Proteste halfen nichts Harzsparkasse schließt wie angekündigt Filiale in Neinstedt Stadt Thale: Proteste der Evangelischen Stuftung halfen nichts

Neinstedt - Es ist 15.58 Uhr am Freitag, 13. Dezember, als der letzte Kunde die Filiale verlässt und sich mit einer wegwerfenden Handbewegung von ihr entfernt. Zwei Minuten später zieht ein Mitarbeiter die Plissees an allen Fenstern herunter - und die Geschäftsstelle der Harzsparkasse in Neinstedt ist Geschichte.
Hinter der Evangelischen Stiftung Neinstedt und der Harzsparkasse liegen Wochen der Gespräche, der Verhandlungen und des Ringens. Wenigstens ein Geldautomat, so das vom stellvertretenden Ortsbürgermeister Heiko Marks (Bürger für Neinstedt) ausgegebene Minimalziel, sollte auf dem Gelände der Stiftung aufgestellt werden.
Evangelische Stiftung und Ortsbürgermeister hatten mit der Harzsparkasse verhandelt
Allein, es kommt nicht dazu: Die Sparkasse stellt Berechnungen an und erkennt, dass die Mindestanzahl von Geldabhebungen, ab der sich ein Automat im Ort lohnen würde, in Neinstedt nicht erreicht wird. So schildert es Stiftungsreferent Andreas Damm. „Es war kein Kompromiss möglich, ganz egal, ob der Automat bei der Stiftung oder im öffentlichen Raum aufgestellt worden wäre“, sagt er.
Es gilt, was Sparkassen-Sprecher Sascha Neuhäuser vor Wochen gegenüber der MZ angekündigt hatte: Neinstedt soll in Zukunft durch einen Sparkassenbus versorgt werden und dessen 37. Haltestelle im Kreis werden. An zwei Tagen in der Woche haben die Neinstedter dann für jeweils 90 Minuten die Chance, sich Bargeld zu besorgen und Überweisungen zu tätigen.
Neinstedt soll in Zukunft durch einen Sparkassenbus versorgt werden
„Das ist aus unserer Sicht ein Schritt zurück“, stellt Andreas Damm klar. Der Pressereferent der Evangelischen Stiftung erinnert an den Vortrag des Inklusionsaktivisten Raul Krauthausen beim Jahresempfang im November.
Darin hatte der Berliner davon berichtet, was passiere, wenn man am Eingang einer Filiale der Deutschen Post in seinem Wohnbezirk auf den Rollstuhl-Knopf drücke: „Dann kommt jemand raus und baut vor der Tür einen kleinen Schalter auf.“ So, betont Andreas Damm, sehe gelebte Inklusion nicht aus.
Und doch wird es bei dem Sparkassenbus ab der kommenden Woche wohl ähnlich ablaufen: Die Natur des Fahrzeugs bedingt, dass es nicht barrierefrei gestaltet werden kann. Momentan, beziffert der Referent für Pressearbeit, wohnen 408 Menschen mit Behinderung bei der Evangelischen Stiftung.
„Unsere Arbeit ist darauf ausgelegt, Teilhabe zu ermöglichen“, fügt Damm hinzu. „Wir möchten die Menschen auf dem Weg dahin fördern, ein selbstständiges Leben zu führen. Das kann jedoch nur gelingen, wenn die Hürden nicht so hoch gelegt werden.“
Stiftungsreferent Damm: Behinderte sollen lernen, selbstständig Geld abzuheben
Es liege in der Natur der Sache, dass man selbstständig Geld abheben können müsse, um selbstständig einkaufen zu können. Weil der erste Schritt hierbei in Neinstedt passiere, nütze es nichts, wenn es in Thale und in Quedlinburg barrierefreie Geschäftsstellen gebe.
Gleichzeitig, merkt der Stiftungsreferent an, erkenne man in der Einrichtung, dass die Zinspolitik als globales Problem die Harzsparkasse vor eine Herausforderung stelle. „Es geht hier ja nicht darum, die Sparkasse zu verteufeln“, erklärt er.
Im Gegenteil profitiere man von der Zusammenarbeit mit der Bank, etwa in Form des Fördergelds der Stiftung der Kreissparkasse Quedlinburg für das jährliche Musikfestival der Neinstedter Stiftung. „Auf der anderen Seite hat die Sparkasse aus unserer Sicht eine Aufgabe, und zwar die, allen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zu geben, an Zahlungsmittel, also an Geld, zu kommen.“
Damm wünscht sich, dass dder Kreistag die Behindertenrechtskonvention der UN umsetzt
Letztlich, so Damm, herrsche bei der Stiftung über die Entwicklung vor allem Enttäuschung - aber nicht so sehr über die Harzsparkasse wie über die Politik auf Kreisebene. „Eigentlich müsste die Politik hier handeln und einspringen“, sagt der Pressereferent.
Er wünscht sich, dass der Kreistag die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen konsequent umsetzt. Dass das gelingen könne, sei im Landkreis Harz beim Bau von neuen Bushaltestellen unter Beweis gestellt worden. „Wenn die Harzsparkasse unter wirtschaftlichem Druck steht und sich zurückzieht, dann muss dieses Defizit politisch ausgeglichen werden.“
Positiv vermerkt die Evangelische Stiftung, dass sich das Kreisparlament im kommenden Jahr mit einem kommunalen Handlungskonzept auseinandersetzen will. „Dass Inklusion Geld kostet, ist klar“, ergänzt Andreas Damm. Die Stiftung, die derzeit den Marienhof zu einem Ferienobjekt für behindertengerechten Urlaub umgestalte, wisse das nur zu gut.
Ortsbürgermeister Detlev Knust sieht die Sache pragmatisch
Ortsbürgermeister Detlev Knust (Bürger für Neinstedt) sieht das Ende der Sparkassenfiliale in seinem Ort pragmatisch: „Wir müssen es so hinnehmen, wie es ist.“ Allen sei bekannt, dass die Sparkasse nicht nur im Landkreis Harz in großen Schwierigkeiten stecke. Das werde sich, solange die Zeit der Niedrig- und Negativzinsen andauere, auch nicht ändern. „Die Neinstedter müssen sich jetzt an die neue Situation gewöhnen“, sagt Knust. (mz)