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Kampf gegen das "Raucherbein" Kampf gegen das "Raucherbein": Ballon und Stoßwellen am Coswiger Herzzentrum

Von Ilka Hillger 07.01.2020, 11:02
Dr. Robert Flieger, Direktor der Klinik für Kardiologie am Mediclin-Herzzentrum Coswig, im Hybrid-Katheterlabor.
Dr. Robert Flieger, Direktor der Klinik für Kardiologie am Mediclin-Herzzentrum Coswig, im Hybrid-Katheterlabor. Thomas Klitzsch

Coswig - Beim Gehen schmerzen die Beine, die Füße sind oft kalt, offene Wunden heilen schwer ab – all dies können Anzeichen für die Schaufensterkrankheit sein. Ausgelöst wird diese von Arteriosklerose, der Arterienverkalkung in den Beinen. „Im schlimmsten Fall droht eine Amputation“, beschreibt Robert R. Flieger die Auswirkungen dieser Erkrankung. Der Chefarzt am Mediclin-Herzzentrum Coswig startet nun mit einer guten Nachricht für Patienten in das neue Jahr.

In der Coswiger Herzklinik kommt bei Patienten mit derartigen arteriellen Verschlusskrankheiten künftig eine neue Behandlungsmethode zum Einsatz: Mit der intravaskulären Shockwave Lithotripsie werden verkalkte Gefäßabschnitte mittels Stoßwellenenergie therapiert. Nachdem das Herzzentrum diese Methode bereits an Herzkranzgefäßen erfolgreich durchgeführt hat, wird sie in Zukunft auch peripherer Verschlusskrankheit eingesetzt.

Operation bleibt erspart

„Wir sind tatsächlich das erste Krankenhaus in Sachsen-Anhalt, dass diese Behandlungsmethode anwendet“, sagt der Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Angiologie. Die Methode, so der Mediziner, hätten sich die Entwickler bei der Nierensteinzertrümmerung abgeschaut. Bei der Stoßwellentherapie wird in Coswig ein Ballonkatheter mit mehreren Elektroden in die verkalkte Stelle des Gefäßes eingeführt.

Die von den Elektroden erzeugten Stoßwellen sind in der Lage, den abgelagerten Kalk in der Gefäßwand zu zertrümmern. Dabei geht die maximale Energie an verkalkte Gefäßstellen, während noch nicht verkalkte Gefäßabschnitte und das angrenzende Gewebe unbeeinträchtigt bleiben. „Diese Methode schlägt die Brücke zwischen der reinen Ballonbehandlung und einer Operation, sodass eine weitere Therapiemöglichkeit angeboten werden kann“, meint Flieger.

Er schätzt, dass rund jeder 60. Patient, der mit einer Gefäßerkrankung in die Herzklinik kommt, von der neuen Behandlungsmethode profitieren wird. Die kommt wohlüberlegt zum Einsatz, denn die Krankenkassen übernehmen nicht die kompletten Kosten, die für das Krankenhaus anfallen. „Da zahlen wir drauf, aber es ist für uns wichtig, dass der Patient gesund wird“, sagt Robert R. Flieger, der seit Anfang August die Klinik für Kardiologie leitet und zuvor in Berlin, Halle und Köthen tätig war.

Die Shockwave Lithotripsie sei gewissermaßen etwas für die hartnäckigen Fälle. Der Chefarzt meint damit jene Verkalkungen, die so hart sind, dass sie der bisherigen Ballonmethode widerstanden. War in solchen Fällen zumeist eine OP notwendig oder der Einsatz einer Mikrofräse, so stünde in Coswig nun etwas zur Verfügung, das sehr komplikationslos zum Einsatz kommen kann. Mit einer örtlichen Betäubung und einen Katheterzugang über den Arm oder über die Leiste sei die Behandlung im Normalfall nach 20 bis 30 Minuten durchgeführt.

Vor allem der Leitende Oberarzt Uwe Winkler und dessen Team von der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Herzzentrum haben mit der Neuerung die ersten Erfahrungen sammeln können und sind von dieser überzeugt. „Wir versorgen unsere Patientinnen und Patienten mit Problemen der peripheren Gefäße damit in Zukunft noch effizienter“, freut sich Flieger. „Außerdem können wir die Spezialisierung unserer Klinik für die Behandlung komplexer Gefäßveränderungen noch weiter ausbauen. Wo, wenn nicht hier, sollte eine solche Neuerung vorgehalten werden“, findet der Mediziner.

Hoffnung auf Anerkennung

Der Chefarzt hofft darauf, dass sich die kleinen Ballons mit ihren Stoßwellen allgemein durchsetzen werden, denn dann könne man auch hoffen, dass deren Einsatz nicht mehr so teuer ist. Umso glücklicher war Flieger, als auch die Geschäftsführung der Herzklinik in den Erwerb der Geräte einwilligte. Sebastian Schalk, kommissarischer Kaufmännischer Direktor, sieht diese spezielle Behandlungsform als Mehrgewinn an medizinischer Versorgungsleistung für die gesamte Region.

Dem Chefarzt wäre es freilich lieber, wenn gar nicht erst so viele Patienten an der Arterienverkalkung erkranken würden. „Wenig Bewegung, Rauchen, viel Stress“, zählt er als Faktoren auf, die die Erkrankung beschleunigen. Mit Verzicht und Vernunft wäre so mancher Besuch beim Spezialisten für Herz und Gefäße vermeidbar.

Zur Krankheit

Von der „Schaufensterkrankheit“ (umgangssprachlich „Raucherbein“) beziehungsweise der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sind in Deutschland etwa 4,5 bis 5 Millionen Menschen betroffen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Erkrankungswahrscheinlichkeit. Sie beträgt bei über 70-Jährigen rund 15 bis 20 Prozent. Patienten mit verengten Beingefäßen leiden dabei häufig an Schmerzen beim Gehen oder sogar in Ruhe, wodurch die Gehstrecke eingeschränkt wird.

Ursache der Erkrankung sind fettreiche Einlagerungen in der Gefäßwand, die zu einer zunehmenden Verhärtung und sogar zum kompletten Verschluss eines Beingefäßes führen können. (mz)

Am Monitor wird die Aufweitung des Gefäßes beobachtet.
Am Monitor wird die Aufweitung des Gefäßes beobachtet.
Klitzsch