestaltungskraft und Verantwortung ihres Berufes über das Produkt hinaus hin.

Übrigens: Auch die werktätige Hausfrau und Mutter im real existierenden DDR-Alltag sah sich mit dem althergebrachten Rollenmodell konfrontiert. Zum Beispiel, wenn Küchenhelfer ganz selbstverständlich als Boy bezeichnet wurden wie die Küchenmaschine AKA „Multiboy“, die der VEB Elbtalwerk Heidenau bis 1989 herstellte.

Die Schau läuft bis zum 9. April im Grassi-Museum für Angewandte Kunst Leipzig. (mz)

Die Kasserolle ist ein dänischer Entwurf aus den 50ern. .
Die Kasserolle ist ein dänischer Entwurf aus den 50ern. .
Grassi-Museum für Angewandte Kunst
Diese Zitruspresse entstand um 1970 in der Schweiz.
Diese Zitruspresse entstand um 1970 in der Schweiz.
Grassi-Museum für Angewandte Kunst