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Flämingplatt in Pülzig Flämingplatt in Pülzig: Babbeln over Botter

Von Annette Schmidt 26.10.2020, 10:27
Weil nicht alle in die Kirche gepasst hätten, traf man sich draußen.
Weil nicht alle in die Kirche gepasst hätten, traf man sich draußen. Schmidt

Pülzig - Es waren am Samstagnachmittag noch 15 Minuten Zeit bis zum Vortrag „Platt im Fläming“ von Brita Hannemann in der Pülziger Sonnenkirche, als auch schon alle verfügbaren Plätze belegt waren, die Schlange vor dem Gotteshaus aber noch bis zum Tor reichte. Kurzerhand entschlossen sich die Organisatorinnen Cornelia Richter, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates Pülzig, und Annekatrin Els, Projektleiterin „Kultur mobil“ vom Verein Naturpark Fläming, die Veranstaltung nach draußen zu verlegen.

„Wir haben einen so wunderbaren goldenen Oktobertag, wieso sollten wir da Besucher abweisen, wenn diese Lösung so einfach und in Coronazeiten so viel optimaler ist“, erklärte Richter und koordinierte das Aufstellen der herbeigeschafften Bänke vor der Kirche.

„Ich freue mich sehr, dass das Thema solch einen großen Anklang findet, wir haben damit eindeutig einen Nerv getroffen“, stellte Els fest und eröffnete mit leichter Verspätung den Vortrag aus dem Projekt „Kultur mobil“, der ursprünglich im April hätte stattfinden sollen. Brita Hannemann ist Wanderleiterin, Kultur- und Naturführerin und eine der wenigen, die die fast vergessene Mundart Flämingplatt noch sprechen kann, die Siedler aus Flandern vor 800 Jahren mitgebracht hatten.

Hier jeht man eher

Nur weniges ist bis heute erhalten geblieben. „Außer unsere Neigung aus Wörtern wie gehen jehen zu machen“, so Hannemann, deren Anliegen es ist, nicht nur darum zu kämpfen, die Mundart lebendig zu halten, sondern vor allem auch Kindern die Traditionen unserer Gegend nahezubringen, wie alte Gemüsesorten oder die herkömmliche Art der Herstellung von Butter.

Schon als junges Mädchen liebt sie alte Dinge: „Alles begann, als ich mit elf Jahren Ahnenforschung betrieb, weil ich herausfinden wollte, woher mein Familienname Storbeck stammt“, erzählte Hannemann, die mit der Geburt ihrer eigenen Kinder noch mehr über die Geschichte herausfinden wollte und dabei auf das Flämingplatt stieß, das sie noch von ihren Großeltern kannte.

„Das Platt oder Niederdeutsch wurde in Deutschland noch bis vor wenigen Jahrzehnten von der Küste bis an die Elbe gesprochen“, so die Jüterbogerin. Jedes Dorf habe sein eigenes Platt gehabt. „Jedes zugeheiratete Mädchen musste eine neue Sprache lernen, bevor es mit den Einheimischen anbabbeln konnte.“

Brita Hannemann lernte Platt zusammen mit ihrem Ehemann von ihrem Mentor Karlheinz Niendorf, dessen Bücher sie an diesem Nachmittag auch vorstellte. Um die Sprache wirklich zu erlernen, ging das Ehepaar einen sehr konsequenten Weg und schrieb sich über Jahre hinweg SMS Nachrichten auf Platt. „Manchmal mussten wir am Abend klären, was der andere eigentlich wollte“, erinnerte sich Hannemann.

Sie bedauerte, dass sie wegen der Hygienebestimmungen nicht eine Kostprobe von Klemmkuchen hatte mitbringen können, als sie bemerkte, dass eine Besucherin ein Klemmkucheneisen von 1809 dabeihatte.

„Wir haben eine Mühle mit vielen alten Gegenständen“, so Susanne und Ursula Körnig aus Coswig. „Passen Sie sehr gut darauf auf, früher erhielt jedes Mädchen entweder zur Taufe, Konfirmation oder Hochzeit ein solches Eisen, da Klemmkuchen zur Fastenzeit gegessen wurde“, erklärte Hannemann auf Platt, welches die Zuhörer überraschend gut verstanden.

Mit „Wiehnachtsäewerraschung“

Einzelne Begriffe erläuterte Hannemann, wenn sie bemerkte, dass man ihr nicht mehr folgen konnte. In lautes Gelächter brach das Publikum aus, als Hannemann zum Abschluss ihre von ihrem Mann ins Platt übersetzte Lieblingsgeschichte „Wiehnachtsäewerraschung“ vortrug. (mz)