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Schmerzensgeld für Wanderer Nach Grundurteil zu Schmerzensgeld für Wanderer: Nationalpark Harz will nicht mehr Warnschilder aufstellen

Von Benjamin Richter 13.02.2019, 06:56
Wer im Winter im Harz wandern geht, sollte auf die Beschilderung achten. Voraussetzung dafür ist, dass entsprechende Schilder angebracht sind.
Wer im Winter im Harz wandern geht, sollte auf die Beschilderung achten. Voraussetzung dafür ist, dass entsprechende Schilder angebracht sind. dpa-Zentralbild

Schierke - „Unglaublich!“, kommentiert Facebook-Nutzerin Mone Frei den jüngsten MZ-Beitrag über einen bei Schierke gestürzten Wanderer, dessen Klage auf Schmerzensgeld vom Land das Landgericht Magdeburg am Donnerstag als gerechtfertigt einstufte. „Bekommen wir jetzt Zustände wie in den USA?“

Auch die übrigen Leser, die den Artikel kommentierten, sahen das Grundurteil überwiegend kritisch. „In Amerika wäre er jetzt Millionär“, mutmaßt etwa Denis Wassermann. Ein fehlendes Schild war der Knackpunkt des Prozesstags gewesen: Der Weg 17H beginnt im Wernigeröder Ortsteil Schierke als Wanderweg und geht dann in eine Skatingloipe für Skilangläufer über.

Wanderweg in Schierke geht in Loipe für Skifahrer über

Richter Christian Löffler sah es als erwiesen an, dass dort kein Schild hing, das Wanderer darauf hinweist, dass sie ihren Weg dort nicht fortsetzen dürfen. Ab diesem Punkt, für den ahnungslosen Wanderer unter der Schneedecke unsichtbar, liegen Gummimatten auf dem Weg.

Sie sollen aufsteigendes Wasser vom Schnee fernhalten, damit sich kein Eis bildet. Auf einer solchen Matte war der 79-jährige Braunschweiger ausgerutscht und hatte sich den Arm gebrochen.

Senior (79) aus Braunschweig war auf Gummimatte ausgerutscht und hatte sich den Arm gebrochen

Löfflers Grundurteil wird nun vom Oberlandesgericht Naumburg geprüft. Hält es stand, entscheidet das Landgericht über die Höhe des Schmerzensgeldes.

„Durch unsere Loipenbeschilderung an den Waldeingängen wird auf das ,Nichtbetreten‘ der Loipen hingewiesen“, teilt Friedhart Knolle, Pressesprecher des Nationalparks Harz, auf MZ-Anfrage mit. Der Nationalpark vertritt das Land in dem Zivilverfahren.

„Auf dem Weg, der sich im Nationalparkrevier Schierke befindet, befindet sich ein Quellhorizont, der im Winter immer einen kleinen Bereich der Loipen auftauen ließ, was zu einer großen Gefahr für die ,schnellen Skater‘ werden konnte“, fährt Knolle fort. Gummimatten hätten zum gewünschten Erfolg, dem Schutz der Skiläufer, geführt.

Nationalpark-Sprecher Knolle: Gummimatten schützen die Skilangläufer

„Im März 2017 ist dann eine Wandergruppe über den Dreieckigen Pfahl trotz Winterbeschilderung in die Loipe gelaufen und eine Person ist auf der feuchten Gummimatte ausgerutscht“, schildert der Pressesprecher seine Sicht der Dinge.

„Da fällt uns unser guter Wille auf die Füße.“ Dass es sich um einen Spezialfall handle, werde daran deutlich, dass es jahrelang keine ähnliche Klage gegeben habe.

Knolle treibt die Sorge um, dass der Nationalpark zum Schilderwald wird. Auch Rechtsanwalt Hartmut Meyer, der am Donnerstag die Nationalparkverwaltung Harz und damit das Land Sachsen-Anhalt vertrat, hatte davor gewarnt, dass die richterliche Entscheidung das Bild des Nationalparks verändern könne.

Jura-Professorin sieht keinen Trend zu Millionen-Schadenersatz

„Womöglich stehen dann bald Schilder an jeder Ecke“, gab er zu bedenken. Friedhart Knolle fügt hinzu, dass Wanderschilder öfter aus dem Nationalpark gestohlen würden. „Mehr Schilder bringen nicht mehr Sicherheit“, stellt er klar.

Auf die Frage, ob der Nationalpark unabhängig vom Gerichtsurteil über Schritte für mehr Sicherheit nachdenke, teilt der Pressesprecher mit, dass „wahrscheinlich keine weiteren Maßnahmen“ geplant seien.

Einen Trend hin zu höheren Zahlungen an Geschädigte wie in den USA, wo Verbraucher Unternehmen teilweise erfolgreich auf Schadenersatz in Millionenhöhe verklagen, kann Caroline Meller-Hannich nicht feststellen.

Die Expertin für Zivilrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erklärt: „Die Tatsache allein, dass Urteile zugunsten von Verbrauchern ergehen, bedeutet - so viel kann ich gerne sagen - keine Amerikanisierung der deutschen Justiz.“

Friedhart Knolle weist auf das deutsche Waldrecht hin, das festlegt, dass der Waldbesitzer beim Eintreten von waldtypischen Gefahren nicht haftbar zu machen ist. „Wenn jemand etwa bei Sturm in den Wald geht, dann tut er das auch auf eigenes Risiko“, hebt Knolle hervor. (mz)