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Goethes Comeback  Goethes Comeback : Leipzigs bekanntestes Wahrzeichen leuchtet bald wieder

Von Janine Gürtler 26.04.2018, 12:32
„Mein Leipzig lob ich mir“. Weithin sichtbar prangten die Leuchtreklamen bis 2007 an den Wohnblöcken am Brühl. Im Sommer 2018 sollen sie auf den Höfen am Brühl installiert werden.
„Mein Leipzig lob ich mir“. Weithin sichtbar prangten die Leuchtreklamen bis 2007 an den Wohnblöcken am Brühl. Im Sommer 2018 sollen sie auf den Höfen am Brühl installiert werden. imago/Jochen Tack

Leipzig - Vorsichtig streicht Uwe Leuthäußer über die Rundung des geschwungenen „O“. Der 54-Jährige kennt wohl jede Krümmung, jede Lötnaht des berühmtesten Leipziger Schriftzugs, der im Juli wieder über den Dächern der Stadt leuchten soll: „Mein Leipzig lob’ ich mir.“

Die Neon-Reklame mit dem Zitat des Dichters Johann Wolfgang von Goethe prägte immerhin 40 Jahre das Bild der Messestadt. Bis 2007 prangte das Werk auf den Wohnblöcken am Brühl. Dann wurden die Plattenbauten abgerissen - und die bekannte Leuchtreklame verschwand jahrelang im Lager.

Restaurator Uwe Leuthäußer von der Firma Caralux in Rackwitz, etwa 20 Autominuten von Leipzig entfernt, hat das Wahrzeichen in monatelanger Detailarbeit nun wieder auferstehen lassen. „Es ist wie bei einem alten Auto“, erzählt der gelernte Glasbläser in der Werkstatt. „Man steckt sehr viel Zeit und Liebe hinein.“

Schriftzug Mein Leipzig lob ich mir: Drei Kilometer Neonröhren, 100 Meter Schrift

Für ihn ist die Restaurierung auch ein Stück Familiengeschichte: Sein Vater Herbert, selbst ehemaliger Mitarbeiter der Firma Caralux und inzwischen 92 Jahre alt, hat als Neonglasbläser wesentliche Teile des rund 100 Meter langen Schriftzugs in den 60er Jahren geschaffen. Das alte Handwerk beherrscht heute kaum noch jemand, Uwe Leuthäußer ist einer der wenigen.

„Das Spannende ist ja die Detailarbeit, die dahinter steckt“, begründet er die Faszination seines Projekts. Hier werden die Bauteile nicht per Computer zurechtgeschnitten und gelötet, sondern in mühevoller Handarbeit erneuert. Und diese aufwendige Arbeit kann sich auch ganz schön hinziehen, weiß Gerd Martin, der Geschäftsführer von Caralux. Die Jahrzehnte über den Dächern Leipzigs sind schließlich nicht spurlos an dem Wahrzeichen vorbeigegangen.

„Schauen Sie mal hier, das sieht aus wie ein Schweizer Käse“, sagt Martin und zeigt auf einen besonders verrosteten Buchstaben. Hinter ihm stapeln sich weitere verblasste Lettern, warten darauf, von kundiger Hand entrostet und per Sandstrahler gereinigt und geglättet zu werden - bevor dann in einem weiteren Arbeitsschritt die neue Farbe aufgetragen wird: sonnengelb, wie beim historischen Vorbild. Den genauen Ton können die Fachleute treffen, weil ihnen die originalen Konstruktionspläne aus DDR-Zeiten noch vorliegen.

Um den Schlaf gebracht?: Langer Rechtsstreit mit Hotelbesitzer beigelegt

Eines ist dann aber doch anders im Vergleich zu früher: Leipzigs weltoffener Willkommensgruß wird nicht mehr mit alten Neonröhren leuchten, wie Leuthäußer Senior sie einst verbaut hatte - sondern mit ausgeklügelter, nagelneuer LED-Technik. Die spart nicht nur Energie, sondern ist auch dimmbar.

Denn während der Abenddämmerung geht für den Schriftzug schrittweise das Licht aus. Spätestens um 22 Uhr liegt der Goethe-Spruch dann komplett im Dunkeln. „Darauf haben wir uns mit dem Marriott-Hotel geeinigt“, sagt Robert Spanke, Manager des Einkaufscenters am Brühl. Ein Kompromiss, der nötig war, um einen jahrelangen Rechtsstreit beizulegen.

Denn eigentlich sollte das Licht der Leuchtreklame schon 2012 auf dem Dach der „Höfe“ angehen. Das angrenzende Marriott-Hotel fürchtete aber, dass der Schriftzug in die Zimmer scheinen und die Gäste um den Schlaf bringen könnte - und klagte. Der Streit ging bis vor das Oberlandesgericht und konnte erst nach einem Besitzerwechsel 2017 beigelegt werden.

Probeleuchten für Goethe

Rund 400.000 Euro investierten die „Höfe am Brühl“, damit der beliebte Leuchtschriftzug von 1967 historisch korrekt seinen Platz im Herzen der City und der Leipziger wieder einnehmen kann. Im Juli geht es in die heiße Phase, wenn Arbeiter innerhalb von zwei Wochen die bis zu fünf Meter hohe Konstruktion montieren. Der schwere Schriftzug wird dann auf 40-Tonnern nach Leipzig gekarrt und per Kran auf das Dach des Centers gehievt.

Ein kleines und kurzes Comeback hatte Goethes Schriftzug übrigens schon: Um sicherzustellen, dass die Reklame mit LED- statt Neonröhren originalgetreu wie zu DDR-Zeiten erstrahlt, wurde ein Buchstabe schon vorab auf dem Dach der „Höfe“ getestet. So viel Sorgfalt lob’ ich mir. (mz)