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Landtag Sachsen-Anhalt Landtag Sachsen-Anhalt: Große Mehrheit für Vergabegesetz

18.05.2001, 06:57

Magdeburg/dpa. - Öffentliche Bauaufträge werden inSachsen-Anhalt künftig nur noch an Unternehmen vergeben, diebestimmte soziale und tarifliche Standards erfüllen. Der Landtagbeschloss am Freitag mit großer Mehrheit ein entsprechendesVergabegesetz. Der Landtagsbeschluss löste bei Gewerkschaftenund in der Wirtschaft kontroverse Reaktionen aus.

Nach dem Gesetz müssen Firmen, die vom Land oder von Kommuneneinen Bauauftrag erhalten wollen, ihren Beschäftigten Tariflohnzahlen. Zudem soll künftig nicht mehr das billigste, sondern daswirtschaftlichste Angebot zum Zuge kommen.

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt betonte, nun sei es wichtig, die neuenMöglichkeiten bei der öffentlichen Auftragsvergabe auch zu nutzen.Die Gewerkschaft erwarte, dass die Vergabe von öffentlichenBauaufträgen künftig konsequent an die Tariftreue gekoppelt werde.«Darauf werden wir mit Argusaugen achten», sagte Landeschef AndreasSteppuhn. Er forderte die Bauarbeitgeber auf, dazu beizutragen, dassLohn- und Sozialdumping im Land der Vergangenheit angehören.

Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau hingegen lehnte dasVergabegesetz als «verfassungspolitisch bedenklich und wirkungslos»ab. Mit dem Gesetz würden alle Baufirmen diskriminiert, die nichtMitglied in einem Tarifverband seien - und dies sei die großeMehrheit, betonte Kammerpräsident Albrecht Hatton. Nichttarifgebundene Firmen seien gesetzlich zur Zahlung desMindestlohnes verpflichtet. Solche Firmen von öffentlichen Aufträgenauszugrenzen, unterliege der Willkürvermutung, erklärte Hatton unterBerufung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Zudemsei zu vermuten, dass das Gesetz ohne Wirkung bleiben werde, weil esan Kontrollmöglichkeiten fehle.

Mit Hilfe des Gesetzes sollen Sozialdumping und Schwarzarbeit aufden Baustellen des Landes verhindert und ein fairer Wettbewerbermöglicht werden. Nach langen, kontroversen Debatten hattenGewerkschaften, Kammern und Verbände ihre grundsätzliche Zustimmungzu dem Gesetz signalisiert. Allerdings herrschte in der WirtschaftSkepsis vor, was die praktische Umsetzung betrifft.

Auch CDU-Wirtschaftsexperte Detlef Gürth warnte im Landtag vorübertriebenen Hoffnungen. «Das Gesetz schafft keinen einzigen Auftragund bekämpft nicht die Schwarzarbeit», sagte er. Es sei auch zubezweifeln, ob Lohndumping durch das Gesetz tatsächlich bekämpftwerden könne. Die Kommunen seien für eine Überwachung des Gesetzesweder personell noch finanziell ausgestattet. Schlecht sei auch, dassFirmen, denen es nicht so gut gehe und die einen Haustarifvertraghätten, nun keine Aufträge mehr erhalten könnten.

< Der SPD-Politiker Rainer Metke sagte, der ruinöse Preiskampf amBau und teils kriminelle Machenschaften müssten beendet werden. Eskönne nicht sein, dass ausgerechnet diejenigen, die Lohndumpingbetreiben, noch öffentliche Gelder erhalten, seriöse Unternehmenhingegen keinen Auftrag bekommen. Das Gesetz sei auch über denBaubereich hinaus anwendbar und könne ausgeweitert werden. DieLandesregierung solle das prüfen.

Die PDS-Politikerin Edeltraud Rogee sagte, das Gesetz sei einguter Komromiss. Es biete eine Chance für fairen Wettbewerb. Dierechsextreme DVU stimmte der Regelung ebenfalls zu. Die rechtsextremeFDVP lehnte das Gesetz dagegen ab.

Wirtschaftsministerin Katrin Budde (SPD) verwies darauf, dass dieöffentliche Hand mit ihrem Geld haushalten müsse und ihre Ausgabennicht am Bedarf der Bauwirtschaft ausrichten könne. In Zukunft werdees etwa beim Straßenbau weiter viele Aufträge geben, beim Wohnungsbauhingegen sehe es etwas anders aus.

Die öffentliche Hand hat einen sehr großen Anteil an den Aufträgenim Baugewerbe. Allerdings sank dieses Auftragsvolumen laut CDU seit1995 um 40 Prozent auf zuletzt 400 Millionen Mark im Jahr. Jederdritte einheimische Bauarbeiter ist derzeit ohne Job.