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Kommunalwahl 2019 Vor der Kommunalwahl 2019 aus Thale: Der Ausnahmekandidat Thomas Balcerowski und sein Scheinantritt

Von Katrin Schröder 22.05.2019, 07:59
Bürgermeister Thomas Balcerowski trat beim Städteturnier im Radeln im Sommer 2108 als erster in die Pedale. Nun steht er auf der CDU-Wahlliste ganz oben als Kandidat, will aber bei einer Wahl das Mandat nicht annehmen.
Bürgermeister Thomas Balcerowski trat beim Städteturnier im Radeln im Sommer 2108 als erster in die Pedale. Nun steht er auf der CDU-Wahlliste ganz oben als Kandidat, will aber bei einer Wahl das Mandat nicht annehmen. Tobis/Archiv

Thale - Hunderte Kandidaten stellen sich bei den Kommunalwahlen am Sonntag zur Wahl - sie alle streben ein Mandat im Kreistag oder im Rat ihrer Stadt, Gemeinde oder Ortschaft an. Alle? Nein: Thales Oberbürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) bildet eine Ausnahme. Das Stadtoberhaupt, das ganz oben auf der Liste seiner Partei steht, hat angekündigt, im Fall seiner Wahl auf das Mandat verzichten zu wollen. Kritiker sehen das als Scheinkandidatur - obwohl dies in Sachsen-Anhalt erlaubt ist.

Voraussetzung ist eine Erklärung darüber, wie der Kandidat im Fall seiner Wahl verfahren wird – ob er sein Amt abgibt oder das Mandat ausschlägt.

„Das Kommunalwahlgesetz geht von einer Unvereinbarkeit von Amt und Mandat aus“, sagt Marion Reiser, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Jena. Das heißt: Wer Bürgermeister ist, kann nicht Stadtratsmitglied sein, wer Landrat ist, darf nicht zugleich im Kreistag sitzen.

Stadtoberhaupt will ein ehrliches Votum für seine Arbeit

Dennoch stellt sich Balcerowski, seitdem er 2001 Bürgermeister wurde, immer wieder zur Wahl. „Ich möchte ein ehrliches Votum für meine Arbeit – und das bekommt man nur an der Wahlurne“, begründet er sein Vorgehen.

Das Wahlergebnis bei der Stadtratswahl zeige ihm, ob das „Schulterklopfen der Bürger“, das er im Alltag erlebe, auch in der Anonymität der Wahlkabine in ein positives Votum münde.

Listen und Parteien nutzen oft Bekanntheitsgrad aus

Es komme oft vor, dass Bürgermeister und Landräte antreten, sagt Marion Reiser. „Das ist in vielen Kommunen eine schon sehr lange gelebte Praxis.“

Ziel sei es in der Regel, die Bekanntheit der Kandidaten für ihre Liste oder ihre Partei zu nutzen und so die Fraktionsstärke in den Gremien zu erhöhen. Denn die Stimmen, die ein Scheinkandidat erhält, verfallen nicht beim Mandatsverzicht, sondern können anderen Bewerbern, die es vielleicht nicht aus eigener Kraft geschafft hätten, zu einem Sitz verhelfen.

Im ganzen Harzkreis die Ausnahme

Im Harzkreis ist Balcerowski aber eine Ausnahme: Kein weiterer Bürgermeister findet sich auf den Listen für die Stadt- und Gemeinderatswahlen, und auch für den Kreistag liegen laut Kreisverwaltung keine Verzichtserklärungen vor.

Anders sieht es etwa im Landkreis Mansfeld-Südharz aus: Der Ahlsdorfer Bürgermeister Karsten Patz kandidiert auf der Liste der Freiwilligen Feuerwehr Ahlsdorf für den Gemeinderat - und hat den Verzicht auf den Platz verkündet. Bei der Kommunalwahl 2014 erklärte der damalige Querfurter Bürgermeister Peter Kunert (FDP) seine Kandidatur unumwunden so: „Ich will meine Popularität nutzen, um Stimmen für meine Partei zu sammeln, damit wir im Stadtrat mit einer starken Fraktion vertreten sind.“

Thema Scheinkandidatur ist auch in anderen Bundesländern umstritten

Dass dies sein Ziel sei, bestreitet Balcerowski. Jeder müsse sich dem Wählervotum stellen, auch seine Kritiker: „Das sind womöglich diejenigen, die vor den Wählern Angst haben.“

Umstritten ist das Thema auch in anderen Bundesländern. In Thüringen etwa kämpft der Verein „Mehr Demokratie“ seit Jahren für ein Verbot von Scheinkandidaturen. Dort müssen Bewerber nicht vorab Stellung beziehen.

„Die in Sachsen-Anhalt geforderte Erklärung, ob man das Mandat nach der Wahl annehmen wird, sorgt zumindest für ein gewisses Maß an Transparenz für die Wählerinnen und Wähler“, sagt die Politikwissenschaftlerin Marion Reiser. In Bayern waren Scheinkandidaturen von 2006 bis 2018 verboten, wurden aber auf Initiative der CSU wieder erlaubt. (mz)