Gotteshäuser zu verkaufen? Gotteshäuser zu verkaufen?: Die Last der vielen Kirchen

Wittenberg - Christian Beuchel redet Klartext: Der Superintendent des Kirchenkreises Wittenberg stimmt auf Veränderungen ein und scheut das Wort Paradigmenwechsel nicht: „Dass jeder Ort eine Kirche hat, ist auch eine Last der ehemaligen Staatskirche.“ Die preußischen Könige haben das einst so gewollt, möglichst mit einem Pfarrer pro Dorf, inzwischen, mit stetig sinkender Zahl der Gemeindeglieder, ist das Prinzip längst obsolet.
Dass gewohnte Strukturen nicht aufrecht erhalten werden können, lässt sich im Kirchenkreis Wittenberg gut beobachten. Von derzeit 22 Pfarrern spricht Beuchel, vor gar nicht langer Zeit, 1998, waren es noch 37, zählt der Superintendent vor. Die Fläche, um die sich die Pfarrer kümmern müssen, wird immer größer. „Zu einer Pfarrstelle gehören jetzt zwischen acht und 13 Orte.“
In Bad Schmiedeberg zum Beispiel, wo der langjährige Pfarrer Christoph Krause zum Jahresanfang in der Ruhestand ging, ist die Pfarrstelle erheblich gewachsen. Laut Beschluss der Kreissynode sind Pretzsch und Bad Schmiedeberg zusammengelegt worden. Zu dem Bereich gehören nun laut Beuchel 13 Kirchen und fünf Gemeinden.
Wer die Nachfolge des umtriebigen und beliebten Christoph Krause antreten wird, ist noch ungewiss. Die Stelle ist ausgeschrieben worden - am 10. Januar im Amtsblatt der Landeskirche. Bisher, räumt der Superintendent ein, habe niemand Interesse gezeigt. Er macht sich keine Illusionen, dass es sonderlich leicht werden wird, die Pfarrstelle dort zu besetzen.
Für eine Vertretung in Bad Schmiedeberg ist immerhin gesorgt. Pfarrerin Mechthild Latzel, die in Wittenberg lebt, übernimmt sie. Sie hat seit zwei Jahren die eigens eingerichtete Kreispfarrstelle für Vertretungsdienste inne.
Und wird im Übrigen die Kurseelsorge, um die sich bislang Krause gekümmert hatte, komplett übernehmen. Beuchel hofft, dass die Stelle in der Kurstadt recht schnell besetzt werden kann, sicher ist er nicht.
Klar ist ihm indes, dass sich das Berufsbild des Pfarrers ändern wird. Einfach deshalb, weil so viele Gemeinden und Orte zu den Stellen gehören, weil die Arbeit auf herkömmliche Art kaum zu bewältigen ist. Die Pfarrer werden künftig eher Begleiter sein, prophezeit der Superintendent, Begleiter derer, die in den einzelnen Orten etwas auf die Beine stellen.
„Die Pfarrer können nicht mehr überall initiativ werden. Sie werden sich auf die Seelsorge konzentrieren, nicht mehr auf das Bauen.“ Die vielen Gotteshäuser im Kirchenkreis, der von Marzahna bis Brehna und von Holzdorf bis Zörbig reicht, seien zwar weitgehend saniert, können aber längst nicht mehr alle genutzt werden - rund 160 Kirchen und Kapellen aus der Zeit vom 12. bis ins 21. Jahrhundert sind registriert.
Christian Beuchel sagt ohne Umschweife: „Dort, wo keine Gemeinde ist, brauchen wir keine Kirche. Dort aber, wo sich Gemeinde sammelt, wird es Kirchenmitarbeiter geben.“ Dass die hohe Zahl an Immobilien eben auch eine Last ist, etwa weil es kaum möglich ist, für ihren Erhalt zu sorgen, verschweigt er nicht.
Dass ungenutzte Kirchen verkauft werden, der Superintendent aus Wittenberg kann sich das gut vorstellen: „Das hat es schon immer gegeben.“ Auf dem Markt angeboten würden Gotteshäuser gegenwärtig aber (noch) nicht.
Nach der Euphorie des Reformationsjubiläumsjahres gehe es nun um das Gestalten eines lebendigen Gemeindelebens vor Ort: „Das ist unsere große Aufgabe.“ Die Gemeinschaft vor Ort sei wichtig, das Gewinnen von Menschen, die Kirche eher distanziert gegenüber stehen.
In kleinen, von Wegzug und Überalterung geplagten Orten sollten jene, die noch was bewegen wollen, zusammenkommen: „Partner finden“, nennt das Beuchel. (mz)