Karate-Weltmeisterschaft Karate-Weltmeisterschaft: 200 Luftballons statt Pokal

Rieder/Ballenstedt/MZ - Der Boden ist von 200 Luftballons übersät, manche schweben mit der Aufschrift „Welcome Home“ im Zimmer von Marie-Josefine Richter. Blumen stehen auf dem Boden und der kleine Bruder Leon (9) hat Kuchen gebacken. „Was macht ihr mit mir?“, fragt die 16-jährige Gymnasiastin mit Tränen der Rührung in den Augen. Mit einem großen Pokal, wie schon so oft in ihrer Sportlerkarriere, kehrte Marie am Montagabend zwar nicht nach Hause zurück, doch den hatte auch niemand erwartet. Schließlich war die junge Karateka aus Rieder, die seit ihrem neun Jahren beim Yamakawa Karate Do Ballenstedt trainiert, das erste Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei gewesen.
„Mein Ziel war es, nicht in der ersten Runde auszuscheiden. Und das habe ich geschafft“, berichtet die selbstbewusste sympathische Athletin. Als Trophäe hat sie ein Teilnehmer-T-Shirt mitgebracht. Die 1 200 besten Karateka aus 89 Nationen waren in der letzten Woche für vier Tage in das spanische Guadalajara gekommen, um sich in der WM der Jugend und Junioren sowie dem Weltcup der U21 in den Disziplinen Kata (Formenlauf) und Kumite (Kampf) zu messen. Marie war von den Bundestrainern in das neunköpfige Kata-Nationalteam berufen worden. „Damit ist erstmals eine Teilnehmerin aus den Neuen Bundesländern bei einer WM dabei“, hob ihr Heim- und Landestrainer Alexander Löwe zuvor die Besonderheit hervor.
Nominierung für die EM im Februar 2014
„Sie hat sehr gute Leistungen gezeigt, so dass der Bundestrainer ihr die Nominierung für die EM im Februar 2014 zugesagt hat“, freute sich Löwe nun nach der Rückkehr. Nachdem Marie in der ersten Runde gegen eine junge Tschechin mit 4:1-Flaggen gewann, unterlag sie in der zweiten Runde gegen die spätere Vizeweltmeisterin aus der Slowakei mit 1:4. „Ich habe meine Fehler erkannt, und weiß, woran ich arbeiten kann“, sagt Marie.
Dreimal war sie schon Deutsche Meisterin geworden und durfte im vergangenen Jahr zum ersten Mal zu einer EM fliegen. Trotzdem war diesmal alles anders. Natürlich gab es im Vorfeld wochenlang von Montag bis Freitag dreimal Training im Verein, dazu kamen Trainingslager in Magdeburg und mit dem Nationalteam in Frankfurt/Main. „Allein schon die Teilnahme ist eine große Auszeichnung. Wenn dir bewusst wird, du bist die Beste aus Deutschland in deiner Kategorie und kannst mit den allen dort mithalten.“
Noch nie sei sie vor einem Start so aufgeregt gewesen. Beim Aufwärmen habe sie gesehen, dass die Konkurrentinnen auch „nicht schlecht“ sind. Da galt es, die Nerven zu behalten. Bundestrainer Efthimios Karamitsos coachte sie und beruhigte sie. Nach dem Ausscheiden sah sie den anderen zu und zeigte sich von den U21-Junioren beeindruckt. Die Japaner gewannen meist, auch wenn die Finalgegner nicht schlechter waren, schilderte Marie ihre Eindrücke. Da habe sie sich manches abgucken können.
„Kata ist eine Kopfsache"
Marie weiß, dass es machbar ist, sich bei der EM im Februar in Portugal noch weiter nach vorn zu arbeiten. „Kata ist eine Kopfsache, man muss in dem Moment alles abrufen.“ Während die Kumite-Kämpfer einen Fehler wieder ausbügeln können, bedeute ein Fehler bei der Demonstration der fünf selbst ausgewählten, im Ablauf aber vorgegebenen Katas, das Ausscheiden. „Einmal gewackelt, einmal den Fuß falsch aufgesetzt, dann war es das.“
Da es im Kumite in jeder Altersklasse drei bis fünf Gewichtsklassen gibt, konnten auch zwei Deutsche Weltmeister werden und zwei Bronze holen, so dass Deutschland in Spanien die fünftbeste Nation wurde. Vom WM-Land hat Marie zwar nicht viel gesehen, „aber die After-Show-Party in Madrid war toll.“ Trainer Alexander Löwe nennt Maries Willensstärke als ausschlaggebend für den Erfolg. Er selbst war von der Atmosphäre besonders beeindruckt. „Ich hatte seit langem mal wieder so ein Kribbeln gehabt und mitgefiebert.“
Maries Eltern Benno und Conny Richter sind stolz auf ihre Tochter. „Und ich wollte sie damals zur Feuerwehr überreden“, schmunzelt die Mutter. Leon, der kleine Bruder, nennt bei der Frage nach seinen Vorbildern stets die große Schwester und eifert ihr im Karateverein in Ballenstedt längst nach. Maries Ziel ist es, sich einen Namen zu erarbeiten, um in zwei Jahren bei der nächsten WM wieder dabei sein zu können. Und wer weiß, vielleicht wird Karate ja doch noch olympisch.
Fotos und Ergebnisse von der WM gibt es unter www.karate.de.