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Parkbogen Ost Parkbogen Ost in Leipzig: Was sich hinter dem Großprojekt verbirgt

Von Daniel Salpius 27.01.2017, 12:57
So oder so ähnlich soll die ehemalige S-Bahnstation Sellerhausen einmal aussehen. Wie genau entscheidet sich im städtebaulichen Wettbewerb.
So oder so ähnlich soll die ehemalige S-Bahnstation Sellerhausen einmal aussehen. Wie genau entscheidet sich im städtebaulichen Wettbewerb. Stadt Leipzig

Leipzig - Der Berufsverkehr ist in Leipzig gefühlt schon so dicht wie in New York. Das City-Hochhaus ist, na klar, Leipzigs Empire State Building. Die Dichte an Künstlern, Hipstern und Ausgeflippten ist noch nicht ganz so hoch wie in der amerikanischen Mega-Metropole – die Tendenz jedoch steigend. Mit dem City-Tunnel gibt es so etwas wie eine U-Bahn. Und bald hat Leipzig sogar seinen eigenen High Line Park. Aufgepasst, Big Apple!

Der echte High Line Park verläuft auf einer ehemaligen Hochbahntrasse für Güterzüge in Manhattan. Begrünt und von Bänken gesäumt, ist der Park seit 2009 zur Touristenattraktion mutiert und hat den Stadtteilen umher neues Leben eingehaucht.

Mit dem Parkbogen Ost plant die Leipziger Stadtverwaltung ein ähnliches Projekt – mit kalkulierten Kosten von 41 Millionen Euro. Seit November 2016 steht der Masterplan für den Parkbogen Ost, der in der Leipziger Stadtverwaltung ausgetüftelt wurde. Kürzlich hat ihn der Stadtrat beschlossen. Auf gut fünf Kilometern soll sich laut Entwurf der grüne Rad- und Fußweg bogenförmig durch die östlichen Stadtgebiete winden, streckenweise auf einer stillgelegten Bahntrasse, dem Sellerhäuser Bogen. Hier führt er dann als Höhenweg über Eisenbahnbrücken und ehemalige Bahnsteige. Das 250 Meter lange Sellerhäuser Viadukt, das den Blick auf die Innenstadt freigibt, gilt schon jetzt als Herzstück der ganzen Strecke.

Parkbogen Leipzig: Baumaßnahmen beginnen mit Sellerhäuser Bogen

Der Leipziger Osten ist bekannt vor allem durch hohe Arbeitslosenquoten, Kriminalität und Drogendelikte und kann auch rein optisch weniger punkten als andere Viertel. Hinzu kommt, dass die östlichen Stadtgebiete bislang fast nur über Hauptverkehrswege zu erreichen sind, was sie etwa für Leipzig-Touristen weniger attraktiv macht. Und das, obwohl kaum ein Gebiet so viele unentdeckte Orte zu bieten hat: Baudenkmäler wie die alte Krausefabrik auf dem ehemaligen Polygraph-Gelände oder wenig genutzte Parks wie Volksgarten und Mariannenpark im nördlichen Abschnitt. Hinzu kommen Lene-Voigt-Park und Angercrottendorfer Kreuzung.

Alle diese Orte werden durch den Parkbogen aufgefädelt wie an einer Perlenkette und teils neu erschlossen. Zudem schafft der grüne Weg eine Verbindung zum Zentrum abseits großer Straßen. Mit seinen beiden zentralen „Toren“, dem Hauptbahnhof am nördlichen sowie dem Grassimuseum am südlichen Ende der Strecke, holt der Parkbogen seine Besucher direkt in der Innenstadt ab.

Parkbogen Ost in Leipzig: Bauarbeiten beginnen am Sellerhäuser Bogen

Erste Bauarbeiten am Großprojekt beginnen mit dem Sellerhäuser Bogen. Hier laufen die Kaufverhandlungen mit der Bahn. Momentan würden Gutachten über die Bausubstanz des Viadukts und der Stahlbrücken entlang der ehemaligen Bahntrasse erstellt, sagt Petra Hochtritt vom Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, die für das Großvorhaben zuständig ist. „Da muss man nun schauen, was kostet die Sanierung wirklich, wie sehen beispielsweise die Fundamente aus.“ Außerdem seien die Brückenkonstruktionen aus Thomasstahl gefertigt, der viel CO2 enthalte und bei starken Temperaturschwankungen versagen könne. Neubauten sind also nicht ausgeschlossen. Sie könnten am Ende sogar preiswerter sein.

Wenn alles gut läuft, will die Stadtverwaltung bereits im Sommer einen städtebaulichen Wettbewerb für den Sellerhäuser Bogen ausloben. Petra Hochtritt erklärt: „Die Brücken und das Viadukt müssen instand gesetzt werden, da haben wir keinen Gestaltungsspielraum. Aber der Stadtbalkon auf dem Viadukt, wie wird der aussehen? Wie gestalten wir den Sellerhäuser Bahnhof? Welche Signets kann man setzen, anhand derer man den Parkbogen wiedererkennt? Diese Fragen gehen in den Wettbewerb.“ Nicht unerheblich für die Gestaltung: Das Gleisbett gilt als Altlast. Denn im Schotter sind Öl, Diesel und Fäkalien von jahrzehntelangem Zugverkehr gespeichert. Da die Entsorgung entsprechend teuer wäre, tendiert die Verwaltung dazu, den Schotter als Unterbau der Wege möglichst an Ort und Stelle zu belassen.

Die Idee zum Parkbogen kommt aus der Bürgerschaft und wurde seit 2012 von ihr an die Stadt herangetragen. 2015 konnten Leipziger daher ihre Gestaltungsideen für den Weg und die angrenzenden Areale in Bürgerwerkstätten einbringen. So wünschten sich die Bürger einen Kletterpark auf dem ehemaligen Polygraph-Gelände. „Hier hätte allerdings allein der Grunderwerb mehrere Millionen gekostet“, wendet Petra Hochtritt ein. „Leipzig wächst. Es fehlen Schulen, Kindergärten und Straßen.“ Wenn man ein solches Grundstück kauft, könne man keine Grünanlage darauf setzen. Der aktuelle Masterplan sieht lediglich einen Spielbereich auf dem weiterhin privaten Gelände vor. In ähnlicher Weise musste so manche Bürgeridee zurückstecken.

Für den Sellerhäuser Bogen stehen momentan neun Millionen Euro aus Bund- und Länderprogrammen, einem EU-Förderprogramm und dem städtischen Haushalt zur Verfügung. Petra Hochtritt schätzt, dass der Bauabschnitt wohl erst in den nächsten acht Jahren fertiggestellt sein wird. „Wenn wir 2017 den Wettbewerb abschließen, sind wir 2018 in der Planung. Ende 2018 kann man vielleicht anfangen zu bauen.“ Wann der Parkbogen in voller Länge realisiert ist, weiß auch die Verantwortliche nicht: „Es kommt darauf an, wie sich die Haushaltslage entwickelt. Wenn wir den Sellerhäuser Bogen in trockenen Tüchern haben, wandern wir weiter.“ Dann ist wahrscheinlich die Nordspange an der Reihe, eine Weggabelung im nördlichen Streckenverlauf.

Parkbogen Ost: Weitere Aufwertung der Stadt Leipzig

So ist vieles noch offen. Auch, was der Parkbogen dem Leipziger Osten letztlich bringt. Mit dem New Yorker High Line Park kamen die angesagten Läden, die Luxus-Appartements und die Hotels in die umgebenden Viertel. Die Mieten stiegen – und wurden zu hoch für viele Alteingesessene. Tobias Bernet von „Leipzig – Stadt für alle“, einem Netzwerk für demokratische und soziale Stadtentwicklung, will den Parkbogen in diesem Aspekt nicht überschätzen.

„Denn die Aufwertung findet im Osten ja schon statt. Das liegt an der Nähe zur Innenstadt und den Gründerzeithäusern. Die Kapitalströme suchen sichere Häfen – deshalb steigen die Mieten.“ Wenn der Parkbogen fertig ist, könnten Aufwertung und Verdrängung also schon vollzogen sein. (mz)