Schielo Im Wohn- und Pflegeheim Haus Einetal Schielo wird schon Weihnachten vorbereitet: Werkstatt-Arbeit als Therapie

Schielo - Es riecht nach Holz. Die Männer sägen, schleifen – und sie schichten. Schindeln. Hunderte, wenn nicht gar Tausende sind es; sie werden jetzt erst mal in Kisten zwischengelagert, warten auf ihre Weiterverarbeitung. Die Futterhäuser, die hier, in der Holzwerkstatt des Wohn- und Pflegeheims Haus Einetal in Schielo unter anderem gebaut werden, werden damit eingedeckt.
Nebenan überträgt Arbeitstherapie-Anleiter Ronny Riesche gerade eine Vorlage auf ein Stück Holz, schneidet es grob zu. Das will mal ein Schwibbogen werden. Schwibbögen entstehen hier in vielfältigsten Variationen, kleine und große, eindimensionale, welche mit mehreren Ebenen.
Kein Schwibbogen gleicht dem anderen, jeder ist ein Unikat und „selbst entworfen“
„Alle selbst entworfen“, sagt Riesche. Und keiner der Lichtbögen gleicht einem anderen. Sie entstehen, je nach Fertigkeiten, in oft wochenlanger Handarbeit – und zwar noch mit echter Laubsäge, nicht etwa mit Hilfe einer sogenannten Dekupiersäge, also einer elektrisch betriebenen, oder gar mit Lasersäge.
Schon seit Wochen läuft die Weihnachtsproduktion auf Hochtouren. Als der Harz noch unter der Sommerhitze ächzte und das Haus Einetal – wie jedes Jahr – zum Sommerfest einlud, wurde hinter den Kulissen die Weihnachtszeit eingeläutet.
Die Arbeit in der Werkstatt gehört neben psychologischer, psychotherapeutischer und ergotherapeutischer Betreuung zur Therapie. Das sei Teil des Konzepts. Die Patienten, die Einrichtungsleiterin Karin Steinberg als Hausgäste bezeichnet, „weil sich das schöner anhört“, gingen lieber „auf Arbeit“ als in die Therapie.
Die Arbeit in der Werkstatt ist Teil der Therapie im Haus Einetal
Im Haus Einetal leben im Wohn- und Pflegeheim rund 150 Bewohner. Sie sind geistig behindert, haben Suchterkrankungen – Alkohol, Medikamente, Drogen – oder sind psychisch krank. Nicht selten kommt mehreres zusammen, bedingt das eine das andere.
Es gebe kaum jemanden, der nicht schon Erfahrung mit psychologischen Betreuungseinrichtungen habe, ehe er nach Schielo komme, sagt Steinberg, die die Geschicke zusammen mit Rolf Weber leitet.
2008 haben sie die Einrichtung übernommen, strickten in der Folge auch das Therapieangebot um. Es gehe darum, den Menschen ihre Würde und Selbstbestimmung zurückzugeben, dem Tag Struktur verleihen, ihnen eine sinnvolle Aufgabe zu übertragen.
Es gehe darum, den Patienten ihre Würde und Selbstbestimmung zurückzugeben
„Wir möchten nichts entstehen lassen, was man hinterher in den Papierkorb wirft“, erklärt Steinberg. Das wäre respektlos jenen gegenüber, die viele Jahre gearbeitet hätten und dann krank geworden seien, findet sie. Man könne sie nicht den ganzen Tag Mandalas ausmalen lassen - „Was soll das mit dem Selbstwert machen?“
Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es daher viele, nicht nur in der Holzwerkstatt: im Garten, im Park, in der Wäscherei ... Auch ein eigener Hauspostdienst wurde eingeführt. Darüber hinaus würden die Hausgäste auf ein selbstständiges Leben vorbereitet – für den Fall, dass sie eines Tages wieder auf eigenen Beinen stehen können. Einkaufen, kochen, waschen – all das werde trainiert, sagt Katrin Steinberg. Dazu kommen diverse Freizeitangebote.
Manch einer schafft den Sprung zurück in die Häuslichkeit – oder in eine Wohnform wie das Betreute Wohnen. Andere bleiben viele, viele Jahre, verbringen ihren Lebensabend in Schielo. Das Haus ist auch Pflegeheim, „aber kein normales“, die Bewohner, die betreut würden, seien verhaltensauffällig. Etwas mehr als 40 Plätze gibt es, ebenso eine palliative Betreuung.
Verkauft werden Schwibbögen, Futterhäuser und andere Dekoartikel
Die Regale sind gut gefüllt. Verkauft werden Schwibbögen, Futterhäuser und andere Dekoartikel, die dieser Tage in Schielo gebaut werden – zu erschwinglichen Preisen. Auf verschiedenen Weihnachtsmärkten in der Region und beim Advent in den Höfen in Molmerswende gab es im vergangenen Jahr Holzdeko made in Schielo, und natürlich wird auch auf dem hauseigenen Markt verkauft.
Der findet in diesem Jahr am 4. Dezember statt. Der Erlös fließe, wie Steinberg sagt, zurück in die Werkstatt, um Material anzuschaffen, oder er komme den Hausgästen unmittelbar zugute, indem etwa Ausflüge finanziert würden.
In der Holzwerkstatt arbeiten die Männer zurzeit zu acht - ein eingeschworenes Trüppchen zwischen filigranen Sägearbeiten und flachsigen Bemerkungen -, das mit Herzblut bei der Sache ist. Einer von ihnen ist Uwe Breier.
Er kam nach Schielo, als Deutschland 2006 Gastgeber der Fußball-WM war. Mit der Laubsäge hat er sich gerade an eine besonders feine Vorlage gemacht. „Da kann immer mal was abbrechen“, sagt er. Dann könne man das Werkstück im besten Fall retten. Und wenn nicht, müsse man eben noch mal neu anfangen. (mz)
