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Landtagswahl Landtagswahl: Warum die Kleinen ganz laut werden

Von KAI GAUSELMANN 15.03.2011, 18:46
Ein Modellschiff der Piratenpartei steht bei einer Wahlparty auf einem Tisch. (ARCHIVFOTO: DPA)
Ein Modellschiff der Piratenpartei steht bei einer Wahlparty auf einem Tisch. (ARCHIVFOTO: DPA) dpa

MAGDEBURG/MZ. - Job weg, Partner weg, Kinder kriminell - wenn das übliche Maß an Zumutungen deutlich überschritten wird, wäre er die Rettung: Ein Neustart-Knopf fürs Leben. Wie am Computer, wenn sich ein Programm aufgehängt hat. Einen solchen "Reset"-Knopf will die Piratenpartei bei der Verschuldung drücken. Sachsen-Anhalt hat mehr als 20 Milliarden Euro Schulden. Die Piraten fordern, alle Zahlungsverpflichtungen "nicht mehr zu bedienen (Schulden-Reset)". Die Polit-Freibeuter - die hier nach eigenen Angaben 200 Mitglieder haben - vermuten, dass so das Finanzsystem "teilweise" kollabieren könnte. Das müsse man aber in Kauf nehmen, um künftige Generationen zu entlasten. Der Neustart verhindere auch neue Schulden - weil "der Staat dadurch automatisch an Kreditwürdigkeit verliert".

Auf Knopfdruck schuldenfrei

Der Schulden-Reset ist typisch für die Kleinstparteien: Im Schatten der etablierten Großen CDU, Linke, SPD, FDP und Grüne müssen die Kleinen laut schreien, um aufzufallen. Die Fünf-Prozent-Hürde wurde erfunden als Lehre aus der Weimarer Republik - so sollen stabile Mehrheiten gefördert werden. Wer klar daran scheitert, wird am Wahlabend unter "Sonstige" zusammengefasst. 2006 kamen sie insgesamt nur auf 3,4 Prozent der Stimmen.

Acht Parteien treten neben den Etablierten an - und rangeln teils um dieselbe Klientel: Am äußersten linken Rand fischen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD). Vollbeschäftigung durch Sozialismus und die "wirkliche Gleichberechtigung der Frauen" verspricht die KPD. "Unser Ziel ist der Kommunismus", heißt es im Programm. Und auch hier soll die Lautstärke Gehör bringen, als schrille Kritik an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr: "Das imperialistische Deutschland greift mal wieder nach der Weltherrschaft." KPD und MLPD sind sich ganz links recht nah, der entscheidende Unterschied ist die Rückschau. Die "Diffamierung der DDR" müsse aufhören, meint die KPD. "Die Arbeiter müssen die Macht haben, sonst ist es kein Sozialismus. Das war in der DDR schon lange nicht mehr der Fall", meint MLPD-Kandidatin Monika Kuske.

Hingegen auf der Höhe der Zeit wähnt sich die "Sarrazistische Partei für Volksentscheide" (SPV). Die 84 Mitglieder sind Anhänger Thilo Sarrazins, sein Buch "Deutschland schafft sich ab" ist ihr Leitfaden. Konkret wollen sie "prüfen, wo und wie auf Landesebene Sarrazins Reformideen umgesetzt werden können". Wobei sich die SPV mit Details im Programm bewusst zurückhält: "Und auch wenn wir Sarrazins Reformideen für sehr gut halten, sind diese doch so umfassend und neu, dass wir sie nicht einfach so wiedergeben können und werden." Ein bisschen was verraten sie auf Nachfrage dann doch. "Jeder unserer Landtagssitzinhaber wird 200 Euro im Monat für einen guten Zweck spenden", verspricht SPV-Kandidat Jens Harry Frye für den Erfolgsfall. Zudem sollen bei der Einführung eines Gesetzes zwei alte gestrichen werden.

Der 40-jährige Elektroinstallateur aus Unseburg (Salzland) arbeitete zuletzt nach eigenen Angaben als Computer-Fachverkäufer und ist derzeit im Erziehungsurlaub. Bevor er sich enttäuscht abwandte, war er in der PDS. Jetzt feiert Frye sein Polit-Comeback. "Durch das Buch ,Deutschland schafft sich ab' wurde mein politisches Interesse wieder erweckt." Er hat aber auch mehr als Sarrazin-Ideen in petto, aktuell wendet er sich gegen Atomkraftwerke (AKW). "Atomenergie tötet! Jeder Politiker oder Lobbyist, der das anders sieht, muss mit seiner Familie auf einem AKW-Gelände wohnen", fordert Frye. Das spare "viele Steuergelder für den Personenschutz".

Überschaubares Drohpotential

Fast zahm wirkt dagegen die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). Sie plädiert für längeres gemeinsames Lernen und Landwirtschaft ohne Gentechnik. Die fordert auch die Partei "Mensch Umwelt Tierschutz". Auch soll Umwelt- und Tierschutz ein Unterrichtsfach werden. Die Tierschutzpartei rechnet aber nicht damit, ihre Ideen umsetzen zu können. "Wir werden die Fünf-Prozent-Hürde mit Sicherheit nicht schaffen", heißt es im Wahlprogramm. Es komme auch vielmehr darauf an, die großen Parteien zu treiben: "Denn je mehr Wähler uns wählen, desto mehr werden sich die etablierten Parteien unserer Themen und Ziele annehmen." Das Drohpotential der Tierschützer war zuletzt überschaubar: 2006 traten sie mit ÖDP und Grauen an und holten 0,8 Prozent der Stimmen.