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Leipzig Leipzig: Ein Champ unterm Tisch

Von ELKE RICHTER 11.09.2009, 15:55

Halle/MZ. - Es ist ein Schieben und Drängeln auf der Treppe. Und während wir erschrocken versuchen, unser Gleichgewicht zu halten, flitzt die zottelige Schar an uns vorbei auf die Wiese.

Etwas ruhiger haben wir uns das schon vorgestellt, die erste Begegnung mit den Königen der Hütehunde, den Komondore und Pulis. Seit zehn Jahren werden sie auch in Großgräfendorf, einem Ortsteil von Bad Lauchstädt, gezüchtet. Und zwar von Bärbel Kloss, die mal Maschinenbau studiert hat und uns jetzt mit einem Babyfläschchen in der Hand begrüßt. Nanu?

Mit fröhlichem Lachen bittet uns die 43-Jährige ins Haus. Wir steigen die letzten Stufen rauf und sehen uns flankiert von zwei Respekt einflößenden Wiesen-Rückkehrern mit Bob-Marley-Frisur. Möglicherweise schauen die uns jetzt grad an. Aber das vermuten wir nur. Sehen können wir ihre Augen unterm Filzgewuschel nicht.

Nicht zu übersehen ist dagegen in der Diele das viele Gold und Silber: der Schatz des "Zwingers vom Lärchenweg". Pokale über Pokale sind hier aufgereiht. Was die Vermutung nahe legt, dass die Exoten nicht nur zuverlässige Wächter sind. Sondern vielleicht sogar Stars? Doch bevor wir Näheres erfahren, erhalten wir die Erklärung, was es mit dem Fläschchen auf sich hat. Im Kellergeschoss haben wir nämlich unsere zweite Begegnung mit der Hunde-Rarität. Und die fällt friedlich aus. Fünf Komondore-Babys mit perlweißem Kräuselfell und mächtigem Appetit warten dort. Aller drei Stunden gibt's was zu futtern, hören wir von Bärbel Kloss, die sich eins der drei Wochen alten Wuschel schnappt. "Der Dicke hier, der wird in zwei Jahren mal Champ bei den Junioren", prophezeit die Züchterin.

Was wir ihr glatt abnehmen. Denn der Zwinger aus Großgräfendorf mit elf Hunden stellt seit sieben Jahren den "Erfolgreichsten Komondore". Und immer wieder den Besten der Rasse, den Europa- und Bundessieger, den internationalen Schönheits-Champ und und und. "Ich habe aufgehört zu zählen, aber so um die tausend Pokale müssten es schon sein", schätzt die Büroangestellte, und krault eines der Kraftpakete mit der Schnürenbehaarung. Die, so erfahren wir, ist wichtig für die Naturburschen, deren Job seit Jahrtausenden darin besteht, Wölfe, Bären und anderes Diebsgesindel von den Herden fern zu halten. Denn die bodenlangen Filzstreifen schützen die Hunde vor Kälte und Raubtierbissen.

Das Zotteltier, das da grad seine Streicheleinheiten genießt, ist aber nicht irgendwer. Sondern der amtierende Weltsieger von 2008. Kocos heißt die 71 Zentimeter hohe Hundedame, die sich vertrauensvoll an uns lehnt, und deren Erfolge beachtlich sind. 26 Mal wurde die Siebenjährige bei diversen Ausstellungen zur Rassebesten gekürt und errang 22 Mal die Anwartschaft auf den Titel "Internationaler Schönheitschamp". Auch ihr Sohn Döme von Thüringen, ein Energiebündel von 80 Zentimetern Höhe und 2008 Europasieger des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH), war sechs Mal schon Rassebester. Das Gespräch über seine Erfolge langweilt den Fünfjährigen und er trabt davon. Dafür beweist uns Ditschert, dass er ein echter Herdenschutzhund mit ausgeprägtem Bewacherinstinkt ist. Der Puli-Rüde mit der schwarzen Rasta-Mähne, ebenfalls ein gekürter Champ, liegt unterm Tisch, mit engem Kontakt zu unseren Füßen, und lauscht. Frauchen erzählt von der Ursprünglichkeit der Tiere, die mit 300 Gramm Trockenfutter und ein paar Bröckchen Fleisch am Tag recht genügsam sind, und von der schwierigen Aufzucht, bei der sich die ganze Familie engagiert.

Komondore, deren Fell übrigens nicht gekämmt wird, gelten in der Hundeszene als Exoten. Nur drei Züchter gibt es im VDH und etwa 150 Tiere in Deutschland. Da verwundert es nicht, wenn auf Straßen und bei Ausstellungen diese rustikalen Burschen im Blickpunkt stehen. An zwölf Events pro Jahr, darunter das Komondore-Festival in Ungarn, dem Ursprungsland dieser Hütehunde, beteiligt sich Bärbel Kloss. Beim Leipziger Event hofft die Hobby-Malerin, dass ihr gemeldetes Trio in Gruppe 1 einen guten Eindruck beim Richter, der u. a. anatomische Merkmale und das Wesen bewertet, hinterlässt. "Toll wäre ein Platz im Finale, wo die Gruppensieger um den Titel 'Best in Show' wetteifern", sagt Bärbel Kloss. Und vielleicht wird es wieder so wie letztes Jahr, als Weltsiegerin Kocos gegen einen feschen Mops laufen musste, der seinen Sieg buchstäblich verstolperte.

Nächstes Ziel ist Anfang Oktober die Weltausstellung in Bratislava mit rund 20 000 Rassehunden. "Die Nacht vor Wettkämpfen schlafe ich immer schlecht, weil ich denke, dass ich beim Schaulaufen patze", gesteht Züchterin Kloss. Solche Ängste kennt Kocos nicht. Die hat sich an der Tür breit gemacht und versperrt uns den Rückzug.