Adventskalender "Himmels-Blicke" Adventskalender "Himmels-Blicke": Türchen 13: Von Paradiesäpfeln zu roten Kugeln

Wörlitz - Das Lagerfeuer vor den Bänken am östlichen Ende des Kirchenschiffs ist noch kalt. Zum Krippenspiel am Heiligen Abend werden sich aber auch in der St.-Petri-Kirche Wörlitz die Hirten um die Scheite scharen und in ihrem lodernden Schein von einem Engel erfahren, dass der Heiland geboren wurde.
Torsten Neumann erzählt von der Szene aus der biblischen Weihnachtsgeschichte, bevor er ein bisschen außer Atem kommt. Mit dem Pfarrer geht es etliche ausgetretene Stufen den Wörlitzer Bibelturm hinauf.
Exakt 66 Meter hoch ist der Kirchturm in Gänze. In dieser Jahreszeit allerdings muss der Aufstieg bis zur dritten Ebene genügen. Doch der Ausblick ins Dessau-Wörlitzer Gartenreich ist - das Schnaufen ist verebbt, der Puls hat sich beruhigt - natürlich auch aus „nur“ knapp 44 Metern überm Erdboden beeindruckend grandios.
Wo sonst, wenn nicht an diesem besonderen Ort, wäre die Gelegenheit zum Innehalten? „Weihnachten ist eben nicht die Zeit des Konsums und des Prassens“, sagt Torsten Neumann. „Mit dem ersten Advent, an dem das Kirchenjahr beginnt, soll Gelegenheit sein zur Umkehr und Besinnung.“
Der Pfarrer ist geschäftsführend für die Anhaltische Bibelgesellschaft tätig. Träger des Bibelturms ist die Evangelische Landeskirche Anhalts. Gemeinsam mit den Partnern in diesem Projekt der Ökumene organisiert sie seit 1994 in den Räumen der früheren Türmerwohnung beachtenswerte und interessante Ausstellungen rund um die Bibel.
Die aktuelle Exposition „feste feiern“ wurde erst im vorigen April eröffnet. Eine Erfolgsgeschichte, wie Neumann berichtet. Immerhin haben sich seit dem Start im Frühjahr ungefähr 10.000 Besucher zur Schau empor geschraubt.
Unübersehbar ist das Weihnachtsfest gleich auf der ersten Ebene das große Thema. Das Bildnis aus dem Brandenburger Dom vereint die Geburtsgeschichte und den Besuch der Heiligen Drei Könige in einem Motiv. Ein stilisierter Weihnachtsbaum trägt rote Kugeln. „Es sollen Äpfel sein. Denn die hatten die meisten Menschen im Keller vorrätig.
Als Baumschmuck genügten eben einfache Dinge. Außerdem verwiesen die Früchte auf das Paradies. Also eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war“, so Torsten Neumann. Die Kugeln lassen sich übrigens nach oben klappen. Hinter ihnen verbergen sich zum Beispiel der Nikolaus, ein Adventskranz und eine winzige Spieluhr, die „Stille Nacht“ intoniert. Knappe Texte erläutern, welche Bedeutung mit ihnen verknüpft ist.
Im Bibelturm Wörlitz wird mit Bedacht auf Verstetigung gesetzt. Seit seiner Existenz hat mit „feste feiern“ erst die vierte Ausstellung in ihm Einzug gehalten. „Da sie um die 55.000 Euro gekostet hat, ist das eine Anstrengung, die von den Beteiligten nicht in jedem Jahr zu leisten ist“, erzählt Torsten Neumann.
Die von Annett Helmecke-Possehl kuratierte Schau - die selbstverständlich auch die Hintergründe von Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten beleuchtet - spreche zwischen April und Oktober vor allem Gartenreich-Touristen an. „Und von denen haben wir nahezu durchweg ein sehr positives Echo erhalten. Sie loben, dass hier das Wissen über die kirchlichen Feiertage aufgefrischt wird.“
Zum Team des Bibelturms gehören 30 ehrenamtliche Mitstreiter. Das Gemäuer, in dem sie ihren Dienst versehen, ist in seinen Ursprüngen wahrhaftig steinalt. Am ersten Weihnachtsfeiertag im Jahre 1200 wurde die Kirche - Baubeginn war 1196 - von Bischof Norbert von Brandenburg geweiht.
Er handelte im Auftrag des Papstes Cölestin III. Aus jener Zeit erhalten geblieben sind bis heute die Grundmauern bis in Höhe der Fenster, der Triumphbogen, das südliche Portal mit den romanischen Säulen - Brautpforte genannt-, das Gewölbe im westlichen Ausgang und die dort liegenden Fliesen sowie der Sakraments-Schrein nördlich des Altares.
Gartenreich-Gründer Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) ließ zwischen 1804 und 1809 - angeregt von der englischen Tudor-Gotik - die Wörlitzer Kirche im Stil der Neugotik umbauen. Sein Architekt war Baurat Christoph Hesekiel. Ihm hat die Kirche das Querschiff zu verdanken - und den Rundblick aus luftiger Höhe.
››Ab dem Palmsonntag 2018, der auf den 25. März fällt, können Konditionsstarke auch den Rundblick wieder genießen. Der Wörlitzer Bibelturm ist außer montags täglich von 11 bis 17 Uhr und sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet. (mz)
