Geduldsprobe am Gleis Musestieg Geduldsprobe am Gleis Musestieg: Der Stau ist technisch vorprogrammiert

Thale - Gang einlegen, runter von der Bremse, Kupplung kommen lassen. Der Zug ist gerade durchgefahren, gleich rollt der Verkehr wieder. Doch was ist das? Die Schranke bleibt ganz unbeeindruckt auf der Stütze liegen.
Weitere Minuten verstreichen, drei sind es laut einem MZ-Leser, die vergehen, bevor sich die Schranken endlich heben. Der Thalenser hat die MZ-Redaktion auf das Phänomen aufmerksam gemacht, das am Bahnübergang Musestieg tagsüber zweimal in der Stunde zu beobachten ist. Was ist der Grund für die außergewöhnlich lange Wartezeit?
Geduldsprobe am Gleis Musestieg: Weichenwärter muss Signal geben
Dass Autofahrer an dieser Stelle mehr Geduld mitbringen müssen als andernorts, hat eine technische Ursache, erläutert Holger Auferkamp. Er ist Pressesprecher der Deutschen Bahn für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, und die Bahn zeichnet für den Betrieb der Anlagen an Bahnübergängen verantwortlich - auch wenn auf den Gleisen mittlerweile Züge des Unternehmens Abellio rollen.
Demnach müssen die Schranken zunächst geschlossen werden, bevor der Weichenwärter das Signal an den Lokführer für die Ausfahrt aus dem Bahnhof Thale geben kann.
„Erst dann kann der Fahrdienstleiter seine Fahrstraße festlegen, damit sind die Weichen, Signale und Schranken in der Fahrstraße des Zuges unter Verschluss und nicht mehr bedienbar“, verdeutlicht Auferkamp.
Erst nach diesem Schritt kann der Lokführer dem Weichenwärter signalisieren, dass der Zug den Bahnhof verlässt. Dann kann der Zug abfahren.
Geduldsprobe am Gleis Musestieg: Kontaktschalter soweit entfernt, wie die längste Länge einer Zuges
Wenn der Zug aus der anderen Richtung, von Quedlinburg, kommt, muss er erst einen in den Gleisen installierten Kontakt befahren, bevor der Lokführer die „Fahrstraße auflösen“ und damit das Signal geben kann, dass die Schranken wieder geöffnet werden können. Auch Weichen lassen sich erst dann wieder verstellen.
Dann dauert es noch einmal eine kurze Zeit, bis der Weichenwärter die Schranke wieder öffnet. „Der Kontaktschalter ist vom Bahnübergang so weit entfernt, wie der längste dort verkehrende Zug lang ist“, schildert Auferkamp.
Nur so könne sichergestellt werden, dass die Schranken nicht zu früh geöffnet würden. „Das ist nötig, um die Sicherheit für alle zu gewährleisten.“
Geduldsprobe am Gleis Musestieg: Keine andere Verfahrenweise möglich
Derzeit sei daher keine andere Verfahrensweise möglich, merkt der Bahnsprecher an. „Die Sicherheit hat oberste Priorität.“ Mit Kontaktschaltern arbeite die Bahn auch an einigen anderen Übergängen, viele sind ihm zufolge auch mit Zeitschaltern ausgestattet, bei denen sich die Schranken nach einer bestimmten, festgelegten Zeit wieder heben.
Doch wenn die Schranken länger unten bleiben, verstreichen wertvolle Minuten. Wenn etwa Krankenwagen länger stehen müssen, können Menschenleben von der Schließzeit abhängen. Stellt das Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben in Quedlinburg längere Anfahrtszeiten der Retter aus Thale fest?
„In der Notaufnahme merken wir davon nichts“, teilt Klinikumssprecher Tom Koch auf MZ-Anfrage mit. Notärzten des Krankenhauses, die regelmäßig in Rettungswagen mitfahren, sei die Strecke über die Gleise in Thale nicht als Route bekannt, auf der es häufig zu Beeinträchtigungen kommt. „Wenn die Rettungswagen an einer Schranke stehen, geben sie das sofort bei der Leitstelle an“, führt Koch aus.
Eine Häufung von Meldungen aus Thale sei gleichfalls nicht festzustellen. Die Verantwortlichen des Rettungsdienstes beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Regionalverband Altkreis Quedlinburg, wollten sich zu dem Sachverhalt nicht äußern. Der ASB-Regionalverband ist für den Rettungsdienst in Thale zuständig. (mz)