Keine Duldung für Azubi Keine Duldung für Azubi aus Halberstadt:

Halberstadt - Jakub Ibrahimovics Hand ist schwitzig, als er die MZ-Redaktion betritt. Das liegt nicht nur an der Junihitze. Dem aus Bosnien stammenden Quedlinburger ist die Anspannung anzumerken. „Heute früh standen die Polizei und die Ausländerbehörde vor der Tür und wollten Yasin abschieben“, erklärt er atemlos.
Der 20-jährige Kurde Yasin Karacan, für ihn wie ein Neffe, wohnt in Halberstadt und sollte im April in die Türkei abgeschoben werden. Dort, so bangt der junge Mann, drohe ihm die Ermordung im Gefängnis, da er sich in sozialen Medien kritisch zu Präsident Erdogan geäußert und die kurdische Flagge gepostet habe.
Keine Duldung für Azubi Yasin Karacan: Ausbildung als Hotelfachmann in Aussicht
Dann wurde die Duldung bis Ende Juni verlängert. Der Grund dafür: Karacan, der im vergangenen Jahr in einem Imbiss in Quedlinburg arbeitete, hat eine Ausbildung als Hotelfachmann bei der Betriebsgesellschaft des Hotels Wyndham Garden in Quedlinburg in Aussicht. „Das steht jetzt alles auf der Kippe“, befürchtet Ibrahimovic, der den jungen Mann in dem Imbiss kennenlernte und sich seitdem dafür einsetzt, dass er bleiben darf.
Der Besuch der Beamten am Dienstag um 6.30 Uhr kommt nicht nur für Karacan und Ibrahimovic überraschend. Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Steppuhn wundert sich: „Ich habe geglaubt, dass wir auf einem guten Weg sind“, teilt er der MZ mit.
Steppuhn hatte Karacan bei dem Weg zu seinem Ausbildungsvertrag begleitet. „Er hat momentan auch keinen Reisepass und könnte gar nicht abgeschoben werden“, setzt der Politiker hinzu. „Da passt also einiges nicht zusammen.“
Keine Duldung für Azubi Yasin Karacan: Alle Anträge eingereicht
Um einen Reisepass hat sich Yasin Karacan jedoch bemüht - das habe die Ausländerbehörde gefordert. „Er hat ein Schreiben an das Konsulat der Türkei verfasst“, stellt Jakub Ibrahimovic klar. Eine Kopie des Antrags sei der Ausländerbehörde des Landkreises Harz ebenso zugegangen wie der Antrag auf Ausbildungsduldung. „Wir haben alle Mitwirkungspflichten erfüllt.“
Karacan fügt hinzu, er habe weiter Herzklopfen und Angst. Die Polizei hat ihn nicht angetroffen, weil er in jener Nacht bei einer Freundin schlief - nicht bei seiner Schwester, wo er angemeldet ist. „Sechs Männer haben das ganze Haus durchsucht“, gibt er die Beschreibungen seiner Schwester wieder.
Keine Duldung für Azubi Yasin Karacan: Minister gegen Abschiebung
Nachdem Andreas Steppuhn auf seine Frage an die Ausländerbehörde nach den Hintergründen des Amtsbesuchs keine Antwort erhalten hat, schickte er eine E-Mail an Landrat Martin Skiebe (CDU).
Darin berichtet er von Gesprächen mit Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) und der Integrationsbeauftragten Susi Möbbeck (SPD). „Beide haben mir bestätigt, dass Herr Yasin Karacan aufgrund des vorhandenen Ausbildungsplatzes und seiner Bemühungen, einen Reisepass zu erhalten, nicht abgeschoben werden dürfte“, schreibt Steppuhn.
„Im Land, und der Innenminister hat mir dieses soeben noch mal bestätigt, besteht Konsens darüber, dass es in derartigen Fällen eine Ausbildungsduldung gibt und nicht abgeschoben wird.“
Keine Duldung für Azubi Yasin Karacan: Antwort kommt am Donnerstag
Am Donnerstag erhielt die MZ eine Stellungnahme des Landkreises, der mitteilt: „Karacan ist laut Verfahren bei der Ausländerbehörde vollziehbar ausreisepflichtig.“ Laut Gesetz müsse die Abschiebung erfolgen. Da „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ bereits „konkret bevorgestanden“ hätten, könne eine Ausbildungsduldung nicht mehr erteilt werden.
Nun wird es ernst: Yasin Karacans Duldung läuft in der kommenden Woche aus. (mz)