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Aufräumarbeiten gehen weiter Aufräumarbeiten gehen weiter: So tobte Sturmtief "Xavier" im Kreis

Von Jessica Hanack und Irina Steinmann 07.10.2017, 06:00
Zwischen Oranienbaum und Jüdenberg entwurzelte Xavier Bäume. In Folge des Sturms gab es im Kreis Wittenberg einen Leichtverletzten.
Zwischen Oranienbaum und Jüdenberg entwurzelte Xavier Bäume. In Folge des Sturms gab es im Kreis Wittenberg einen Leichtverletzten. Ruttke

Wittenberg - Sturmtief „Xavier“ ist mit dem Kreis Wittenberg vergleichsweise glimpflich umgegangen. Zwar stürzten massenhaft Bäume um und wurden selbst in der Wittenberger Innenstadt Ziegel von Dächern gerissen, doch blieben die Menschen weitgehend ungeschoren, es gab keine Schwerverletzten oder gar Tote. Die Polizei berichtete am Tag nach dem Sturm nur von einem Mann, der in Pretzsch durch eine kaputt gegangene Fensterscheibe leicht verletzt wurde.

Dennoch bescherte der Orkan, der ab Donnerstagnachmittag über die Region kam, den Feuerwehren Einsätze in endloser Folge: Insgesamt 117 Mal rückten die Kameraden im Kreis Wittenberg wegen des Unwetters aus. Mit 187 Fahrzeugen seien die Feuerwehren im Einsatz gewesen, teilte der Landkreis mit. Und auch so manche individuelle Planung riss „Xavier“ in den Orkus. Besonders betroffen waren Zugreisende.

Bei der Deutschen Bahn ging nichts mehr

Auf dem Wittenberger Hauptbahnhof ging ab dem Nachmittag von und nach Norden gar nichts mehr, der letzte ICE, der die Lutherstadt überhaupt erreichte, war Nummer 1739 (Erfurt-Berlin). Da blieb er dann aber auch. Über Stunden warteten Reisende in dem gut besetzten Zug, ohne jegliche Informationen, weil es keine gab.

Die Stimmung war gleichwohl vergleichsweise gelöst, selbst bei denen, deren Hotelreservierungen in der Hauptstadt schon geplatzt waren. Einer bestellte sich eine Pizza zum Zug, das klappte tatsächlich. Als gegen 21.30 die Ansage kam, dass der Zug nun gar nicht mehr nach Berlin fahren würde, sondern zurück nach Leipzig, hatte sich die Zahl der Reisenden schon deutlich verringert: Viele hatten versucht anderswie fortzukommen.

Nutznießer der Situation waren die in dieser Jahreszeit ohnehin nicht schlecht gebuchten Wittenberger Hotels. Das bahnhofsnahe „Acron“: voll, Lutherhotel und Brauhaus seien auch schon ausgebucht, hieß es kurz vor 22 Uhr an der Rezeption des „Best Western“, wo eine überglückliche Gestrandete das allerletzte Zimmer ergatterte. Anderen Wittenberger-Einpendlern blieb zu diesem Zeitpunkt nur noch das Sofa im Büro.

Noch schlimmer, nämlich auf freier Strecke, hatte es am Nachmittag Bahnreisende zwischen Roßlau und Thießen erwischt. Dort war ein Baum auf die Schienen gestürzt und hatte die Oberleitung beschädigt. 24 Reisende, dazu die Lokführerin und der Zugbegleiter mussten aus den Wagen evakuiert werden. Das übernahmen am Abend die Feuerwehren aus Coswig, Jeber-Bergfrieden und Thießen, die auch den Baum entfernten; um die 30 Kräfte waren im Einsatz.

„Als wir eintrafen“, so Coswigs Stadtwehrleiter Ingo Künne, „war der Bahnmanager schon da.“ Die Reisenden wurden auf die Einsatzfahrzeuge verteilt, so Jeber-Bergfriedens Wehrleiter Frank Dürre, und zum Feuerwehrgerätehaus in Thießen gebracht, wo sie versorgt wurden.

Unter den Reisenden war auch eine Schwangere (Dürre: „mit Kinderwagen“) und Radfahrer, die die etwa zwei Kilometer lange Strecke wie auch einige Fußgänger teils selbst zurücklegen konnten. Denn zum Glück, so Stadtwehrleiter Künne, verlaufe in dem Bereich direkt neben der Bahnstrecke ein Forstweg.

Evakuierung aus einem Zug

Mit vereinten Kräften gelang es, für die verbliebenen Reisenden - laut Künne am Ende noch etwa vier bis fünf, nachdem sich viele in Eigenregie fortbewegt hatten - einen Bus zurück nach Dessau zu organisieren. „Es war schön gewesen“, sagt der Feuerwehrchef - angesichts der Dankbarkeit der Betroffenen; dass einige auch etwas grantig waren, verstehe sich nach so vielen Stunden Eingesperrtsein im Zug.

Für die Feuerwehr war der Abend damit noch nicht zu Ende. „Wir sind von Einsatz zu Einsatz gefahren“, resümiert Coswigs Stadtwehrleiter am Tag danach.

Ähnliches berichtet auch Kreisbrandmeister Roland Karthäuser. Das Telefon in der Leitstelle habe beinahe im Sekundentakt geklingelt. Von etwa 15 Uhr an seien die ersten Feuerwehren zu Einsätzen gefahren und „dann ging es Schlag auf Schlag“.

Bis spät in die Abendstunden waren die letzten unterwegs. „Die Schäden waren immens. Es gab keine Stadt im Landkreis, die nicht betroffen war“, so Karthäuser. Zwar sei er vor dem Sturm gewarnt gewesen, aber „dass es solche Ausmaße annimmt, damit konnte man nicht rechnen.“

Die Feuerwehren waren am Donnerstag vor allem damit beschäftigt, Bundes- und Kreisstraßen von Ästen und umgestürzten Bäumen - zum Teil von beachtlicher Größe - zu befreien. Besonders betroffen war die B 107, die laut Polizei während des Sturms nahezu unpassierbar war. In diesem Zusammenhang bittet Karthäuser noch einmal um Verständnis, dass kleinere Schäden, etwa in privaten Gärten, da erst einmal hintenanstehen müssten.

„Die öffentliche Sicherheit hat einfach Vorrang“, sagt der Kreisbrandmeister, der sich ebenfalls erleichtert zeigte, dass die umstürzenden Bäume zwar Autos, Hochleitungen und Bahnstrecken beschädigten, aber niemanden ernsthaft verletzten.

Sturmschäden können der Stadt Wittenberg gemeldet werden

Bis zum Freitag waren allerdings längst nicht alle Schäden beseitigt. Zur Mittagszeit waren im Kreis noch immer 50 Haushalte ohne Strom; insgesamt waren seit Donnerstagnachmittag 2.550 Kunden von Stromausfällen betroffen, sagt Maxi Rudolph, Sprecherin von Mitnetz Strom.

„Die Reparaturen haben noch am Donnerstag begonnen und liefen bis in die Nacht.“ Aufgrund des Windes seien jedoch keine Arbeiten in der Höhe möglich gewesen. Diese wurden Freitagmorgen fortgesetzt. In Wittenberg waren am Tag nach dem Sturm vier Mitarbeiter der Stadtverwaltung und zwei Teams der Kommunalservice GmbH im Einsatz, um Schäden zu erfassen, Gefahrenstellen zu beseitigen und Wege zu räumen. Bis in die nächste Woche werden die Aufräumarbeiten wohl andauern.

››Durch den Sturm verursachte Schäden können der Stadt Wittenberg per E-Mail gemeldet werden: [email protected]

(mz)