Coming-out-Day Coming-out-Day: Markus Kowalski: "Ich wünsche mir mehr Akzeptanz"

Sangerhausen - Markus Kowalski ist 23, kommt aus Questenberg, lebt in Berlin, studiert dort Politikwissenschaften und arbeitet als freier Journalist für verschiedene Medien. Und: Markus Kowalski bezeichnet sich als Schwulen-Aktivisten. Sein eigenes Coming-out hatte er mit 19 Jahren. Anlässlich des Coming-out-Days am 11. Oktober sprach Beate Thomashausen mit ihm darüber.
Wann war für Sie klar, dass Sie anders fühlen und lieben als die Mehrheit?
Markus Kowalski: Mit zwölf Jahren habe ich gewusst, dass ich anders bin, dass ich wohl das bin, was die anderen schwul nennen. Mich selbst zu akzeptieren, wie ich bin, hat sich aber noch lange hingezogen. Während meine Schulkameraden ihre erste Freundin hatten und Erfahrungen sammelten, war ich mir unsicher. Wie gehe ich mit meinen Gefühlen um? Wovon ich damals aber felsenfest überzeugt war, dass ich es nie jemandem erzählen werde, dass ich lieber eine heterosexuelle Scheinbeziehung beginne oder ins Kloster gehe, als mich zu outen.
Wann haben Sie denn beschlossen, dazu zu stehen?
Kowalski: Das hat noch lange gedauert. Erst als ich 19 Jahre alt war, habe ich eine enge Freundin ins Vertrauen gezogen und dann nach und nach in Einzelgesprächen auch meine Schwester und weitere Freunde. Ich hatte Angst, dass meine Freunde ablehnend oder angewidert reagieren würden.
Das hört sich danach an, dass Sie große Bedenken hatten, von Ihrem Umfeld nicht akzeptiert zu werden. Stimmt das?
Kowalski: Ja, das hatte ich. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen. Das Wort schwul lernt man als Erstes als Schimpfwort auf dem Schulhof. Wenn überhaupt von Schwulen gesprochen wird, dann weil man sich über sie lustig macht. Man hört, dass die keine Kinder bekommen, dass man seine Frau verlassen muss, und nichts, was irgendwie positiv besetzt ist. Das ärgert mich. Gerade Teenager, die dabei sind, sich selbst zu erkennen, erfahren dann nur Ablehnung statt zu hören, dass ihre Mitmenschen mit ihrem Anderssein okay sind.
Erinnern Sie sich an ein Erlebnis, wo Ihnen das besonders schmerzlich bewusst wurde?
Kowalski: Ja. Meine Mutter und meine Schwester hatten sich an einem Tag mal in der Küche über die Homo-Ehe unterhalten und meine Mutter stellte fest, dass sie das eigentlich nicht wolle. Das habe ich gehört und mich gefragt, wann ich stark genug sein werde, meinen Eltern zu erzählen, dass ich schwul bin.
Wie haben Sie es Ihren Eltern gesagt?
Kowalski: An einem Sonntagabend nach dem „Tatort“ habe ich ihnen mitgeteilt, dass ich ihnen etwas Wichtiges zu sagen hätte. Dann sagte ich einfach: Ich bin schwul. Es herrschte erst einmal Stille, bis mein Vater meinte: Das haben wir uns schon gedacht. Ein größerer Schock war für sie, als ich ihnen danach mitgeteilt habe, dass ich aus der Kirche austreten werde.
Warum haben Sie das Ihren Eltern denn in einem Zusammenhang mitgeteilt?
Kowalski: Das hat mit Pfarrer Bernhard Ritter aus Bennungen zu tun, der in seinen Predigten von unchristlichen Lebensformen sprach und damit die meinte, die nicht heterosexuell waren. Das hatte mich als Jugendlichen, der regelmäßig seine Gottesdienste besuchte, sehr verunsichert.
Was hätten Sie sich anders gewünscht?
Kowalski: Für alle Teenager, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, wünsche ich mir mehr Akzeptanz, mehr positive Beispiele. Die ganze Welt ist voller heterosexueller Vorbilder. Sei es in der Werbung oder in Spielfilmen. Immer geht es um die Liebe zwischen Mann und Frau. Da steht ein Jugendlicher, der nicht so empfindet, da, als ob er nicht dazugehört. Dabei sind es doch fünf bis zehn Prozent aller Menschen, die eben nicht heterosexuell empfinden.
Ist die Gesellschaft doch nicht so tolerant, wie man hofft?
Kowalski: Ich war in der vergangenen Zeit doch viel im Ausland unterwegs, unter anderem auch in Ländern, in denen Homosexualität noch unter Strafe steht. Dagegen ist Deutschland doch ein sehr freies Land. Und ich bin dankbar, hier zu leben. Aber ich bin mir sicher, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis es auch in einem Ort von der Größe wie Questenberg selbstverständlich sein wird, wenn zwei Männer Hand in Hand gehen und sich küssen. (mz)