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Eichenprozessionsspinner  Eichenprozessionsspinner : Wird auf Gefahren durch Raupe nicht genügend hingewiesen?

Von Ilka Hillger 04.07.2016, 15:55
Die Raupe eines Eichenprozessionsspinners kriecht auf einem Eichenstamm entlang.
Die Raupe eines Eichenprozessionsspinners kriecht auf einem Eichenstamm entlang. dpa-Zentralbild

Oranienbaum - Raupen haben André Börner die Radtour vermasselt. An einem Wochenende war er unlängst mit seiner Frau auf einer ausgedehnten Fahrt durch die Oranienbaumer Heide unterwegs. Vorbei ging es an Möhlau, Jüdenberg, Oranienbaum und Vockerode bis nach Dessau.

„Wir nutzten ausgewiesene Radwege quer durch Wiesen und Wälder. Nicht ausgewiesen sind allerdings die Gefahren, die vom Eichenprozessionsspinner drohen“, schreibt Börner der MZ, nachdem das Rad wieder daheim abgestellt ist und er und seine Frau nun mit den allergischen Reaktionen kämpfen. „Die lukrativen Fernradwege müssten eigentlich gesperrt werden“, meint er.

Warnung im Internet

So drastisch muss es freilich nicht gleich zugehen, aber hinweisen kann man doch auf den Befall mit diesen Insekten, deren giftige Brennhaare dem Menschen gefährlich werden können. Nur ein paar Tage alt ist beispielsweise der Hinweis auf der Internetseite des Elberadweges, in dem man vorerst von Bleckede bis Wittenberge vor dem Eichenprozessionsspinner warnt. „Wir raten zu Vorsicht und dazu, in diesem Bereich nicht unter Eichen zu rasten, da gerade in der freien Landschaft der Befall nicht überall von den Gemeinden und Bürgern registriert werden kann“, heißt es.

Der Eichenprozessionsspinner ist ein alter Bekannter in deutschen Wäldern. 1811 schrieb Johann Peter Hebel über die „Processions-Raupen“: „Sie können sogar dem menschlichen Körper gefährlich werden, wenn man ihnen zu nahe kommt, sie muthwillig beunruhigt, oder gar aus Unvorsichtigkeit mit einem entblößten Theil des Körpers berührt und drückt. Sie dulden es nicht ungestraft, wenn sie sich rächen können. Man hat schon einige traurige Beyspiele an Leuten erlebt, denen solches wiederfahren ist. Sie bekamen bald starke Geschwulst, heftige und schmerzhafte Entzündungen an der Stelle des Körpers, wo sie diese Raupen mit bloser Haut berührten“.

Wie es dazu kommt, beschrieb Hebel so: „Die Raupen lassen augenblicklich ihre kurzen, steifen stechenden Haare gehen, und drücken und schießen sie gleichsam wie Pfeile ihrem Feind in die zarte Haut des Körpers. Dies ist das Mittel, welches die Natur auch diesen verachteten Thieren zu ihrer Vertheidigung gegeben hat. Bei den Prozessions-Raupen ist die Menge gefährlich. Der Körper bekommt unzählig viele kleine unsichtbare Wunden; in jeder bleibt der feine reizende Pfeil stecken, und viel kleine Ursachen zusammen thun eine große Wirkung, was man auch sonst im menschlichen Leben so oft erfährt, und doch so wenig bedenkt. Man soll also mit diesen Thieren keinen unnöthigen Muthwillen treiben...“

„Bürger sind gut beraten, die befallenen Stellen zu meiden“, sagt auch Ronald Gauert, Sprecher des Landkreises Wittenberg, und appelliert dabei an die eigene Wachsamkeit der Bevölkerung, denn „eine eindeutige Zuständigkeit gibt es nicht“. Prinzipiell seien Waldbesitzer für die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinner zuständig oder die Städte und Gemeinden.

Das weiß man und so verhält man sich auch in Wittenberg seit Jahren. Auch in diesem Jahr ist die Verwaltung im Mai im Stadtgebiet tätig geworden und gegen die Larven vorgegangen. Rund 800 Bäume, so Stadtsprecherin Karina Austermann, seien im Sprühverfahren behandelt worden. Die vorbeugenden Bekämpfungsmaßnahmen finden aber nicht nur an den städtischen Bäumen entlang von öffentlichen Straßen, auf Grünanlagen bzw. Friedhöfen statt, sondern auch in Bereichen von Kindertagesstätten und Schulen. Rund 20.000 Euro kostet dies jährlich.

Lutherstadt sorgt vor

Der feste Posten im Haushalt macht sich jedoch bezahlt. „Bei uns gibt es nur ganz wenige Befallsmeldungen“, sagt Austermann. Etliche Pyramideneichen seien gewissermaßen Referenzbäume, die immer wieder auf einen Befall überprüft werden. In der Stadt Wittenberg geht man davon aus, derart vorbeugend auch in Zukunft tätig sein zu müssen. Denn nur mit Kontinuität ließe sich der Schaden eingrenzen.

Hingegen kann es sich rächen, wenn man nicht großflächig gegen die Plage vorgeht. Dies macht sich jetzt in den Wäldern der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz bemerkbar. „Stellenweise gibt es große Probleme, meines Wissens vor allem in jenen Bereichen, die bei der Besprühung aus der Luft vor wenigen Jahren nicht einbezogen waren“, sagt Horst Woche von der Abteilung Gartendenkmalpflege.

Für seinen eigentlichen Bereich, die Parkanlagen, kann er allerdings Entwarnung geben. „Wir haben lediglich einen Befall an Eichen auf dem Ringdeich im Luisium, allerdings ist auch der noch gering“, sagt er. „Die Larven schlüpfen jetzt, man muss sehen, wie es sich entwickelt“, so Woche. Sollte sich die Situation verschlechtern, müsse man eine Spezialfirma anfordern, die die Nester manuell absaugt.

Nester am Radweg gesehen

Das würde Michael Unruh, Mitarbeiter der Biosphärenreservatsverwaltung auch den Kollegen vom Bundesforstbetrieb Mittelelbe (ehemals Bundesforstamt Roßlau) empfehlen. Der Betrieb bewirtschaftet das Waldgebiet der Oranienbaumer Heide und an deren Rand, am Radweg entlang der Bundesstraße 107 zwischen Autobahn und Oranienbaum, hat Unruh die Nester der Eichenprozessionsspinner gesehen.

„Da gibt es den unbefestigten Parkplatz und am Malinowski-Prospekt stehen einige Bäume“, sagt Unruh. Das manuelle Eingreifen ließe sich jetzt noch gut bewerkstelligen, denn „wenn man es schnell macht, dann hat man in einigen Wochen weniger zu tun“. Unruh kann sich durchaus vorstellen, dass man auch als Radfahrer, von den Haaren der Raupe getroffen werden könnte, wie es dem Ehepaar Börner passierte. „Da reicht eine Windböe, die die Haare mitreißt.“ Im Bundesforstbetrieb sieht man derzeit jedoch noch keinen akuten Handlungsbedarf, wie Mitarbeiter Edwin Endres der MZ sagte.

„Unser Problem ist, dass die Eichen in diesem Bereich nur punktuell vorkommen und es würde deshalb wenig Sinn machen, das Gebiet aus der Luft zu besprühen“, sagt er. Nach seiner Kenntnis seien die Wege durch die Heide befahrbar. Meldungen über starken Befall seien im Bundesforstbetrieb nicht eingegangen. Den Börners dürfte dies nur schwacher Trost sein. (mz)