Bergwacht warnt Unfälle durch falsche Kleidung und Selbstüberschätzung: Bergwacht Wernigerode appelliert an Touristen im Oberharz

Wernigerode - Es wird ein knallharter Lauf. Ein Marathon, ach was, ein Ultramarathon. Er führt die Läufer 80 Kilometer durch Dunkelheit, durch Kälte und Schnee, von Göttingen auf den Brocken; 1.900 Höhenmeter müssen sie dabei überwinden.
Brocken-Challenge heißt die alljährliche Laufveranstaltung, an der sich an diesem Sonnabend auch ein Mitglied des Brockenlaufvereins Ilsenburg beteiligt. Challenge ist englisch und bedeutet Herausforderung.
„Das ist ein Abenteuer“, sagt Martin Dähnn, Vorstandsmitglied im Brockenlaufverein Ilsenburg, „aber es ist nicht gefährlich, wenn man vorbereitet ist.“ Dähnn kennt den Brocken gut, ist oft da oben, zu Fuß, mit dem Rad, und er weiß, dass die Bedingungen auf dem höchsten Harzgipfel vergleichbar sind mit jenen in 2.000 Metern Höhe in den Alpen. Kurz gesagt: Es herrscht Hochgebirgsklima.
Vielen Touristen ist nicht bewusst, worauf sie sich im Hochharz einlassen
Doch während die Sportler genau wissen, worauf sie sich einlassen, ist es so manchem Touristen nicht bewusst. Der Ausflug in den Harz - er kann auch zu einer unfreiwilligen Challenge werden.
Das bekommen die Mitglieder der Wernigeröder Bergwacht immer wieder zu spüren. Sie sind zuständig in den Wäldern um Wernigerode, aber eben auch im Hochharz und auf dem Brocken.
Dort oben haben sie auch eine Station, die an den Wochenenden mit mindestens zwei Mann besetzt ist. Der Winterferienbeginn lässt ihre innere Alarmbereitschaft jetzt noch einmal ansteigen.
Allein in diesem Jahr seien die Wernigeröder schon zu 13 Einsätzen ausgerückt, teilt Eckhard Schulz, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Wernigerode mit, zu dem die Bergwacht gehört.
Baum am Ilsestein bewahrte Jugendlichen vorm Absturz
2018 waren es ihm zufolge 79 Einsätze „mit Übergabe an den Rettungsdienst“, die „kleineren Hilfeleistungen“ nicht mit eingerechnet. Kollaps und Kreislaufprobleme, Frakturen und Prellungen, Unterkühlungen - alles war dabei.
„Oft sind Selbstüberschätzung, falsche Bekleidung oder das Nichteinhalten von Verhaltensregeln der Grund für Unfälle oder andere Notfälle“, bringt es Schulz auf den Punkt. Da waren zum Beispiel die beiden Jugendlichen, die am Ilsestein in Bergnot gerieten, weil sie eine Absperrung nicht für voll nahmen; einer stürzte ab.
Er kam mit leichten Verletzungen davon, weil er in einem Baum hängenblieb. Das bewahrte ihn vor einem 100 Meter tiefen Fall. Und am Brocken retteten die Bergwachtkameraden mal ein Pärchen vor dem Kältetod. „Es hatte den sicheren Weg verlassen und war im tiefen Schnee so weit abgekommen, dass dies leicht mit dem Schlimmsten hätte enden können“, sagt der DRK-Sprecher.
Seit 1990 sind 40 Menschen bei Bergunfällen gestorben
Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Menschen am Brocken umgekommen sind. Laut Schulz gab es seit 1990 40 Tote in dem Gebiet, den bisher letzten 2017.
„Von vielen wird unterschätzt, was für Wetterbedingungen da oben herrschen“, sagt auch HSB-Sprecher Dirk Bahnsen. Deshalb informiert das Unternehmen offensiv: In den Verkaufsstellen würden die Wetterdaten auf Bildschirmen angezeigt; und am Schalter weise das Personal auch darauf hin, spreche Empfehlungen aus, erklärt er.
Schmalspurbahn appelliert an Verantwortung der Touristen
„Wir können da aber nur an die Eigenverantwortlichkeit der Fahrgäste appellieren.“ Doch das klappt nicht immer: „Viele kommen ja gerade, weil da oben Action ist“, sagt der HSB-Sprecher und spricht von einer regelrechten „Sensationslust“, die von der schnellen Informationsverbreitung in den sozialen Medien noch befeuert werde.
Wann bekommt man schon mal eine eingefrorene Lok zu sehen oder Hunderte Bäume, die im Sturm wie Streichhölzer umgeknickt sind?
Bei Sturm würde auch er den Brocken meiden, so Dähnn, „aber mit der richtigen Vorbereitung und Kleidung machen selbst minus 15 Grad nichts“. Fit sind sie, die Läufer, auch vertraut mit Witterungs- und Geländebedingungen.
Zudem müssen sie etwas zu trinken dabei haben, Handy und Erste-Hilfe-Set. Außer ein paar kleineren Unfällen sei noch nie etwas passiert - weder bei der Brocken-Challenge noch beim Brockenlauf, den sein Verein jedes Jahr organisiert, sagt Dähnn. (mz)