Ausstellungseröffnung in Wörlitz Ausstellungseröffnung in Wörlitz: Eine Gondel für die Lady

Wörlitz - Böse Worte und fiese Beleidigungen können auch nach mehr als 200 Jahren noch Konsequenzen haben. Zu Zeiten, als sich die Feder sträubte, das Wort „Hure“ aufs Papier zu bringen, nannte Johann Gottfried Herder eine Dame „Hamiltons H.“.
Für so viel Häme hat es den Dichter jetzt erwischt. Fortan darf die nach ihm benannte Gondel nicht mehr über den Wörlitzer See schippern. Sie wurde umgetauft, heißt jetzt „Lady Hamilton“. Herder kann sich ein Jahr bewähren und hat dann vielleicht die Aussicht auf eine neuerliche Bootstaufe, wenn zwei neue Gondeln zum Fuhrpark hinzu kommen. „Aber er muss sich anständig benehmen“, sagt Thomas Weiß, Direktor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Derart launig, mit einer Sektdusche für den Gondelbug, endet der offizielle Teil einer frühsommerlichen Ausstellungseröffnung am Samstagvormittag auf der Felseninsel Stein im Wörlitzer Park.
Experten auf der Insel „Stein“
Im Theaterrund unter freiem Himmel und brutzelnder Sonne sind Deutschlands Emma-Experten zusammengekommen, dazu viele Neugierige und Wissbegierige, die sich gerne davon überzeugen lassen wollen, was diese Frau so besonders machte, dass die Kulturstiftung ihr die Jahresausstellung im Wörlitzer Schloss widmet (die MZ berichtete). „Lady Hamilton - Eros & Attitüde“ heißt die Schau, eine Idee der Kulturstiftung zum 250. Geburtstag und 200. Todestag von Emma Hamilton im Jahr 2015, die man zunächst in der Casa di Goethe in Rom im vergangenen Herbst realisierte und nun an den Ort holte, der im Gartenreich wie kein anderer mit Lady Hamilton verbunden ist. Hier steht ihre kleine, kostbare Villa, hier spuckt zuweilen der künstliche Vulkan Rauch und Funken (19./20. August) - wie in Neapel, der italienischen Hafenstadt, in der Emma Hamilton als Geliebte und spätere Gemahlin von Englands Botschafter William Hamilton am meisten für Furore sorgte.
„Nördlich der Alpen gibt es keinen Ort, an dem Neapel derart präsent ist, wie hier in Wörlitz“, sagt denn auch Dieter Richter, Senior-Kurator der Ausstellung, und hebt in seiner Einführung in die Ausstellung an, Lady Hamilton zu „befreien vom Vorurteil, sie sei nichts weiter als ein Geschöpf der Männer“. Richter schilt Goethe, für den die Dame ein „geistloses Wesen“ war, rügt Herder, der der H. noch „sie ist ein glücklicher Affe“ hinterher schickte. Aber konnten sich denn all die großen Männer, die heutigen Klassiker, in ihrer Einschätzung so irren? Neid, Aggression, Angst, Ablehnung - all dies hat die Hamilton ebenso hervor gerufen, wie höchste Bewunderung und Verzücken. Was sie alles mit Blick aus heutiger Distanz war, benennt Dieter Richter. Ihre Attitüden, die Nachstellung antiker Gefühlsdarstellungen in bewegten Bildern, seien der Beginn des Ausdruckstanzes gewesen. „Männer philosophierten über die Antike, sie präsentierte sie am eigenen Körper.“
Minister Robra ist begeistert
Damit „bezauberte sie eine ganze Epoche und fasziniert noch heute“, meint Rainer Robra (CDU). Für den neuen Minister für Kultur ist sein Grußwort die Premiere im Ministeramt und „Ehre hier im Gartenreich“ zu starten. Auch als Robra noch nicht Kultusminister war, hielt er die besten kulturellen Ansprachen innerhalb des Landeskabinetts. Das setzt sich auch mit seinen Worten für Lady Hamilton fort, die Rainer Robra mit Marilyn Monroe und Madonna vergleicht und als Stilikone und Inspiration für Coco Chanel bis zu Lagerfeld und Choreografin Sasha Waltz beschreibt. Hier im Schloss sei das Kulturland Sachsen-Anhalt „at his best“ zu erleben.
Emma Lady Hamilton war eine der berühmtesten und umstrittensten Frauengestalten der Goethezeit. 1765 unter dem Namen Emma Hart als Tochter eines Hufschmieds in der Nähe von Manchester geboren, kam sie nach einer problematischen Jugend 1786 ins Haus von Sir William Hamilton, dem britischen Botschafter in Neapel. Sie wird zunächst die Geliebte, später die Ehefrau des 35 Jahre älteren Mannes, der wegen seiner Antikensammlungen und vulkanologischen Forschungen am Vesuv in ganz Europa bekannt und ein Ansprechpartner für Grand-Touristen in Neapel war.
Emmas Ruf nahm nachhaltigen Schaden, als sie 1798 eine Liaison mit dem englischen Admiral Horatio Nelson einging und fortan in einer ménage a trois mit ihm und Hamilton lebte. Nach dessen Abberufung als britischer Botschafter 1800 kehrten die Hamiltons und Lord Nelson nach London zurück. 1815 starb Emma Lady Hamilton einsam und verarmt an der französischen Kanalküste in Calais im Exil.
Und so ganz nebenbei: Ganz frisch im Amt hat sich Robra in die Diskussion ums Repowering - die Umrüstung - von Windkraftanlagen rund um Wörlitz eingemischt. Denn Naturgenuss „ohne gleich von Windrädern geschreddert zu werden“, sei hier noch möglich.
Dabei hätte etwas natürliche Windkraft den Eröffnungsgästen an diesem Samstagvormittag gut getan. So war das kühle Schloss mit seiner Ausstellung - verteilt auf drei Etagen - willkommene Abwechslung nach dem sonnenheißen Auftakt auf der Felseninsel.
Auf der frisch getauften „Lady Hamilton“ und ihrer Partnergondel glitten die Ehrengäste gen Sommersitz des Fürsten Franz. Der Rest wandelte am Seeufer zu den Pagodenzelten auf der Schlosswiese. Da gab es natürlich Pizza, nicht ganz so dünn wie in Neapel, aber doch italienisch regional. Und natürlich Lady Hamilton in größter Fülle im Schloss.
Ausstellung „Lady Hamilton“ im Schloss Wörlitz, bis 18. September, außer montags von 10 bis 17 Uhr, Eintritt sechs Euro.