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Rollende Bibliothek Rollende Bibliothek: "Hab mein Wagen vollgeladen ..." - nur sind da Bücher drin

Von Susanne Thon 06.11.2020, 08:56
Gesine Gödan, Petra Winter und Annett Heinze (v.l.) haben noch einiges zu tun, bis der Bauwagen Bücherbox ist.
Gesine Gödan, Petra Winter und Annett Heinze (v.l.) haben noch einiges zu tun, bis der Bauwagen Bücherbox ist. Susanne Thon

Schielo - Die Idee kam Petra Winter auf Reisen. „Ich hab die überall gesehen“, sagt sie. Öffentliche Bücherschränke. „Da habe ich mir gedacht, das können wir doch auch in Schielo machen.“

Was Anfang der 1990er Jahre als Kunstaktion begann - damals installierten die beiden Künstler Michael Clegg und Martin Guttmann in Randbezirken von Graz frei zugängliche Büchervitrinen - hat inzwischen vielerorts Schule gemacht. Das Prinzip ist simpel: Es geht um die gemeinsame Nutzung. Jeder darf ein Buch mitnehmen; das kann er zurückbringen oder behalten. Und im Idealfall stellt er für den nächsten ein eigenes, ausrangiertes Buch in den Schrank, ins Regal, legt es in die Kiste oder, oder, oder.

Kühlschränke, Verteilerkästen, Telefonzellen, Busse - alles ist geeignet

Denn längst sind Bücherschränke nicht mehr nur Schränke. Sie kommen in verschiedenen Formen daher: im hessischen Lohfelden beispielsweise als Kühlschrank, in Berlin gibt es Baumstämme mit Regalfächern, und in Hamburg fahren die Regale in Bussen mit. Beliebt sind auch alte Verteilerkästen und Telefonzellen, die zu Bücherschränken umfunktioniert wurden.

Auf eine ausgediente Telefonzelle hatten es ursprünglich auch die Schieloer abgesehen, „die war dann aber zu teuer“, ein paar Hundert Euro hätten sie dafür berappen müssen, sagt Petra Winter. Und so wurde aus der Idee mit der Telefonzelle ein Bauwagen. Der stand schon lange ungenutzt im Ort herum, und „da haben wir rumgehorcht, ob wir ihn kriegen können“. Konnten sie. Der Ortschaftsrat hat’s abgesegnet.

„Mir sind die Bücher zum Wegschmeißen zu schade“

Seit einigen Wochen steht der Bauwagen nun vor dem Haus von Annett Heinze. Mit ihrer Hilfe und der von Gabriele Kühne und Gesine Gödan nimmt der Plan von Petra Winter zunehmend Gestalt an. Und auch andere Unterstützen das Vorhaben: So sponserte die Deutsche Mediengesellschaft in Gernrode die Farbe, „und das, obwohl wir gerade keine Veranstaltungen haben“, so Winter, die in dem Unternehmen arbeitet. Und das ortsansässige Wohn- und Pflegeheim Haus Einetal will die Regale beisteuern – und ein paar Bücher.

Es sind nicht die ersten. „Die Leute haben schon Bücher gebracht“, sagt Annett Heinze. Und auch sie und ihre Mitstreiterinnen werden welche ausrangieren. „Mir sind die Bücher zum Wegschmeißen zu schade“, sagt Petra Winter, die so einige Krimis übrig hat. Spannendes, Liebeschmöker, Kinderbücher – das Lese-Angebot wird breit gefächert sein.

Der Wagen soll noch ein bisschen schöner gestaltet werden

Doch noch gibt es allerdings einiges zu tun. Nach der Grundierung soll der Bauwagen „ein bisschen gestaltet werden“. Dafür zeichnet Hobbymalerin Gesine Gödan (www.sineart.de) verantwortlich. Sie will nicht nur den Schriftzug „Bücherbox“ an die Außenwand bringen – „das wäre zu langweilig“ –, sondern auch ein paar bunte Illustrationen, „vielleicht eine Ente mit einem Buch in der Hand“. Enten sind das Markenzeichen des Ortes.

Auch eine Treppe mit Geländer braucht der Bauwagen noch statt des vorhandenen Trittchens, damit auch ältere Leser ihn nutzen können. Und ein paar Verhaltensregeln muss es geben, damit die Schieloer lange Freude haben an der „Bücherbox“, die kein Aufenthaltsort sein soll - „Da kommt kein Stuhl und nichts rein“, sondern wirklich nur Anlaufpunkt für Bücherfreunde, um gebrauchten Lesestoff abzugeben und sich mit Neuem einzudecken.

„Wir hatten erst überlegt, ob wir ihn abschließen“

Eine Bibliothek hat der Ortsteil schon lange nicht mehr. „Da bräuchte man ja auch wen, der da ist“, der Bauwagen habe den Vorteil, dass die Leute kommen könnten, wann sie Zeit und Lust hätten, sagt Annett Heinze. Er soll deshalb auch durchweg zugänglich bleiben. „Wir hatten erst überlegt, ob wir ihn abschließen.“

Aber weil der organisatorische Aufwand letztlich zu groß geworden wäre, wurde die Idee letztlich wieder verworfen. „Wir gucken immer mal wieder rein.“

Eins ist noch unklar: Wo soll der Wagen stehen?

Geplant ist, den Bücher-Bauwagen noch in diesem Jahr in Betrieb zu nehmen. Dazu braucht es aber noch einen Stellplatz. Bislang ist unklar ist, wo die „Bücherbox“, wenn sie denn fertig ist, hingezogen wird. Denkbar wäre ein Stellplatz mitten im Ort, am Schusterberg, unweit der der aus Stahl geschnitten Farnsilhouetten des Metallkünstlers Felix Müller.

Ebenfalls in Betracht kommt der Platz vor der Gemeinde. Der hätte aus Sicht der Frauen gleich mehrere Vorteile: Er ist gut erreichbar, es gibt Parkmöglichkeiten, und der Winterdienst ist abgesichert. Aber auch hierzu soll der Ortschaftsrat noch mal gefragt werden. (mz)