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Handwerk in Zahna Handwerk in Zahna: Das Bratwurst-Experiment bei Knoll

Von Ute Otto 10.04.2019, 10:49
Fleischermeister Matthias Wartenberg führt jetzt die Zahnaer Traditionsfleischerei Knoll.
Fleischermeister Matthias Wartenberg führt jetzt die Zahnaer Traditionsfleischerei Knoll. Ute Otto

Zahna - Es sind unverkennbar Zahnaer Fliesen, mit denen der Flur des Hauses in der Zahnaer Breitenstraße 33 ausgelegt ist. Es ist der Stammsitz der Fleischerei Knoll, gegründet 1927 als Rind- und Schweineschlächterei mit angeschlossener Gaststätte. Die hat Ernst Knoll senior noch bis 1980 betrieben, erzählt Matthias Wartenberg, der seit 2017 die Traditionsfleischerei führt.

„Jeder alte Zahnaer hat bestimmt eine Geschichte aus Knolls Kneipe zu erzählen.“ Das Lokal habe floriert, fast alle örtlichen Vereine hatten dort ihre Heimstatt, und das Frühstück mit Hackepeter und frischer Wurst habe gezogen.

Zur Toilette mussten die Gäste über den Hof, vorbei an der Produktion, und da soll auf dem Rückweg manche Wurst gestohlen worden sein. Der Chef hätte zu viel in den Umbau investieren müssen, weshalb er den Gaststättenbetrieb schließlich einstellte.

Lehrjahre in Wittenberg

In den 1970er/80er Jahren seien die Hygienevorschriften in der DDR strenger geworden. „Als ich 1984 in Wittenberg gelernt habe“, erzählt der 51-Jährige, „haben die wenigsten handwerklichen Betriebe noch selbst geschlachtet. Auch Knoll nicht mehr“. Von den seinerzeit elf handwerklichen Fleischereien, deren Mitarbeiter Matthias Wartenberg durch das Abholen des Fleisches aus den Genossenschaften kannte, sei nur noch sein Betrieb übrig.

Seinen Meisterbrief hat der Zahnaer bei der Fleischerei Kühnast am Wittenberger Marktplatz gemacht. Als das Unternehmen nach 1992 pleiteging, kam das Angebot von Ernst Knoll jun., bei ihm anzufangen. „Da bin ich richtig glücklich gewesen“, so Wartenberg. Arbeit im Heimatort und das in der Zeit, als die Wirtschaft in Ostdeutschland im Niedergang war!

Trotz des späteren Aufschwungs, der sich auch im Geldbeutel der Kunden bemerkbar macht - leichter geworden sei es für die kleinen Handwerksbetriebe nicht: „Die Konkurrenz ist riesig und der Preisdruck. Wer meint, dass er sich als kleiner Handwerksbetrieb mit den Supermärkten anlegen kann, irrt gewaltig.“ Da müsse jeder seine Nische finden, und die ist für die Fleischerei Knoll der Partyservice.

„Der macht einen nicht unerheblichen Anteil im Geschäft aus“, so der Inhaber. Sein Vorgänger hat das Unternehmen modernisiert, das Ladenlokal befindet sich im Nachbarhaus. 90 Prozent der Waren, die dort sowie im Verkaufswagen über den Tresen gehen, stammen aus eigener Produktion. Das Fleisch kommt aus Belgern und Leipzig.

Er staune selbst, wie sich die Ansprüche der Kunden wandeln, sagt der Fleischermeister. Beispiel Grillerzeugnisse: Reichten früher die klassische gebrühte Bratwurst, Schweinekamm und Schaschlik, seien heutzutage Bratwurstvariationen, verschieden marinierte Nackensteaks bis hin zum hochpreisigen Dry-Aged-Rindersteak gefragt. Für Letztere hat Wartenberg einen Reifeschrank angeschafft. „Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut läuft“, sagt er. „Und wie viele Kunden sich damit beschäftigen.“

Bei der Herstellung von Wurst werde weitgehend nach den von den Firmengründern überlieferten Rezepturen gearbeitet. Ein wenig experimentiert Wartenberg auch. Die Kunden fragten immer, warum die Bratwurst - gemeint ist die Geräucherte - aus dem Laden anders schmeckt als die aus einer Hausschlachtung.

„Das hängt mit der Temperatur des Fleisches bei der Verarbeitung zusammen“, erklärt er, der auch als Hausschlachter unterwegs ist. Jedenfalls meint Wartenberg, dass es die von ihm kreierte Bratwurst „Hausschlachteart“ ziemlich nahe an den von den Kunden gewünschten Geschmack geschafft hat.

Der Geschmack der Kunden soll für den Fleischermeister auch das Maß der Dinge bleiben. Er verstehe zwar die Forderungen der Experten nach gesünderen Lebensmitteln, nach fettärmeren und salzärmeren Produkten. „Aber das ist ein zweischneidiges Schwert. Ich glaube nicht, dass es an der Wurst liegt, dass Übergewicht und Diabetes auf dem Vormarsch sind.

Es liegt daran, wie die Menschen damit umgehen.“ Er sehe das am Mittagsgericht, das seine Fleischerei täglich anbietet. Aus Zeitgründen ist das freitags ein Eintopf. „Es sind fast nur die älteren Kunden, die den nehmen. Bei den jüngeren kann es jeden Tag Schnitzel sein. Der Wohlstand ist Fluch und Segen zugleich.“

Junges Team

Mit dem Chef, der ehrenamtlich mit CDU-Mandat dem Stadtrat von Zahna-Elster angehört und dessen Vorsitzender ist, arbeiten acht Frauen und Männer in der Fleischerei Knoll. Es sei ein relativ junges Team, die beiden Fleischergesellen unter 30, drei der sechs Verkäuferinnen noch keine 40 Jahre alt. Dankbar sei er auch über die beiden Rentner, die sich noch stundenweise etwas dazu verdienen, „und die man immer anrufen kann, wenn man sie braucht.“

Eine Filiale ist für den Betriebsinhaber kein Thema. „Unser zweiter Laden ist der Verkaufswagen, damit erreichen wir deutlich mehr.“ Im Fläming „bis kurz vor Jessen“ und im Hohen Fläming bis Garey und Zixdorf ist das Auto unterwegs. Und weil es auf den Dörfern zunehmend alte Kundschaft ist, habe das auch „ ’ne Tüte Zucker“ mit an Bord. (mz)