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Tourismus im Wörlitzer Gartenreich Tourismus im Wörlitzer Gartenreich: Ferien in der Ex-Leichenhalle?

Von Andreas Behling 22.04.2020, 08:57
Die historische Leichenhalle hat neue Besitzer.
Die historische Leichenhalle hat neue Besitzer. Andreas Behling

Wörlitz - Die an der östlichen Flanke des Wörlitzer Friedhofs stehende historische Leichenhalle, die im Jahr 1798 nach Plänen von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff errichtet wurde - das identische Aufseherhaus liegt spiegelbildlich gegenüber -, hat neue Besitzer. Nach der Zustimmung durch den Stadtrat Oranienbaum-Wörlitz haben Sven Kielgas und Falk Morten von Oeynhausen das Gebäude erworben. Beide sind bereits Eigentümer des Herrenhauses der Fürstlichen Domäne Wörlitz, das sich vis-à-vis dem Friedhof befindet.

Die Männer bestätigen auf Nachfrage, dass lediglich noch der Notar-Termin zu absolvieren sei, um den Besitzerwechsel endgültig zu legitimieren. „Leider hat uns die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung gemacht und den Vollzug des formalen Akts verhindert“, informiert Kielgas. „Aber es kann nichts mehr schief gehen. Der Vertrag liegt unterschriftsreif vor.“ Von Uta Franke, bei der Kommune für das Gebäude- und Liegenschaftsmanagement zuständig, habe es da eine „super“ Vorbereitung gegeben.

Im Gebäude am Friedhof, merken Kielgas und von Oeynhausen zum historischen Hintergrund an, seien die Toten ja nicht verabschiedet worden. „Das passierte im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten in der Kirche St. Petri.“ Bis zu denen geladen wurde, sei die Leichenhalle tatsächlich eine Art Lagerplatz für die Verstorbenen gewesen. Den Erdmannsdorff-Bau, von dem sich eine Linie zur Domäne und weiter zur Villa Hamilton ziehen lässt, bewerten sie als einen „ganz zentralen Punkt“ im Wörlitzer Stadtbild.

Eingang zum Gartenreich

„Es ist uns wichtig, diesen wieder in voller Pracht herzustellen. Gemeinsam mit dem Areal der Domäne bildet er absolut den offiziellen Eingang zum Gartenreich.“ Es sei ein schöner Gedanke, dass an der Stelle der Platz für den Tod und der Platz, an dem man sich um neues Leben kümmerte, eine Einheit bilden.

Fürst Franz - eine verwitterte Steinplatte mit seinem Namen ist in die Fassade der Leichenhalle integriert worden - hatte die Domäne als einen Musterhof gefördert, der große wirtschaftliche Erfolge erzielte. „Wir wissen nicht, ob es jemand schon mal so analysiert hat“, geben die Käufer zu. Aber eine solche Interpretation - hier würdiger Tod, dort freudiger Neubeginn - läge eben nicht fern.

Im Wissen, dass die Stadt großes Interesse an einer Sanierung hat - da die Immobilie im Erhaltungssatzungsgebiet „Wörlitz - Historischer Stadtkern“ liegt, könnten im Rahmen des städtebaulichen Denkmalschutzes entsprechende Fördermittel zum Einsatz kommen -, streben die Münchener eine bauzeitliche Wiederherstellung an. Günstig dürfte sich auswirken, dass sich keinerlei Konflikte mit den Denkmalpflegern andeuten.

„Hier gibt es keine Anbauten, die zu berücksichtigen wären“, so Falk Morten von Oeynhausen. Verschlimmbesserungen - die Leichenhalle und das Aufseherhaus sind als zweigeschossige, verputzte Ziegelbauten unter Zitierung von Renaissanceformen gestaltet und verfügen über Volutengiebel - werde niemand beklagen müssen.

Das Ziegelpflaster des Fußbodens im Inneren sei nach dem Muster „Römischer Verband“ verlegt worden. Aktuell sei nur ein einziger Raum vorhanden, denn eine feste Treppe in den ersten Stock gebe es nicht mehr. Man müsste eine Leiter anlegen, um nach oben zu klettern. Die Eigentümer rechnen damit, dass vor allem eine Menge Taubendreck entfernt werden muss. Die Vögel seien durch die Fenster, von denen einige „schon seit mehreren Jahren offen stehen“, wie der Oranienbaum-Wörlitzer Bürgermeister Maik Strömer (CDU) berichtete, ein und aus geflogen.

Vorerst Lagerraum

Unlängst waren in dem Haus noch alte Grabsteine deponiert. Weswegen für eine Belüftung der Räumlichkeiten gesorgt werden musste. Inzwischen sind dort neben verschiedenen Gerätschaften ein Schemel und zwei Big Packs verstaut worden. Sven Kielgas zufolge kommt die „schöne große Fläche vermutlich zunächst als Lager“ in Frage. Wenn die Arbeiten in der Domäne voranschritten, müssten einige Möbel für eine Weile einen anderen Platz finden. „Langfristig ist es indes durchaus realistisch, hier eine Ferienwohnung zu integrieren. Denn es gibt sogar ein nutzbares Dachgeschoss.“

Bei diesem weit in die Zukunft reichenden Blick muss von Oeynhausen schmunzeln. „Nun ja, zumindest wird es hier keine lauten Nachbarn geben.“ Dabei befand sich der ursprüngliche christliche Friedhof bis zur Schließung 1795 im Umfeld der Kirche. Fürst Franz legte ihn dann von 1795 bis 1798 östlich des Stadtkerns neu an. (mz)

Detail an der Ostfassade mit dem Namen „L. F. Franz“ weist auf Leopold III. Friedrich Franz (1740-1817), Fürst und Herzog von Anhalt-Dessau, genannt Fürst Franz, hin.
Detail an der Ostfassade mit dem Namen „L. F. Franz“ weist auf Leopold III. Friedrich Franz (1740-1817), Fürst und Herzog von Anhalt-Dessau, genannt Fürst Franz, hin.
Behling