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Schach in Annaburg Schach in Annaburg: Zug um Zug mit Pokerface

Von Sven Gückel 11.11.2018, 08:24
Konzentriert gehen Florian Helbig (l.) und Sebastian Barz dem Spiel der Könige nach.
Konzentriert gehen Florian Helbig (l.) und Sebastian Barz dem Spiel der Könige nach. Sven Gückel

Annaburg - Der Blick von Florian Helbig strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. In seinem Inneren aber brodelt es. Sekündlich analysiert der junge Annaburger die vor ihm stehende Schachpartie, wägt möglich Züge sowie deren Vor- und Nachteile ab. Auch die neben dem Brett stehende Schachuhr erfährt zugleich regelmäßig seine Aufmerksamkeit.

Von alldem bekommt Helbigs Gegenüber Sebastian Barz scheinbar wenig mit. Wie beim Kartenspiel setzen auch Schachspieler ein Pokerface auf, wissen ihren Gemütszustand bestens zu verbergen. Erst als Florian Helbig eine Figur greift und auf das nächste Feld setzt, stellt sich in seinen Gesichtszügen leichte Entspannung ein. Allerdings nur für Sekunden. Denn schon keimt in ihm die Frage auf: Geht meine Überlegung auf?

Schach, das Spiel der Könige, hat seit Jahrzehnten in der Region Jessen und Wittenberg eine feste Anhängerschaft. Wenn auch die Zahl derer, die aktiv in Vereinen spielen, kontinuierlich sinkt. „Noch bis in die 1980er Jahre waren es allein im Altkreis Jessen sechs Vereine, in denen gespielt wurde“, blickt Dirk Helbig sehnsuchtsvoll zurück. Helbig, Trainer beim SSC Annaburg und zugleich Mannschaftsleiter der Männermannschaft, kann sich an diese Zeiten noch gut erinnern. 1976 fand der heute 53-Jährige selbst über eine Schul-AG zum Denksport, und ist diesem stetig treu geblieben.

In Axien etwa gehörte es bis vor 40 Jahren fast zum guten Ton, dass man Schach spielt. Einige der heute Aktiven kommen noch aus dieser „Kaderschmiede“. Frank Mißbach etwa ist einer von ihnen. Auch er zählt zum Stamm der Annaburger Männermannschaft, kämpft für sein Team in der Bezirksliga Dessau um wichtige Punkte. 2017 hat die Mannschaft sich vehement gegen den Abstieg aus der Bezirksoberliga gewehrt - und verloren. „In dieser Saison heißt das Ziel deshalb ganz klar Wiederaufstieg“, gibt Dirk Helbig die Richtung vor.

Zwei Spieltage wurden bisher absolviert, beide konnte man für sich entscheiden. Auch im Pokalwettkampf hat man die nächste Runde erreicht, wenngleich mit einem blauen Auge, wie Helbig zugibt. Aber was zählt, ist das Ergebnis. Alles andere wird schnell wieder vergessen.

Der Kampf Mann gegen Mann, was nicht heißt, dass Frauen kein Schach spielen, ist es, was die echten Könner an dieser Sportart fasziniert. „Am Brett bist du für dich und dein Handeln selbst verantwortlich. Niemand anderes“, verdeutlicht Helbig. Darüber hinaus steigert Schach die Konzentrationsfähigkeit, schult das logische Denken, erfordert Disziplin und verlangt Geduld. Auch auf einen Fehler des Gegners zu warten und diesen dann vorausschauend für sich zunutze zu machen, muss man erst lernen. Bis zu fünf Stunden kann eine Partie dauern.

Für 40 Züge bekommt jeder Spieler zwei Stunden Zeit sowie einen Bonus von maximal 30 Minuten obendrauf. Kein Wort fällt in dieser Zeit, nur das Setzen der Figuren und das Drücken der Uhren unterbricht die Stille. Zum Schluss gibt es einen Sieger und einen Handschlag. Neues Spiel, neues Glück.

Während die Annaburger Männermannschaft Erfolge einfährt und sportliche Ziele anstrebt, stockt es beim Nachwuchs gewaltig. Vor drei Jahren, sagt Dirk Helbig, hätten Jugendliche noch an Turnieren teilgenommen. Nicht nur, dass die Zahl der Interessierten seither weiter zurück gegangen sei, auch die Bereitschaft zum Wettkampf sei den meisten von ihnen abhanden gekommen. Training ja, aber das Wochenende für den Wettkampf opfern?

Dazu seien sie dann nicht mehr bereit. „Schade“, bedauert Helbig und richtet seinen Blick dennoch nach vorn. Denn noch immer gibt es Kinder, die sich beim SSC Annaburg melden und das Spiel der Könige lernen wollen. Richard Greb ist einer von ihnen. Noch etwas schüchtern sitzt er am Brett und staunt, was bei geschickten Zügen alles möglich ist. Aber wenn er beharrlich übt, wird auch ihm das eines Tages leicht fallen.

Mehr zum 1993 gegründeten SSC Annaburg, seiner Geschichte und den Trainingszeiten gibt es im Internet unter www.ssc-abg.de (mz)

Der Läufer ist im Spiel.
Der Läufer ist im Spiel.
Gückel