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Wildunfälle in der Region Wildunfälle in der Region: Einige Tiere sterben qualvoll

Von Detlef Valtink 17.03.2017, 06:45
In den meisten Fällen wird das Tier durch die Kollision getötet. Dramatisch wird es, wenn das Wild noch laut klagend auf der Straße liegt oder verletzt vom Unfallort verschwindet.
In den meisten Fällen wird das Tier durch die Kollision getötet. Dramatisch wird es, wenn das Wild noch laut klagend auf der Straße liegt oder verletzt vom Unfallort verschwindet. dpa

Friedrichsbrunn - Die Rettungsleitstelle des Harzkreises hat nach einem System-Update im vorigen Jahr immer noch Probleme, nach einem Wildunfall die zuständigen Jäger zu informieren, damit diese die getöteten oder verletzten Tiere bergen bzw. von ihrem Leid erlösen können. „Unser geografisches Informationssystem muss nach dem Update im September/Oktober 2016 angepasst und die Kartenbereiche neu eingepflegt werden“, redet Kai-Uwe Lohse, Leiter der Einsatzleitstelle im Harzkreis, nicht um den heißen Brei herum.

„Wir haben das noch nicht auf der Reihe“, weiß Kai-Uwe Lohse und meint damit, dass seitens der Jägerschaft die aktuellen Reviergrenzen und Ansprechpartner vorliegen, diese Daten jedoch in dem neuen System noch nicht abgeglichen oder auf den neuesten Stand gebracht worden sind.

Seit Herbst vorigen Jahres hat dies teilweise fatale Folgen. Denn Wildunfälle sind häufig traumatische Erlebnisse. So passiert es schnell, dass ein kaum zu definierender Schatten im Scheinwerferkegel des Autos auftaucht und fast zeitgleich die Karosserie von einem harten Schlag erschüttert wird. Autofahrer sind solchen Situationen machtlos ausgeliefert.

In den meisten Fällen wird das Tier durch die Kollision getötet. Dramatisch wird es, wenn das Wild noch laut klagend auf der Straße liegt oder verletzt vom Unfallort verschwindet. Im günstigsten Fall sollte dann der zuständige Jäger schnell zur Stelle sein. Dies setzt voraus, dass auch die Datenaustauschkette funktioniert.

Unfallfahrer sind verpflichtet, die Polizei zu informieren

Der Unfallverursacher ist verpflichtet, die Polizei über das Ereignis zu informieren. Möglichst mit genauen Orts- und Zeitangaben. Seitens der Beamten wird entschieden, ob vor Ort der Unfall aufgenommen und dokumentiert wird oder ob es ausreicht, den Sachverhalt per sogenannter Protokollaufnahme in einem Revier abzuarbeiten. „In der Regel soll der Unfall vor Ort aufgenommen und abgearbeitet werden“, erklärt Uwe Becker, Pressesprecher der Polizei im Harz.

Dabei gehe es darum, auch Spuren zu sichern, zu prüfen, ob es sich tatsächlich um einen Wildunfall handelt, oder um notwendige Rettungs- und Sicherungsmaßnahmen einzuleiten. „Um später nicht mit der Autoversicherung Probleme zu bekommen, lohnt es sich, auch mal Wartezeiten bis zu zwei Stunden in Kauf zu nehmen“, ist Uwe Becker überzeugt.

Egal wie, anschließend sollten in der Regel die Informationen an die Rettungsleitstellen weitergeleitet werden, die dann den zuständigen Jäger kontaktiert. „Leider ist die Zahl der Fälle sprunghaft angestiegen, in denen der zuständige Jagdpächter eben nicht einbezogen wurde“, weiß Jens Schneidewind, Vorsitzender der Jägerschaft Quedlinburg.

Polizei informiert die Leitstelle, aber nicht den Jagdpächter

Er beklagt besonders die Fälle, in denen die Polizei die Leitstelle informiert hat, aber den Jagdpächter nicht oder erst nach über 24 Stunden. „Dann ist es für eine Versorgung des Wildes einfach zu spät“, weiß der Jägerschaftsvorsitzende. Die Tiere würden sich unnötig quälen, hätten sehr häufig innere Verletzungen, Prellungen, Einblutungen oder Brüche. „Über 50 Prozent der Tiere, die weglaufen, sind davon betroffen“, fasst Jens Schneidewind die Erfahrungen der Jäger zusammen.

Beispiele gibt es dafür ausreichend. An der Straße zwischen Friedrichsbrunn und Allrode wurde ein Reh mit zertrümmertem Becken und Läufen gefunden. Bei einem Wildschwein zwischen Thale und Friedrichsbrunn war im Bewegungsapparat so gut wie nichts mehr in Ordnung. „Das ist elend verendet“, ist der Vorsitzende überzeugt.

„Auch wir hatten mehrere Vorfälle mit Rehen zwischen Quedlinburg und Westerhausen oder an der Altenburg, bei denen uns nicht Bescheid gegeben wurde“, bestätigt Kai Wiebensohn, der für den Quedlinburger Stadtwald verantwortlich zeichnet, die Aufzählungen.

Beschwerden landen beim Kreisjägermeister

Mit solchen Beschwerden wird der Kreisjägermeister derzeit fast wöchentlich konfrontiert. „Diese Entwicklungen sind sehr bedauerlich“, meint Holger Piegert und verweist darauf, dass durch das zu spät versorgte Wild den Jagdpächtern auch wirtschaftliche Schäden entstehen, da sie das Wildbret nicht mehr vermarkten können.

„Die Meldungsfolge wird sich bald wieder stabilisieren und die Beschwerden weniger werden. Das kriegen wir hin“, verspricht Kai-Uwe Lohse einen zeitnahen Abbau der Mängel nach der Softwareaktualisierung. Der Leiter der Einsatzleitstelle im Landkreis Harz sieht aber - wie auch die Jägerschaft - noch andere Tatsachen, denen mehr Bedeutung geschenkt werden sollte.

In erster Linie wünschen sie sich von den Verkehrsteilnehmern, die in einen Wildunfall verwickelt sind, ein Stück mehr Aufmerksamkeit. „Es reicht schon aus, wenn man keine Ortskenntnis besitzt, den Unfallort mit einem Taschentuch oder etwas anderem deutlich zu markieren“, erklärt Jens Schneidewind.

„Es kann jeder Jäger angesprochen werden"

Dann wären die Suchen einfacher zu organisieren und erfolgversprechender. Dies gelte auch für jene Autofahrer, die einen Wildunfall - mit welcher Motivation auch immer - nicht der Polizei melden. „Es muss kein Bürger Angst davor haben, dass man den Falschen anruft oder informiert. Es kann jeder Jäger angesprochen werden, der dann die notwendigen Schritte einleitet“, sagt der Vorsitzende der Jägerschaft.

„Wenn ein Hund oder eine Katze angefahren wird, werden in der Regel alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Tieren zu helfen. Auch wenn Wildtiere dem Gesetz nach als herrenlos gelten, sind ihre Leiden deswegen keine Spur geringer und sie haben genauso viel Fürsorge verdient“, sagt Holger Piegert.

Dabei trauert die Jägerschaft den Zeiten nach, in denen der Umgang mit Wildunfällen von den Behörden noch anders und „deutlich besser“ geregelt war, so Holger Piegert. Noch vor einiger Zeit wurden Unfallmeldungen von der Polizei direkt an den Jagdpächter weitergeleitet. „Das funktionierte reibungslos“, weiß Jens Schneidewind.

Erst als das Land die Beamten von dieser Aufgabe entbanden und diese den Rettungsleitstellen übertrugen, mehrten sich die Fehl- oder Nichtmeldungen. „Ein trauriger Umstand, der zum Nachdenken anregen sollte“, meint der Kreisjägermeister. (mz)

Autofahrer sollten Warnschildern die nötige Aufmerksamkeit schenken - schnell kommt es zu einem Unfall, weil Tiere die Geschwindigkeit eines Autos nicht abschätzen können.
Autofahrer sollten Warnschildern die nötige Aufmerksamkeit schenken - schnell kommt es zu einem Unfall, weil Tiere die Geschwindigkeit eines Autos nicht abschätzen können.
dpa