Kunst in der Lichtenburg Kunst in der Lichtenburg: Starke Frauen in Prettin

Prettin - Die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt hat zum zweiten Mal so genannte Heimatstipendien ausgelobt. Insgesamt lagen 66 Anträge von Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten mit 88 Projektskizzen vor. Unter den zehn Gewinnern des „Heimatstipendium #2“ ist Petra Reichenbach. Sie hat sich mit ihrem Konzept zu Schloss und Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin in Kooperation mit der Stadt Annaburg durchgesetzt und erhält damit für ihr auf ein Jahr angelegtes Projekt ein Stipendium in Höhe von 12.000 Euro. Damit gibt die Stiftung dem Museum die Möglichkeit, sich der zeitgenössischen Kunst zu öffnen, und der Künstlerin den kreativen Freiraum in Zusammenarbeit mit der Ortsgeschichte.
In den Bann gezogen
„Die Komplexität des Schlossensembles Lichtenburg hat mich sofort in ihren Bann gezogen und den Wunsch ausgelöst, mit einer gesellschaftlich relevanten Idee zu reagieren“, sagt Petra Reichenbach. Schloss und Gedenkstätte lernte sie im Januar bei einem Ausflug der Stiftung dorthin kennen. Die Diskrepanz zwischen Schloss und KZ-Gedenkstätte könnte größer nicht sein, findet sie. Einerseits ziehe der Ort Touristen an, die sich für das Renaissanceschloss interessieren, andererseits biete die Gedenkstätte „ein sehr berührendes Bildungsangebot, dem meiner Meinung nach nichts hinzuzufügen ist“. Nach ihrem Besuch war für sie klar, dass sie in Prettin arbeiten möchte und entdeckte in den Frauengemächern des Schlosses den perfekten Ort dafür:
„Eine Brücke, die beide authentischen Orte näher zusammenbringen kann, ist die Zimmerflucht der Frauengemächer. Sie erzählen Frauengeschichte(n) von der Frührenaissance bis in die heutige Zeit.“ So begann sich die Stipendiatin im Rahmen ihrer Bewerbung mit der Geschichte der Frauen, die hier lebten, zu beschäftigen.
Auch die Künstlerin selbst kann schon jetzt auf ein bewegtes Leben blicken. In München studierte Petra Reichenbach Modegrafik und arbeitete in den 90er Jahren als Layouterin für das Sonntagsmagazin der New York Times. Später entwickelte sie eine Kampagne der Zeitschrift „Faz“ in Berlin mit und entschied sich, der Liebe wegen, für den Umzug nach Halle. Als Powerfrau wolle sie sich aber, erst recht in Verbindung mit den Frauen der Lichtenburg, selbst nicht bezeichnen.
„Ein Frauenort: starke Frauen in den Frauengemächern“ lautet ihr Projekt. Inspiriert von der schichtweisen Freilegung der Wandmalerein in den Gemächern, sollen im Mittelpunkt ihrer Installation Frauen, wie Kurfürstin Elisabeth von Brandeburg oder Kurfürstin Anna von Dänemark, stehen. Fasziniert und begeistert von deren Leben und Wirken will sie ihnen ein Gesicht und eine Stimme geben, so die Idee. Im Raum sollen halbtransparente Gewebebahnen herabhängen.
Jede Stoffbahn trägt eine großformatige Frauenzeichnung. Mit optischen und akustischen Details sollen die Zimmer und die Frauen lebendig werden. Um eine Brücke zwischen der Geschichte des Schlosses und der der KZ-Vergangenheit des Areals zu schlagen, sollen hier auch Frauen, die im Konzentrationslager gefangen gehalten wurden, einen Platz bekommen.
„Den starken Persönlichkeiten aus der Renaissance folgten im Nationalsozialismus weitere mutige Frauen, die mit ihrer Ankunft im Konzentrationslager ihren Namen abgeben mussten, um ihn durch eine vielstellige Nummer einzutauschen. Ihnen möchte ich durch die Installation ein Stück weit ihre Persönlichkeit zurückgeben, die im KZ gebrochen werden sollte“, erklärt Petra Reichenbach.
Frauen, die zur Renaissancezeit hier Zuflucht fanden, und Frauen, die hier viel später wegen ihrer Religion oder politischen Ansichten inhaftiert wurden - Geschichte wiederholt sich immer wieder, so Reichenbach.
Zusammenarbeit wichtig
Bei den Recherchen ist sie auf Unterstützung der Mitarbeiter von Gedenkstätte und Stadt angewiesen. „Ich trage ein bisschen dazu bei, dass eine Schnittstelle zwischen beiden Institutionen geschaffen wird. Das ist für mich auch eine Herausforderung, worauf ich mich schon total freue“, erzählt Petra Reichenbach.
„Wir haben uns sehr gefreut, dass die Jury sich für die Lichtenburg und dieses Projekt entschieden hat“, meint Anja Liebig, die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Annaburg. Wann die Künstlerin mit ihrem Projekt vor Ort beginnen kann, hängt von den weiteren Entwicklungen der Corona-Pandemie ab. Bis dahin muss ihr ein selbstgebastelte Modell der Frauengemächer aus Pappkarton erst einmal genügen. (mz)
