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Kampf gegen den Feind "Borkenkäfer"  Kampf gegen den Feind "Borkenkäfer" bei Straßberg: Die einzige Waffe der Soldaten ist das Schäleisen

Von Benjamin Richter 27.09.2019, 11:55
Sieben Stunden am Tag schlagen Soldaten bei Straßberg Äste von Bäumen und schälen die Rinde ab. Ein paar haben eine Kettensägen-Ausbildung.
Sieben Stunden am Tag schlagen Soldaten bei Straßberg Äste von Bäumen und schälen die Rinde ab. Ein paar haben eine Kettensägen-Ausbildung. Richter

Straßberg - Jetzt soll es die Armee richten: 30 Soldaten der Bundeswehr sind seit dieser Woche im Wald bei Straßberg im Einsatz. Für dessen Bewohner ist ihr Einsatz lebenswichtig, denn der Feind hat sich schon stark ausgebreitet. Bewaffnet sind die Helfer vom Militär aber nicht mit Gewehren, sondern mit Kettensägen, Äxten und Schäleisen. Denn der Feind, dem es an den Kragen gehen soll, ist der Borkenkäfer, und die zu rettenden Bewohner sind die Bäume in den Wäldern bei Harzgerode.

Das Waldstück, in dem die Soldaten im Einsatz sind, ist nicht so leicht zu finden. Deshalb fährt Oberstleutnant Thomas Poloczek im Dienstfahrzeug der Bundeswehr voraus. Von Straßberg aus geht es über den Mühlweg und das Zechenfeld in die freie Natur.

„Der Weg ist für normale Autos gerade noch so befahrbar“, sagt Poloczek, der die Strecke schon ganz genau kennt: An einer Stelle sind die Fahrspuren zu tief, er weicht deshalb aus und fährt auf dem erhöhten Mittelstreifen.

Kampf gegen den Feind „Borkenkäfer“: Unterwegs in Geländewagen

Die Soldaten, die in Quedlinburg einquartiert sind, sind besser vorbereitet: In ihren Geländewagen, deren Karosserien weit über dem Boden liegen, könnten sie sogar noch tiefer in den Wald hineinfahren.

Vor dem betroffenen Waldstück stellt der Oberstleutnant sein Auto ab, und es geht zu Fuß weiter. Wenige hundert Meter weiter sind Mitarbeiter des Landesforstbetriebs damit beschäftigt, Bäume zu fällen, an denen die Soldaten anschließend den Käfern den Garaus machen sollen.

Bei Harzgerode sind vor allem Fichten und Kiefern vom Borkenkäferbefall betroffen, fügt Thomas Poloczek hinzu. Dann stapft er über eine Wiese am Waldrand weiter zu den Kameraden, die sich den langen Einsatztag nicht anmerken lassen.

Kampf gegen den Feind „Borkenkäfer“: Zwangspause wegen Regen

Seit acht Uhr schlagen und schneiden sie mit Äxten und Motorsägen Äste von den gefällten Baumstämmen und entfernen mit Schäleisen die Rinde. Die Motorsägen besitzt die Bundeswehr selbst, den Rest stellt das Landeszentrum Wald zur Verfügung.

Inzwischen ist es nach 14 Uhr. Zwei Mal mussten die Soldaten der Logistikbataillone 171 und 172 aus Burg und Beelitz zwischendurch Pause machen, weil es regnete. Den herbstlichen Temperaturen trotzen einige von ihnen in der Jacke, andere im olivgrünen Bundeswehr-T-Shirt. Darüber tragen sie gelbe oder orangefarbene Warnwesten.

Thomas Poloczek hebt ein Stück Rinde vom Boden auf, das einer der Kameraden zuvor von einer Fichte geschabt hat. „Hier sieht man alle Entwicklungsstadien des Borkenkäfers“, erklärt er und zeigt auf Eier, Larven und voll ausgebildete Käfer.

Kampf gegen den Feind „Borkenkäfer“: Von 210 Hektar Wald sind nur noch etwa 50 Hektar gesund

Rund um Straßberg, merkt der Oberstleutnant an, habe sich der Borkenkäfer besonders eifrig eingenistet: Von 210 Hektar Wald seien nur noch etwa 50 Hektar gesund. Mario Knappe, ebenfalls Oberstleutnant und gleichzeitig forstfachlicher Betreuer der Soldaten, macht dafür mehrere Umstände verantwortlich: „Dazu haben die Trockenheit und Hitze der letzten Sommer beigetragen, aber auch Stürme, allen voran ,Friederike‘.“

Die geschwächten Bäume könnten den Käfern nichts mehr entgegensetzen, so dass diese sich rasant ausbreiten. „Diese Situation hat sich auch dadurch aufgebaut, dass die Forstverwaltung nicht genug eigenes Personal hat.“

Von 15 gefällten, entasteten und geschälten Bäumen, die die Kameraden der Bundeswehr nach einem Arbeitstag vorweisen können, könnten Förster sonst nur träumen.

Aber ist das schnell genug, um den Wettkampf gegen den Borkenkäfer zu gewinnen? „Ich werde oft gefragt, ob das Borkenkäferproblem nach dem Einsatz weg ist“, sagt Mario Knappe. „Aber um das zu schaffen, müssten wir mit Tausenden Soldaten im Einsatz sein.“

Kampf gegen den Feind „Borkenkäfer“: Kälte und Regen als Helfer

Ähnlich sieht es Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise (CDU). „Es ist am Ende ein Kampf gegen eine Naturgewalt, den man nicht gewinnen kann“, schätzt er ein. Es sei ein „gewaltiges“ Volumen an Holz betroffen. Im Harzgeröder Gebiet, so Weise, liege der Schaden zwischen 2.000 und 2.500 Festmetern Holz.

„Es gibt nur eins, was uns helfen würde“, ist sich der Rathauschef sicher, „und das sind Kälte und Regen.“ Bei solchem Wetter fliege der Borkenkäfer nicht mehr aus. Weise hofft, dass sich das Land entscheidet, den Einsatz über den 11. Oktober hinaus zu verlängern.

Wenn die Baumstämme geschält sind, werden sie „portioniert“, also in einer Länge zersägt, in der sie gut aus dem Wald geholt werden können. Die Rinde, in der der Borkenkäfer sitzt, verbrennen die Soldaten und haben die belasteten Stücke dazu bereits zu kleinen Haufen aufgeschichtet. „Polizei und Feuerwehr sind benachrichtigt“, erklärt Thomas Poloczek. „Da verliert also keiner die Nerven, wenn es hier mal ein bisschen qualmt.“ (mz)

Am Fraßbild lässt sich erkennen, wie sich der Borkenkäfer durch die Rinde frisst.
Am Fraßbild lässt sich erkennen, wie sich der Borkenkäfer durch die Rinde frisst.
Richter