Jeber-Bergfrieden Jeber-Bergfrieden: Die Sammlung im Gemeindehaus schrumpft

Jeber-Bergfrieden - Alles muss raus, auch wenn es schwer fällt. Versonnen geht Kurt Schröter durch die Räume im Obergeschoss der Schule in Jeber-Bergfrieden. Aus der Etage darunter klingt Kinderlachen herauf. Es ist Pause in der Grundschule. „In absehbarer Zeit sind auch hier oben Kinder“, sagt der Ortsbürgermeister. Dann hat die Museumsruhe ein Ende. Die Sammlung aus DDR-Zeiten, die Ausstellung der Forstgeräte und der Raum mit allen Dokumenten und Materialien zur Ortsgeschichte werden selbst zur Geschichte und machen dem Nachwuchs Platz.
Das ist eine ganz bewusste Entscheidung des Ortschaftsrates, versichert Schröter. „Für den Nachwuchs machen wir das gerne“, sagt der Ortsbürgermeister. Es wird schon irgendwie klappen, dass man mit weniger Fläche für die Dorfgemeinschaft auskommt, wenn der Platz für die Kinder benötigt wird. 2018/2019 dürfte dies nach Schröters Schätzungen so sein.
Dann soll die Kita „Kunterbunt“ saniert werden. Es werden also Ausweichräume benötigt und die sind eben dort, wo sich die Dorfgemeinschaft mit ihrem Material und den Sammlungen seit 2003 ausbreiten konnte.
Die Ausstellung zur Forstgeschichte im Gemeindezentrum von Jeber-Bergfrieden wurde im April 2009 eröffnet. Zusammengestellt und ausgearbeitet hat sie der Dessauer Friedrich Lüddemann, der lange Zeit Forstamtsleiter in Hundeluft war und seit Jahrzehnten Arbeitsgeräte und Utensilien sammelt, die mit dem Wald in Verbindung stehen. Themenschwerpunkte der Ausstellung sind handgetriebene und motorgetriebene Forstgeräte etwa ab 1900. Es gibt aber auch Waldbrandwarnschilder in vier Sprachen in der Schau.
Die Grundschüler aus Jeber-Bergfrieden besuchen regelmäßig die kleine Ausstellung, schließlich liegt diese im gleichen Haus. Die Bemühungen der Grundschule zum Verständnis von Wald und Umwelt wurden im Juli 2012 mit der Auszeichnung als erste Naturparkschule Sachsen-Anhalts belohnt. (mz/ihi)
„Wir hatten es ja wirklich sehr komfortabel“, findet Kurt Schröter beim Durchschreiten der Räume und Flure. Mit etwas Wehmut folgt ihm Friedrich Lüddemann, Forstamtsleiter im Ruhestand. Dieser Ruhestand ist jedoch eher ein Unruhestand.
Lüddemann hat die Forstsammlung in Jeber-Bergfrieden ebenso aufgebaut wie das Jagd- und Forstmuseum in Görzke. „Neun Sammlungen sind mit meinen Materialien bestückt“, erzählt er. Für Jeber-Bergfrieden hat er eine kleine Waldszenerie geschaffen: zwei Gruppen von Stammholz flankieren alte Schneidetechnik der DDR, dahinter grünt der Wald auf der Fototapete. „Da findet sich sicher ein neuer Platz“, glaubt Kurt Schröter und liebäugelt mit den alten Räumen auf dem Schulgelände, die mal für den Werkunterricht genutzt wurden.
Die Materialfülle der Ortschronik will er hingegen im jetzigen Sitzungsraum und seinem Büro unterbringen. „Da brauchen wir einfach eine Menge Regale“, meint Kurt Schröter. Dann müssen eben die Ordner hochkant stehen und können nicht mehr aufschlagbereit auf Tischen liegen.
Das Lebenswerk des verstorbenen Ortschronisten Manfred Dilling will der Ortsbürgermeister von Jeber-Bergfrieden auf jeden Fall erhalten wissen. Schlimm genug ist es schließlich schon, dass die Fleißarbeit nach dem Tod des Ortschronisten abbrach und sich bis heute niemand gefunden hat, der ehrenamtlich und ebenso engagiert in die großen Fußstapfen treten will.
Das eine ordnende Hand fehlt, sieht man der DDR-Sammlung mit ziemlich vielem, was so den Alltag in diesem Land ausmachte, ein wenig an. „Als wir hier 2003 eingezogen sind und diese Fülle an Räumen hatten, schien uns eine solche Sammlung als gute Idee“, erinnert Kurt Schröter die Umnutzung des Gebäudes nach dem Auszug der Sekundarschule.
Und die Jeber-Bergfriedener und Leute aus der Umgebung trugen ordentlich zum Wachstum der Ausstellung bei. Da gibt es Spielsachen aus alten Zeiten, Schrankwände, Sessel, Sofas, eine ganze Menge an Elektrogeräten und sogar eine Kittelschürzen-Kollektion. Selbst Spirituosen, haltbare Lebensmittel in Gläsern, Dosen und Tüten haben die Zeit überdauert - wenn auch an den Etiketten etwas verblasst.
„Viele Exponate sind Leihgaben“, sagt Schröter. Deren Spender bittet er nun darum, die zur Verfügung gestellten Dinge abzuholen, falls daran noch Interesse besteht. „Was dann noch übrig bleibt, ist vielleicht etwas für andere DDR-Museen und Sammler“, hofft der Ortsbürgermeister, der sich für die finale Auflösung der Sammlung auch einen großen Flohmarkt vorstellen kann.
Bis dahin sei aber noch etwas Zeit. Bis Jahresende soll es einen ersten Auszugstermin geben. „Aber ich denke, wir haben auch noch das erste Quartal dafür zur Verfügung“, sagt Schröter, der über die Modalitäten längst mit Coswigs Bürgermeisterin Doris Berlin gesprochen hat.
Sie wolle auch behilflich sein, damit die Sammlung oder Teile davon in gute Hände kommen. Das wäre vor allem dem Lebenswerk von Forstmann Friedrich Lüddemann zu wünschen, denn solch eine gut sortierte und ausgeschilderte Sammlung hat ihren Wert. „Ich sammle schon seit über 40 Jahren. Da ist eben einiges zusammen gekommen“, sagt Lüddemann, der mit seinem Material im Juli sogar Außenminister Frank Walter Steinmeier begeistern konnte. Bei einer Radtour durch seinen Wahlkreis machte der Politiker nämlich in Görzke Station und trug sich ins Ehrenbuch des Museums ein.
Solch hohen Besuch gab es in Jeber-Bergfrieden noch nicht, aber zumindest doch ein wichtiges Statement. „Zugunsten der Kinder rücken wir gerne zusammen“, spricht Kurt Schröter für die Gemeinde und in absehbarer Zeit wird Kinderlachen auch wieder die obere Etage in der alten Sekundarschule erobern.
Wer Exponate aus der Sammlung abholen möchte, kann einen Termin bei Kurt Schröter, telefonisch unter 0170/3 13 43 19, vereinbaren. (mz)