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Ärztemangel im Landkreis Wittenberg Ärztemangel im Landkreis Wittenberg: Hausarzt dringend gesucht

Von Marcel Duclaud 05.09.2018, 09:13
In Sachsen-Anhalt herrscht Ärztemangel, vor allem auf dem Land.
In Sachsen-Anhalt herrscht Ärztemangel, vor allem auf dem Land. dpa

Wittenberg - Die Lage ist ernst. Das räumt der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt ein. Tobias Irmer hat am Montag dem Ausschuss für Gesundheit und Soziales beim Landkreis Rede und Antwort gestanden. Es ging um Hausärzte und Fachärzte, um freie Stellen und die Prognose, dass es eher schwieriger als einfacher werden dürfte. Einfach deshalb, weil zahlreiche Mediziner in der Region in einem Alter sind, wo sie daran denken, den Beruf aufzugeben. Die Suche nach einem Nachfolger ist alles andere als einfach.

Das Durchschnittsalter der Hausärzte im Kreis Wittenberg liegt nach den Worten von Amtsarzt Michael Hable bei über 55 Jahren, manche praktizieren noch, obgleich sie längst die 70 erreicht haben. Sie tun dies aus Verantwortung ihren Patienten gegenüber, weil einfach kein Nachfolger in Sicht ist. Und weil sie wissen, wie schwer es ist, einen neuen Hausarzt zu finden. Das Problem des Mediziner-Mangels trifft fatalerweise auf eine Bevölkerung, die in der Region ebenfalls ein ziemlich hohes Durchschnittsalter aufweist - öfter krank ist und also öfter einen Arzt braucht.

Laut Hable gehen bis 2021 deutschlandweit 42 Prozent der Hausärzte in den Ruhestand. Das Paradoxe sei, dass es mehr ausgebildete Ärzte als je zuvor gebe. Nur zieht es die nicht gerade nach Sachsen-Anhalt und in den Kreis Wittenberg. Und auch nicht unbedingt in eine Praxis. Gerade junge Frauen, sagt der Amtsarzt, wollen Kinder und vielleicht nur eine halbe Stelle.

Bei den Zahnärzten sieht es offenkundig nicht viel besser aus als bei den Hausärzten. Maik Pietsch von der kassenzahnärztlichen Vereinigung sagte im Ausschuss für Gesundheit und Soziales, er gehöre mit seinen 54 Jahren zu den Jüngeren. „In den nächsten zehn Jahren verlieren wir 60 Prozent der Zahnärzte.“ Und jede zweite Praxis, wo der Inhaber in den Ruhestand geht, werde wohl geschlossen. Pietsch: „Wir haben in Sachsen-Anhalt ein Attraktivitätsproblem.“ Es brauche, damit Ärzte sich ansiedeln, unter anderem einen besser funktionierenden Nahverkehr, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten. Er sagt ebenfalls: „Mir tun die Kollegen leid, die den Zustrom an Patienten bewältigen müssen.“

Dass die Kassenärztliche Vereinigung sich alle Mühe gebe, um Ärzte aufs Land zu bringen und Nachwuchs zu gewinnen, versichert indes Tobias Irmer. „Wir fangen schon in den Schulen an mit der Werbung, zahlen bei Weiterbildungen Gehaltszuschüsse, versuchen, die Leute eng an uns zu binden. Es gibt zudem die Stipendienprogramme.“ Allerdings stimme, dass das Land gegenüber großen Städten schlechte Karten habe: „Wir können nur mit gutem Service punkten.“

Im Kreis Wittenberg jedenfalls sind etliche Jobs zu haben. Das bestätigt Tobias Irmer. Im Bereich Jessen etwa könnten drei Hausarztstellen besetzt werden, im Bereich Wittenberg zweieinhalb, in der Region Dessau-Roßlau (wozu Coswig zählt) sogar 13,5. Für Jessen und Dessau-Roßlau hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die „drohende Unterversorgung“ festgestellt, was unter anderem heißt, dass „umfassende Fördermöglichkeiten“ zur Verfügung stehen, so Irmer.

Trotz alledem: Jüngere Ärzte zu finden, die aufs Land wollen, ist offenbar sehr, sehr schwer. Die Bürgermeister können ein Lied davon singen. Und wenn schon mal einer kommt, der Interesse zeigt, dann werden ihm Steine in den Weg gerollt. Davon weiß Axel Claus aus Coswig zu berichten. Eine Chirurgin, so der Bürgermeister, wollte sich ansiedeln, wenn nötig neu bauen und zudem eine radiologische Praxis einbeziehen. Sie möchte ebenfalls allgemeinmedizinische Dienste anbieten.

„Das wäre das Glück schlechthin gewesen“, sagt Clauß. Nur führt da kein Weg hinein. Sie ist keine Fachärztin für Allgemeinmedizin und in Sachen Chirurgie sei Coswig überversorgt. Clauß hat sich an die Kassenärztliche Vereinigung gewandt, an Sozialministerin Petra Grimm-Benne, sogar an Gesundheitsminister Jens Spahn. Bislang ohne Erfolg: „Man kann das“, sagt Clauß, „den Leuten nicht mehr erklären.“

Auch sein Amtskollege aus Jessen Michael Jahn ist sichtlich frustriert. „Trotz vieler Mühen“, befindet er, „wird es so bleiben, wie es ist. Und die Patienten müssen fahren. Wir brauchen neue gesetzliche Grundlagen.“

(mz)