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Landwirtschaft Landwirtschaft: Grüne Planspiele mit der EU-Agrarreform

Von ANTONIE STÄDTER UND ALEXANDER SCHIERHOLZ 13.10.2011, 18:22

Halle (Saale)/MZ. - Der Selbstständige

Rainer Heukamp reicht einen grünen A-5-Zettel über den Tisch: Die Anzahl der Ferkel steht drauf, die Bezeichnung ihrer Ställe, ihr Gewicht und die Unterschrift des Fahrers. Wenn der Landwirt aus Strummendorf bei Aschersleben (Salzlandkreis) Ferkel von seinem Aufzuchtstall in seine Mastanlage im nächsten Dorf transportiert - und das macht er regelmäßig -, dann muss er sich selber einen Lieferschein schreiben. Von Rainer Heukamp an Rainer Heukamp.

Die EU will es so. Die EU will auch, dass der 69-Jährige genau dokumentiert, was und wie viel er auf seinen Feldern spritzt. Das Amt für Landwirtschaft nimmt regelmäßig Stichproben vor. Stimmt etwas nicht, droht Abzug bei den EU-Subventionen. Schon jetzt verbringt Heumann 70 Prozent seiner Arbeitszeit am Schreibtisch.

Der bürokratische Aufwand, fürchtet er, wird künftig noch zunehmen. Wenn die EU wie geplant ab 2014 ihre Subventionen an neue Regeln knüpft. "Deren Einhaltung werden wir dann auch noch dokumentieren müssen." Dennoch sieht Heukamp der Agrarreform gelassen entgegen. Nicht, dass er davon mehr Geld zu erwarten hätte. Mit den knapp 300 Hektar, die der Landwirt mit vier Angestellten bewirtschaftet, zählt er zwar hierzulande zu den Kleineren, die von der Reform profitieren sollen. Doch in den alten Bundesländern gibt es wesentlich kleinere Höfe.

Der 69-Jährige, der Anfang der 90er Jahren "wegen der guten Böden" aus dem Emsland kam, weiß wie viele seiner Kollegen noch gar nicht genau, was mit der Reform künftig auf ihn zukommt. Schließlich sind es erst einmal Vorschläge, die EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos am Mittwoch unterbreitet hatte. "Aber große Probleme sehe ich nicht." Den vollen Fördersatz etwa an Vielfalt auf dem Acker - mindestens drei Kulturen - zu knüpfen: Heukamp winkt ab: "Ist längst Standard bei uns." Gerste und Weizen, Rüben und Raps baut er an, in Fruchtfolge. "Und Kreislaufwirtschaft betreiben wir auch." Das Getreide nämlich verfüttert er ausschließlich an seine Schweine - 7 000 Plätze umfasst die Mastanlage. Die Gülle der Tiere wird dann wieder auf den Feldern ausgebracht, von denen Heukamp den größten Teil gepachtet hat.

Was die Reform finanziell für ihn bedeutet, weiß der Landwirt noch nicht. "Vielleicht gibt es ein bisschen weniger Geld, weil ja Mittel in die neuen EU-Länder umverteilt werden sollen." Doch die geplante Deckelung wird ihn nicht treffen, dafür ist sein Hof zu klein. Großbetrieben dagegen wird die geplante 300 000-Euro-Obergrenze Einbußen bescheren. Rainer Heukamp hält das für richtig: Es sei nicht einzusehen, dass große Unternehmen auf die Fläche bezogen die gleiche Förderung bekämen wie kleine Höfe, die ohnehin eine wesentlich schmalere finanzielle Basis hätten.

Die Agrargenossenschaft

Das sieht Matthias Ulrich ganz anders: "Warum sollen wir nur wegen unserer Großflächenstruktur weniger bekommen für Produkte gleicher Qualität?" Mit Bangen verfolgen der Prokurist und seine Kollegen von der Agrargenossenschaft Bad Dürrenberg (Saalekreis) die Diskussionen um die Reformpläne. Der Genossenschaft, die sich auf die Pflanzenproduktion konzentriert und zudem 100 000 Legehennen und 250 Mutterkühe hält, macht besonders die Deckelung Sorgen: "Mindestens zwei Drittel unserer Förderung würden wegfallen und wir müssten überdenken, ob wir personalintensive Kulturen wie Kartoffeln weiter anbauen können", sagt Vorstandsmitglied Cornelia Funke, die die Regelung für alles andere als gerecht hält.

Denn: "Mit den insgesamt knapp 5 000 Hektar Bewirtschaftungsfläche und davon rund 1 400 Hektar Eigentumsland gelten wir als Großbetrieb." Rechne man diese Zahlen aber auf die 67 Genossenschaftsmitglieder herunter, werde deutlich, dass von einer Agrarfabrik nicht die Rede sein könne: "Wir sind ein Zusammenschluss mehrerer Kleinstbetriebe." Schon jetzt werde die Fördersumme jährlich um vier Prozent gegenüber kleineren Betrieben gekappt. "Diese Ungleichbehandlung würde sich künftig noch vergrößern", so Cornelia Funke. Vorschläge, man könne Genossenschaften doch aufsplitten, würden ihrer Ansicht nach nichts bringen - weil bürokratischer Aufwand und damit die Kosten steigen würden.

Sicher: Die Anrechnung der Personalkosten, die ebenfalls im Gespräch ist, schmälert die Einbußen bei 72 Beschäftigten gehörig. "Unsere Lohnkosten sind höher als unsere jetzige Förderung", so Funke. Deshalb hoffen die Bad Dürrenberger Landwirte, dass es wirklich so kommt. Trotzdem rechnen sie auch dann mit 20 bis 25 Prozent weniger Förderung.

Matthias Ulrich sieht eine weitere Benachteiligung gegenüber kleinen Betrieben. Jung-Landwirte unter 40 Jahren sollen Zuschläge von 25 Prozent auf die Basisprämie erhalten. Doch: "Ich als Genossenschaftsmitglied werde diese sicher nicht bekommen", so der 31-Jährige. Bei der Genossenschaft betreffe das ein Viertel der Mitglieder.

Derweil haben die Bad Dürrenberger mit den geplanten Auflagen in Sachen "grüne" Landwirtschaft keine Probleme. Große Änderungen erwarten sie für ihren konventionellen Landwirtschaftsbetrieb nicht. In vielerlei Hinsicht werde bereits "grün" gewirtschaftet. So bauen die Genossenschaftsmitglieder etwa weit mehr als die drei geforderten Kulturen an: neben Weizen, Raps und Wintergerste auch Mais, Zuckerrüben und Kartoffeln.

Das Wetter, schwankende Märkte: Als Landwirt ist es Matthias Ulrich gewöhnt, nie lange im Voraus planen zu können. Doch was die Agrarreform angeht, sagt er: "Ich hoffe, dass es bald Klarheit gibt."