Beatmung, Isolierstationen, Schleusen Alle Covid-19-Patienten im Harz werden in Lungenklinik Ballenstedt versorgt: Harzklinikum und Ameos kooperieren

Ballenstedt - „Im Moment sind wir auf Stufe 1. Ich hoffe, das bleibt so“, sagt Dr. Kathrin Conrad. Die kommissarische Chefärztin der Lungenklinik Ballenstedt blickt auf das fünfstufige Handlungskonzept, das der Pandemiestab des Landkreises Harz für die Versorgung von Covid-19-Patienten entwickelt hat (siehe Infokasten).
Das Besondere daran und nach Ansicht von Landrat Martin Skiebe (CDU) einmalig in Sachsen-Anhalt: Das Harzklinikum mit seinen Standorten in Quedlinburg und Wernigerode sowie der Lungenklinik Ballenstedt arbeitet eng mit dem Ameos-Klinikum in Halberstadt und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zusammen. Die Strukturpläne umfassen auch den Bereich der in der KV organisierten niedergelassenen Ärzte.
Man habe sich relativ frühzeitig über Eigentümer- und Trägerfragen hinweg verständigt, „so dass wir sehr viel gemeinsam auf den Weg bringen konnten“, sagt Skiebe, der das Konzept am Dienstag gemeinsam mit Vertretern der Kliniken und der Kassenärztlichen Vereinigung in Ballenstedt vorgestellt hat.
Alle Covid-19-Patienten aus der Region werden in der Lungenklinik Ballenstedt versorgt
Demnach sollen zunächst alle Covid-19-Patienten in der Lungenklinik Ballenstedt versorgt werden. Gibt es weiteren Kapazitätsbedarf, nehmen das Ameos-Klinikum in Halberstadt sowie das Harzklinikum in Quedlinburg und Wernigerode sowie Blankenburg solche Patienten auf.
Bei weiteren Expansionsstufen ist vorgesehen, in diesen Fällen auch die Versorgungskapazitäten von Einrichtungen wie dem Diakonie-Krankenhaus Harz in Elbingerode, der Paracelsus Harz-Klinik in Bad Suderode, dem Celenus Teufelsbad in Blankenburg und der Evangelischen Stiftung Neinstedt in Thale zu nutzen. Es wurde festgelegt, dass Kliniken und Einrichtungen täglich die Behandlungskapazitäten an den Pandemiestab melden.
Bei der Erstellung des Stufenplans habe man sich darauf gestützt, dass die Lungenklinik Ballenstedt die Kernkompetenz habe, so die Chefärztin. Allerdings sei Covid-19 völlig anders als andere Atemwegsinfektionen und auch keine klassische Lungenentzündung. Da die Klinik jedoch generell infektiöse Lungenerkrankungen, auch Tuberkulose, behandele, sei sie mit Isolationsmaßnahmen vertraut.
Weitere Kliniken im Harz stehen für den Notfall bereit, sollte sich die Pandemie verschärfen
„Wir haben die Möglichkeit, Isolierstationen einzurichten, auch Schleusenzimmer. Wir können ganze Bereiche isolieren.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass die Lungenklinik bei der Belieferung mit technischer Ausrüstung - Überwachungsmonitore etwa oder Beatmungsmaschinen - Priorität habe.
40 Betten für Corona-Patienten seien „jederzeit belegbar“, sagt Conrad. Derzeit werden vier Corona-Patienten in der Lungenklinik behandelt, zwei von ihnen werden intensivmedizinisch betreut.
„80 Prozent der Covid-19-Patienten werden ambulant behandelt“, betont die Chefärztin. Bei ihnen zeige die Krankheit leichte bis mittelschwere Verläufe. Es seien Strukturen dafür geschaffen worden, dass die Behandlung derart erfolgen könne.
Die Fieberzentren in Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode würden nicht nur Abstriche vornehmen, sondern auch medizinische Untersuchungen, betont Henrik Straub, Allgemeinmediziner und Kreisstellensprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie seien mit den Hausärzten verbunden, die „einen Großteil der Diagnostik“ vornehmen.
„80 Prozent der Covid-19-Patienten werden ambulant behandelt“, sagt Chefärztin Kathrin Conrad
Viele Praxen seien in ihrer Organisation so umgestellt worden, dass eine zeitliche und räumliche Trennung von Covid-19-Patienten und solchen mit anderen Beschwerden erfolgen kann. „Solange wir es schaffen, dass 80 Prozent der Covid-19-Patienten ambulant behandelt werden, sind wir auf einem guten Weg“, betont Straub.
Das Konzept lasse sich stufenweise erweitern, sagt Professor Klaus Begall, Ärztlicher Direktor des Ameos-Klinikums in Halberstadt. So könnten auch Patienten behandelt werden, die neben Covid-19 gynäkologische, HNO- oder andere Erkrankungen haben. „Bei einer Nierenkolik und Covid-19 wäre die urologische Klinik die Anlaufstelle“, nennt Begall ein Beispiel.
„Wir sind aufgefordert, Konzepte vorzubereiten, die sich jeden Tag bewähren müssen“, sagt Peter Redemann. Der Geschäftsführer des Harzklinikums betont die „vom ersten Tag an sehr gute Zusammenarbeit“ der Einrichtungen, die sich gegenseitig unterstützten, beispielsweise auch bei der Ausstattung mit Masken und Schutzkleidung.
„Schwerstarbeit unter Schutzkleidung und Masken“
Ärzte und Pfleger seien nach wie vor motiviert, sagt Conrad. Auch wenn es schwer sei, im Isolierbereich mit Schutzkleidung zu arbeiten: Es sei warm, stickig, beim Tragen von Maske und Visier bekomme man schlecht Luft. „Das ist zum Teil Schwerstarbeit.“ Nach zwei, maximal drei Stunden müsse das Personal deswegen gewechselt werden.
Angesprochen auf die von der Politik beschlossenen Lockerungen sagte die Chefärztin, dass ein Anstieg der Infektionen zu befürchten sei. „In 14 Tagen können wir abschätzen, wohin es geht.“ Maskenschutz sei gut, aber sie befürchte, dass er dazu verleiten könne, sorgloser mit der Situation umzugehen. Die Abstandsregeln einzuhalten, sei grundlegend, ergänzt Klaus Begall. (mz)