1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Harz
  6. >
  7. Geschäftsübergabe : Geschäftsübergabe in Dankerode: Nahkauf bleibt in Familienhand

Geschäftsübergabe  Geschäftsübergabe in Dankerode: Nahkauf bleibt in Familienhand

Von Sabine Herforth 14.01.2017, 13:45
Nach 56 Jahren im Geschäft übergibt Bärbel Schmidt (rechts) die Leitung an Tochter Silvia Alwast ab. Den gelungenen Wechsel im Familienunternehmen feiern sie mit Ehemann und Vater Manfred Schmidt.
Nach 56 Jahren im Geschäft übergibt Bärbel Schmidt (rechts) die Leitung an Tochter Silvia Alwast ab. Den gelungenen Wechsel im Familienunternehmen feiern sie mit Ehemann und Vater Manfred Schmidt. Chris Wohlfeld

Dankerode - Nahezu im Minutentakt betreten Kunden den Nahkauf in Dankerode. Für jeden von ihnen hält Bärbel Schmidt eine herzliche Begrüßung bereit.

Nach 56 Jahren hat sie nun den Staffelstab an ihre Tochter Silvia Alwast weitergegeben, die künftig die Leitung des Nahkaufs übernimmt. Damit wird das seit 106 Jahren bestehende Geschäft in vierter Generation weitergeführt.

„Ich habe 1960 hier angefangen“, erzählt Bärbel Schmidt. Damals begann sie mit einer Ausbildung in dem Laden ihres Schwiegervaters Alfred Schmidt, machte später eine Weiterbildung zur Fremdarbeiterin und schließlich zur Verkaufsfachangestellten. „Es machte mir wirklich Spaß, das Vielseitige“, sagt die 72-Jährige.

Einfach immer weitergemacht

1979 übernahm sie die Leitung - für 37 Jahre. Sie habe einfach immer weiter gemacht, so die 72-Jährige zufrieden. In über 50 Jahren erlebte sie mit ihrer Familie allerdings eine Menge in dem Geschäft. Die Geschichten werden heute noch gern am Kaffeetisch erzählt.

So hatte ihr Schwiegervater bereits dafür gesorgt, dass im Dorf und der Umgebung jeder wusste: „Fredie Schmidt besorgt alles.“

 Wohlfeld

Die Familie hat einige besondere Stücke in ihrem Fundus, die aus früheren Geschäftsjahren stammen. Mit einem spiegelförmigen Gerät konnten Kunden sich beispielsweise einen Eindruck davon verschaffen, wie Stoffe nach dem Verarbeiten wirken können, wie Silvia Alwast am Pullover ihrer Mutter demonstriert.

Was die Leute wollten, wurde aufgetrieben

Was immer die Leute wollten, wurde aufgetrieben. „Wir haben alles organisiert, und das machen wir heute noch“, erzählt Bärbel Schmidt. Neben Gurken, Brötchen und Konserven bekamen ihre Kunden auf Wunsch auch Möbel, Schuhe oder Fernsehapparate.

„Fahrräder haben wir selbst zusammengebaut“, erinnert sich die 72-jährige und lacht. „Das Größte war ein Motorrad mit Beiwagen“, erinnert sich auch ihr Ehemann Manfred Schmidt bestens an diese turbulenten Zeiten. Wo heute Obst und Gemüse lagern, waren einst Dutzende Stoffbahnen zur Auswahl gestapelt. Die Elle, mit der ausgemessen wurde, hat die Familie noch immer.

Die Ausflüge bestens in Erinnerung

„Wir sind sogar bis Quedlinburg gefahren und haben dort Fußbodenbelag verkauft“, erzählt sie. Auch Tochter Silvia Alwast hat diese Ausflüge noch bestens in Erinnerung, als ihr Großvater den Anhänger vollpackte und es los ging.

Wenn im Sommer Bier und Fassbrause zur Neige gingen, machte sie sich mit ihm auf den Weg nach Wippra, um für Nachschub zu sorgen. „Das kann sich heute keiner mehr vorstellen“, sagt sie. In den Hochzeiten waren hier bis zu neun Angestellte beschäftigt.

Nicht immer lief alles glatt

Doch es gab auch Phasen, in denen nicht alles glatt lief. Als gerade das Dach erneuert wurde, sorgte ein verstopfter Gulli für ein kleines Desaster. „Das Wasser lief durch das neue Lager bis in den Laden“, sagt Silvia Alwast, die heute über den Vorfall lachen kann.

Ein anderes mal war die Heizung im Schuhlager nicht richtig entlüftet worden. Als dann jemand den Regler betätigte, gab es eine kleine Schweinerei - alle Kartons bekamen etwas ab.

Über ein halbes Jahrhundert, nachdem sie das erste Mal einen Fuß in das Geschäft setzte, gibt sie die Verantwortung nun an ihre Tochter weiter. Auch sie geht mit Herzblut an die Arbeit. Nicht zuletzt deshalb ist der Nahkauf im Ort kaum wegzudenken.

Manfred Kroll: Schließung wäre ein Verlust

Auch Ortsbürgermeister Manfred Kroll betont, wie bedeutend der Laden für Dankerode sei. Eine Schließung wäre ein großer Verlust. „Dass er erhalten bleibt, ist für uns sehr wichtig“, so Kroll.

„Ich sehe den Laden nicht nur als Einkaufsmöglichkeit“, sagt Silvia Alwast. Über die Jahre habe sich in dem Dorf einiges verändert. Wo sich die Einwohner früher nahezu täglich zu einem Plausch trafen, blieben die Bänke heute oft leer. Veranstaltungen wurden im Laufe der Zeit und mit dem Wegzug vieler Dankeröder weniger.

Ein Stück heile Welt bleibt erhalten

Mit dem Nahkauf bleibt ein Stück heile Welt erhalten. „Deswegen denke ich, ist er auch als Kommunikations- und Treffpunkt wichtig.“ Die Menschen würden ganz bewusst den Kontakt suchen „und auch mal Sorgen hierlassen“. Welchen Stellenwert sie im Ort haben, wurde Bärbel Schmidt vor allem beim großen Jubiläumsfest bewusst. „Als wir 100-Jähriges gefeiert haben, war das ein richtiges Volksfest. “

Für sie sei es immer eine Motivation gewesen, Anlaufpunkt für die älteren Menschen in Dankerode zu sein und sie mit Lebensmitteln und anderen Waren zu versorgen, so Schmidt. „Deswegen möchte unsere Tochter es auch weiterführen“, fügt sie an.

Vor allem für die Treue ihrer Kunden sei sie dankbar - nicht umsonst kennt sie jeden, der ihren Laden betritt mit Vornamen. „Ich wünsche mir, dass sie diese Treue bei meiner Tochter weiterführen.“

Mit dem Haus aufgewachsen

Die 50-Jährige verbindet mindestens so viel mit dem Laden, wie ihre Mutter. „Ich bin in dem Haus aufgewachsen“, erzählt sie. Damit das Geschäft zukunftsfähig bleibt, will sie einiges verändern. „Ich bin am Planen, den Laden anders zu gestalten“, so Alwast, die nun täglich von Wippra nach Dankerode pendelt.

Unter anderem will sie nur noch mit einer Kasse arbeiten und eine große zusammenhängende Ladenfläche schaffen, um die Abläufe effizienter zu gestalten. Derzeit gibt es noch zwei getrennte Bereiche. Durch eine räumliche Umstrukturierung sollen künftig alle Verkaufsräume beieinander liegen. Vollendet wird der Neubeginn mit einem neuen Namen: Aus dem Nahkauf Schmidt wird dann Silvias Frischemarkt.

****************************************

Die Großeltern von Manfred Schmidt eröffneten 1910 das ihr Geschäft in Dankerode - damals noch auf der anderen Straßenseite, gegenüber dem heutigen Nahkauf. Als die Räume nicht mehr ausreichten, kaufen Emil Schmidt und sein Sohn Alfred das Grundstück gegenüber und errichteten zwischen 1949 und 1950 ein zweistöckiges Geschäftshaus. Am 15. Januar 1951 folgte die Eröffnung eines Industriewarenladens.

Ab Oktober 1953 wurde aus dem HO-Laden ein Konsum mit einem vielseitigen Angebot. Lebensmittel gehörten damals aber noch nicht zum Sortiment. Um die mangelnde Versorgung zu verbessern, wurde 1955 ein Anbau eröffnet - das Geschäft trug nun den Namen „Konsum - Landkaufhaus“. Erst jetzt wurde das Geschäft gegenüber geschlossen, und Emil und Ilda Schmidt zogen sich zurück. Ein weiterer Anbau folgte 1968, um den Lebensmittelbereich zu vergrößern. 1979 übergab Alfred Schmidt die Leitung an seine Schwiegertochter Bärbel.

Nach der Wende, 1990, sorgte der Rewe-Konzern für weitere umfangreiche Änderungen, nachdem dieser sich in den Konsumkreisverband Quedlinburg eingekauft hatte. So wurde aus dem Konsum ein reines Lebensmittel- und Fleischergeschäft. Durch Insolvenz des Konsums übernahm Rewe den Laden schließlich gänzlich, Bärbel Schmidt blieb aber die Marktleiterin. 1995 nutzte sie die Gelegenheit, das Geschäft wieder zu privatisieren. Mit Silvia Alwast übernimmt nach 106-jährigem Bestehen nun die vierte Generation die Geschäfte. (mz)

Die Familie hat einige besondere Stücke in ihrem Fundus, die aus früheren Geschäftsjahren stammen. Mit einem spiegelförmigen Gerät konnten Kunden sich beispielsweise einen Eindruck davon verschaffen, wie Stoffe nach dem Verarbeiten wirken können, wie Silvia Alwast am Pullover ihrer Mutter demonstriert.
Die Familie hat einige besondere Stücke in ihrem Fundus, die aus früheren Geschäftsjahren stammen. Mit einem spiegelförmigen Gerät konnten Kunden sich beispielsweise einen Eindruck davon verschaffen, wie Stoffe nach dem Verarbeiten wirken können, wie Silvia Alwast am Pullover ihrer Mutter demonstriert.
 Wohlfeld