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Lernen im Lockdown Lernen im Lockdown: "Die Kinder leiden darunter am meisten"

Von Rita Kunze 09.02.2021, 12:56
Seit Wochen lernen Schüler im Distanzunterricht allein zu Hause. Der direkte Austausch mit Lehrern und Klassenkameraden fehlt.
Seit Wochen lernen Schüler im Distanzunterricht allein zu Hause. Der direkte Austausch mit Lehrern und Klassenkameraden fehlt. dpa

Harzgerode/Neinstedt/Quedlinburg - „Ihr werdet seit sehr langer Zeit wieder eine Schülergeneration sein, die am letzten Schultag eines Halbjahres kein Zeugnis in Empfang nehmen kann, um zu Haus voller Stolz auf die erbrachten Leistungen zu verweisen“, schreibt Dirk Gärtner, Schulleiter des Quedlinburger GutsMuths-Gymnasiums, auf der Internetseite des Hauses an seine Schüler.

Die hat er - mit Ausnahme der Zwölftklässler - seit acht Wochen nicht mehr gesehen.

Alles hat ziemlich gut funktioniert

Nicht einmal die Sommerferien sind so lang wie der bisherige Distanzunterricht im zweiten Lockdown. Seit dem 16. Dezember, drei Tage vor Beginn der Weihnachtsferien, sind die meisten Schüler zu Hause. Am Montag haben für sie die Winterferien begonnen.

Dennoch: Er sei „ziemlich glücklich“, sagt Gärtner über den Verlauf der zurückliegenden Wochen, denn „alles hat ziemlich gut funktioniert unter diesen Bedingungen. Die Kinder sind ambitioniert, die Kollegen engagiert, die Eltern mit im Boot“, resümiert er.

„Positive Rückmeldungen“

Das bestätigen seine Amtskolleginnen an anderen Schulen. Christiane Hempel von der Gemeinschaftsschule Harzgerode erzählt von „sehr, sehr positiven Rückmeldungen“ von Eltern, Schülern und dem Lehrerkollegium. Dass alle bisher so gut durch die Zeit gekommen sind, führt sie vor allem auf die Ergebnisse einer Umfrage zurück, die die Schule nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 durchgeführt hat - und den Ergebnissen entsprechend handelte.

Schüler schreiben nun täglich eine E-Mail an ihre Lehrer und berichten, wie es ihnen geht und wie sie beim Lernen zurechtkommen, wo sie Hilfe brauchen, wenn beispielsweise die Matheaufgaben zu schwer oder zu viel sind.

„Das wird von den Schülern sehr gut angenommen, und die Lehrer können direkt darauf reagieren“, sagt die Schulleiterin. Andererseits würden die Lehrer wöchentlich mit den Eltern telefonieren und den Kontakt halten. „Wir versuchen, die Arbeit anhand der Rückmeldungen zu verbessern“, sagt Christiane Hempel. „Unser Lernprozess ist sehr gut verlaufen.“

Schuleigene Internetplattform genutzt

„Immer in Kontakt“ sind auch die Schüler und Lehrer der Freien Ganztagsschule in Neinstedt, sagt deren Leiterin Marion Feibig. Auch sie ist sehr zufrieden, wie der Distanzunterricht bislang verlaufen ist. Für die Kinder bis Klasse 6, die in der Notbetreuung waren, sei der Unterricht ganz normal von 8 bis 15 Uhr verlaufen. „Egal, ob es zwei, drei oder acht Kinder waren - der Tag wurde wie sonst auch gestaltet“, sagt Marion Feibig.Schüler der höheren Klassenstufen nutzten eine schuleigene Internetplattform, über die sie in Kontakt stünden, zudem würden Videokonferenzen angeboten.

Dafür braucht man natürlich die entsprechende Technik - und die habe die Schule auch selbst angeschafft. Die Tablets und Laptops können Schüler nutzen, die keine eigenen Geräte haben. Und eben das habe sich im Vergleich zum ersten Lockdown verbessert: eine eigene Schulplattform und mehr Geräte. „Wir waren anders vorbereitet.“

„Es gibt Familien, in denen ist das einzige Mobilgerät mit Mutti oder Vati auf der Arbeit“

Die technischen Bedingungen an Schulen sind nach Ansicht von Dirk Gärtner noch verbesserungswürdig: „Was in den vergangenen 15 Jahren versäumt wurde, lässt sich nicht in 6 Monaten aufholen. Es ist eine Sache, die Schulen immer aufzufordern, digitaler zu werden. Man darf dabei aber eins nicht vergessen: Es gibt Familien, in denen ist das einzige Mobilgerät mit Mutti oder Vati auf der Arbeit.“ S

ich nur auf die Online-Lernplattform Moodle oder Videokonferenzen zu konzentrieren, berge daher die Gefahr, dass Schüler abgehängt werden. „Eine Mischform ist das Bestmögliche“, sagt er, und das sei am GutsMuths-Gymnasium sehr gut gelungen.

„Eine große Belastung“

Doch Präsenz- und Distanzunterricht seien zwei völlig verschiedene Dinge und die gegenwärtige Situation „für alle eine sehr große Belastung“, vor allem, weil die sozialen Kontakte fehlen. „Die Kinder leiden darunter am meisten.“

Aber auch die Lehrer vermissen ihre Schüler: „Es wäre uns das liebste, die Schüler wieder hier begrüßen zu dürfen“, sagt Christiane Hempel, die wie ihre Kollegen auf die Zeit hofft, in der die Inzidenzwerte länger unter der 50er-Marke liegen, um wieder im Präsenzunterricht arbeiten zu können. Denn nach den Winterferien geht es erst einmal weiter wie gehabt - und das bis zum 26. Februar.

Ab 1. März - vorausgesetzt, die Infektionszahlen lassen das zu - könnten die Klassen geteilt und im Wechselunterricht an die Schule kommen. „Wir stehen in den Startlöchern.“

Lernvideos aus der ARD- und ZDF-Mediathek  können genutzt werden

Die Gemeinschaftsschule versucht, ihre Schüler beim Lernen auf Distanz größtmöglich zu unterstützen. Mit den täglichen Aufgaben werde den Schülern eine Lernstruktur vorgegeben, die sich am Stundenplan orientiert, sagt die Schulleiterin. Zugleich könnten die Schüler die Lernvideos aus der ARD- und ZDF-Mediathek nutzen. Auch den Eltern werden Tipps gegeben, wie sie die Schultage zu Hause mit ihren Kindern strukturieren können.

Und die Bilanz nach acht Wochen?

Eine Ausnahmesituation, die „mit Kommunikation und gegenseitiger Rücksichtnahme funktioniert“, sagt Christiane Hempel. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt auch Marion Feibig über die zurückliegende Zeit.

Er sei mit den Schülern „sehr zufrieden“, nicht zuletzt mit den angehenden Abiturienten, die „über große Strecken sehr fokussiert“ seien, sagt Dirk Gärtner. Und die Jugendlichen seien sehr diszipliniert: „Die Schüler hatten auf dem Schirm, dass sie vorsichtig sein müssen. Sie sind in dieser Situation sehr gewachsen.“

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Land zahlt für Breitbandzugang bis zum Schulgebäude

Bis Ende 2021 sollen alle Schulen in Trägerschaft des Landkreises Harz mit einem Breitbandanschluss ausgestattet sein und damit schnelles Internet nutzen können. Das hatte Hauptdezernentin Heike Schäffer im Dezember angekündigt. Für den Breitbandzugang „über den Schulhof bis zum Schulgebäude“ sei das Land verantwortlich, der Landkreis bereite die Ausstattung der Schulen mit der Technik vor. In der Landkreisverwaltung arbeitet außerdem eine eigene IT-Abteilung für Schulen.

Durch das Förderprogramm „Digitalpakt Schule“ stehen dem Landkreis dafür rund 7,5 Millionen Euro zur Verfügung, rund 750.000 Euro muss der Kreis selbst beisteuern. Mit dem Geld sollen die Schulen so ausgestattet werden, dass „arbeitsfähiges WLAN in jedem Raum, Internet und die Nutzung digitaler Medien“ gewährleistet ist.

Rund 1.900 gebrauchte Business-Geräte hat der Landkreis aus eigenen Mitteln angeschafft und den Schulen in seiner Trägerschaft zur Verfügung gestellt. Außerdem Drucker, die Familien bei Bedarf ausleihen können, um Kindern das nötige Arbeitsmaterial für das Distanzlernen ausdrucken zu können. (mz)