Phänologischer Garten in Roßla Phänologischer Garten in Roßla: Viele Bäume sind dieses Jahr früher reif als sonst

Roßla - Die Besenheide hat es nicht geschafft. Sie ist fast völlig vertrocknet, an einem der beiden Büsche sind wenige welke Blüten übrig. „Noch vom vorigen Jahr “, sagt Armin Hoch vom Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz. Alle zwei Tage streift der Botaniker mit Kladde und Stift durch den Phänologischen Garten in Roßla und trägt seine Beobachtungen in Tabellen ein.
Auf dem hektargroßen Gelände des einstigen Hofgartens wachsen Obstgehölze, Sträucher, forstwirtschaftlich interessante Baumarten und Schneeglöckchen. Hoch hält seit 2012 fest, wann sich die Blätter entfalten, der Maitrieb einsetzt, die Blüte beginnt oder die Gewächse in voller Blüte stehen. Auch der sogenannte Johannistrieb, die ersten reifen Früchte, die Verfärbung und der Fall der Blätter seien wichtig, erklärt Hoch. Denn all das sind phänologische Daten; Phänologie ist die Lehre von den Erscheinungen.
Phänologischer Garten: Blüte setzt später ein, Früchte trotzdem eher reif
Doch das, was der Botaniker in diesem Jahr notiert, weicht deutlich von bisherigen Eintragungen ab. Nachdem das Jahr von der Witterung her eher durchschnittlich angefangen hatte, wurde es im März noch mal richtig kalt. „Da kam vieles ins Stocken, und dann ist ein deutlicher Sprung vom März zum April zu verzeichnen“, schildert Hoch. Er nennt Beispiele. Im Vorjahr stand der Mandelbaum am 1. April in voller Blüte, dieses Jahr erst am 7. April.
„Auch die Rote Johannisbeere hat eine Woche später als 2017 geblüht, am 17. April. Trotzdem waren die Früchte schon am 13. Juni reif und damit zwölf Tage eher.“ Ähnliches hat Hoch bei den Sauer- und Süßkirschen festgestellt. Sogar die Klaräpfel waren schon an diesem Mittwoch reif - statt am Monatsende.
Viele Bäume tragen dieses Jahr mehr Früchte als sonst
Es sei eine Reaktion auf die Kälte und den Stress, dass die Bäume so schnell fruchten, ist der Experte sicher. „Außerdem haben fast alle Baumarten dieses Jahr mehr Früchte als sonst angesetzt.“ Doch jetzt begännen sie, wegen der Trockenheit Früchte abzuwerfen. „Die Bäume haben absoluten Stress.“
Drei der vier Weiden im Hofgarten sind abgestorben, zwei davon erst kürzlich. Gegossen werde ja nicht, sagt Hoch, sonst würden die Ergebnisse verfälscht. Er sei gespannt, wie all die Gewächse die jetzige „extreme Wettersituation“ verkraften. Denn wie sich das Wetter bis zum Herbst und Winter entwickelt und ob sich die Pflanzen nach der langen Trockenheit erholen, sei offen.
Lange Trockenperiode: Klimastation erfasst Temperaturen und Niederschläge
Um den Zusammenhang zwischen phänologischen Beobachtungen und dem Wetter zu untersuchen, erfasst rund 500 Meter vom Hofgarten entfernt eine Klimastation die Temperaturen und Niederschläge. Die Klimastation „Goldene Aue“ hatte das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 2010 errichtet. Aus deren Daten gehe beispielsweise hervor, sagt Hoch, dass im ersten Halbjahr 2018 nur 114 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen sind. Zum Vergleich: Allein im Juli 2017 waren es 92 Liter je Quadratmeter.
Alle Beobachtungen, die der Botaniker sammelt, leitet er an die Humboldt-Universität Berlin weiter. Dort fließen sie in eine Datenbank ein und werden analysiert, um Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen auf die Natur zu erforschen und Empfehlungen für Landwirtschaft oder Tourismus abzuleiten. Übrigens ist der Phänologische Garten in Roßla der einzige in Sachsen-Anhalt.
Seine Daten werden in zwei internationalen Studien aufgearbeitet, wobei überall - auch in Estland, der Türkei oder Milwaukee - genetisch identische Pflanzen beobachtet werden. (mz)
