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Ukraine-Krieg Tiere auf der Flucht: Ukrainerin setzt sich im Harz für zurückgelassene Haustiere ein

Tierschützer retten Hunde und Katzen von Geflüchteten oder aus zerstörten Tierheimen und Zoos. Wie die Tiere unter dem Krieg leiden und wie eine Ukrainerin im Harz helfen möchte.

Von Uta Müller Aktualisiert: 11.04.2022, 06:12
Die Ukrainerin Alexandra Leontiieva möchte  Tieren helfen, die zurückgelassen wurden. Sie erzählt, wie das möglich ist.
Die Ukrainerin Alexandra Leontiieva möchte Tieren helfen, die zurückgelassen wurden. Sie erzählt, wie das möglich ist. Foto: Ingo Kugenbuch

Quedlinburg/MZ - Menschen, die aus der Ukraine fliehen, können meist nur das Allernötigste mitnehmen und sind tagelang unterwegs. Wer kann, nimmt seinen tierischen Mitbewohner mit - ganz egal ob zu Fuß oder mit Bus und Bahn. Doch viele müssen ihre geliebten Haustiere schweren Herzens zurücklassen; zu kompliziert und schwer ist die Flucht mit Tieren - zu ungewiss die Lage in den Flüchtlingsunterkünften.

Alexandra Leontiieva ist selbst vor knapp einem Monat aus Kiew in den Harz geflohen. „Wenn die Menschen fliehen müssen, lassen viele ihre Haustiere zurück“, sagt die 35-Jährige bei einem Gespräch mit der MZ. In den überfüllten Zügen und Bussen, die die Flüchtlinge aus der Ukraine bringen, sei häufig kein Platz für Hunde und Katzen. „Vor allem die Mitnahme von Hündinnen mit Welpen ist praktisch unmöglich.“ Es gebe in der Ukraine örtliche Tierheime und Tierschützer, die die herrenlosen Vierbeiner aufnehmen, sagt Leontiieva. Das hat die ohnehin schon beträchtliche Anzahl streunender Tiere in den ukrainischen Tierheimen noch weiter erhöht und stellt eine zusätzliche Belastung für die Einrichtungen dar. Deren Möglichkeiten sind ausgeschöpft.

Dieser Welpe lebt derzeit in Kiew auf der Straße.
Dieser Welpe lebt derzeit in Kiew auf der Straße.
Alexandra Leontiieva

In der Ukraine war die Situation für heimatlose Tiere schon vor dem Krieg schwierig. Jetzt sei sie tragisch. Viele Tiergehege und Zoos gerieten unter Beschuss oder wurden zerstört. Nun möchte Alexandra Leontiieva den zurückgelassenen Tieren in der Ukraine helfen. Weil die Zahl der ausgesetzten Tiere jedoch nicht abnimmt und auch Nahrung und Medikamente dringend gebraucht werden, zählt weiter jede Hilfe. Dazu hat sie Kontakt zu verschiedenen Tierheimen in Kiew, Charkiw, Schytomyr, Odessa, der Region Dnipro und Boryspil aufgenommen. Ein Schäferhund im Tierheim im zerstörten Charkiw sucht ein neues Zuhause. Dort könne er nicht bleiben. „Ein anderer Welpe ist in einer Tierklinik, dort ist aber kein Platz für ihn, da viele Tiere Hilfe brauchen“, sagt Alexandra. Auf einen Hund in Schytomyr wurde geschossen, aber auch er kann nicht in einem Tierheim leben. In Odessa lief ein Hund zwischen Autos umher. Tierschutzorganisationen wie Peta und Vier Pfoten haben Hilfsprojekte ins Leben gerufen. Etwa in Polen und Deutschland engagieren sich etliche Ehrenamtliche und sammeln und transportieren auch Hilfsgüter für Tiere in der Ukraine. Tierschützer fahren an die polnisch-ukrainische Grenze, um Hunde und auch Katzen zu retten - sie riskieren dabei ihr Leben.

 Die Welpen leben in Boryspil auf der Straße. Sie werden gefüttert.
Die Welpen leben in Boryspil auf der Straße. Sie werden gefüttert.
Alexandra Leontiieva

Dabei ist die Mitnahme oder Einfuhr von Tieren aus der Ukraine gar nicht so einfach, wie Amtstierarzt Dr. Rainer Miethig vom Landkreis Harz bestätigt. „Wer Tiere aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland holen will, benötigt eine Einfuhrgenehmigung, da die Ukraine ein sogenanntes Drittland ist“, so Miethig. Die erteilt das Landesverwaltungsamt in Halle, Referat Verbraucherschutz und Veterinärwesen. Nötig wird nach Auskunft des Veterinärs dann auch ein Impfausweis und eine Tollwutzahl. Die Ukraine, so sagt Rainer Miethig, ist Tollwutgebiet. „Tiere müssen auf jeden Fall in eine dreimonatige Quarantäne in eine der Quarantänestationen im Land.“ Im Landkreis Harz gibt es keine derartige Station. Die nächsten Quarantänestationen sind in Aschersleben und Schönebeck. „Der Gedanke, die Tiere zu retten, ist gut“, so Miethig. Allerdings sei die Umsetzung sehr schwierig.

Im bombardierten Charkiw ist ein Deutscher Schäferhund untergebracht.
Im bombardierten Charkiw ist ein Deutscher Schäferhund untergebracht.
Alexandra Leontiieva

Auch im Harz sind mit den Geflüchteten Tiere angekommen. „Es handelt sich bisher um sechs Hunde und drei Katzen, welche zu sechs Besitzern gehören“, so der Amtstierarzt. Diese Heimtiere befinden sich in häuslicher Quarantäne unter amtlicher Aufsicht. Die häusliche Quarantäne endet, wenn der Untersuchungsbefund einen ausreichenden Tollwut-Antikörpertiter ausweist und seit der Blutentnahme drei Monate vergangen sind, erklärt Miethig. Voraussetzungen seien zudem die Kennzeichnung mit einem Identifikations-Chip sowie die Ausstellung eines Heimtierausweises durch eine Tierarztpraxis. Die Einfuhrgenehmigungen wurden rechtskonform nachträglich beim Landesverwaltungsamt beantragt.

Auf den Hund wurde geschossen. Jetzt ist er in Schytomyr.
Auf den Hund wurde geschossen. Jetzt ist er in Schytomyr.
Alexandra Leontiieva

Seit dem 24. Februar herrscht in der Ukraine Krieg. Bei den Militärangriffen kommen neben zahlreichen Zivilisten auch Tiere zu Schaden.

Wer helfen möchte oder einen Hund oder eine Katze bei sich aufnehmen möchte, kann eine E-Mail mit dem Betreff „Tierrettung“ an [email protected] senden und bitte seine Telefonnummer angeben.