Lynyrd Skynyrd in Halle Ausritt der letzten Rebellen: Der Zeitgeist hat Hausverbot
Die Band Lynyrd Skynyrd hat immer wieder harte Schicksalsschläge eingesteckt. Die Südstaatenrocker aber machen einfach weiter – und beim Auftritt in Halle werden sie dafür von tausenden Fans begeistert gefeiert.

Halle/MZ. - Am Ende taucht Johnny Van Zant noch einmal auf, den Arm um Gitarrist Rickey Medlocke gelegt und gehüllt in eine große US-Fahne. Breit grient der 66-Jährige von der Bühne, während sein 75-jähriger Kollege die Gitarre ein letztes Mal triumphierend in die Luft reißt. Die Anführer der Southernrockband Lynyrd Skynyrd baden im Jubel Tausender Fans vor der Bühne auf der halleschen Peißnitzinsel, denen sie eine denkwürdige Show geboten haben.
Ein Lehrer als Taufpate
Von wegen altes Eisen, von wegen Jubiläumstour zum 50. Bandgeburtstag. Zwar steht die „50“ auf der Weste von Sänger Johnny Van Zant. Doch die Ursprünge von Lynyrd Skynyrd reichen sogar 60 Jahre zurück. Damals gründete Van Zants älterer Bruder Ronnie die Band, die ihren wunderlichen Namen einem gestrengen Lehrer verdankt, an dem die Musiker sich rächen wollten. Aus dem Schülerspaß wurde eine Karriere, aus dem Biertrinken zur Gitarrenbegleitung wurden Hits wie „Gimme Three Steps“ und „Sweet Home Alabama“.

Songs, ohne die auch das erste Konzert von Lynyrd Skynyrd in Sachsen-Anhalt nicht auskommt. Mit drei Gitarristen, Bass, Schlagzeug, Keyboard und zwei Backgroundsängerinnen startet die bekannteste Band Alabamas mit dem ein halbes Jahrhundert alten Klassiker „Working for MCA“. Danach geht es ohne Verschnaufpausen von einem Evergreen zum nächsten.
Johnny Van Zant sprintet von links nach rechts, den Mikroständer mit der wehenden US-Flagge im Schlepptau. Medlocke und seine zwei fingerflinken Gitarristenkollegen Damon Johnson und Mark Matejka liefern sich heiße Saitenduelle und Peter Keys an den Tasten spielt zuweilen zwei Instrumente gleichzeitig.
Hier steht eine Band aus Handwerkern, denen der Spaß an der Arbeit anzusehen ist. „Sind heute Skynyrd-Fans hier“, fragt Van Zant die teils von weither angereisten Anhänger, die sich mit T-Shirts, Südstaatenflaggen und Cowboyhüten ausstaffiert haben wie zu einem Rodeo. Die Menge tobt, Bier und Schweiß fließen und beim 60 Jahre alten Stampfer „Gimme Back My Bullets“ erreicht die Stimmung ihren ersten Höhepunkt.

Zwischen Ende und Anfang
Das Lied stammt aus der Zeit vor dem Ende, das am 20. Oktober 1977 kommt. Auf einem kurzen Inlandsflug stürzt die Maschine mit der Band an Bord damals ab. Neben Sänger Ronnie Van Zant sterben auch Gitarrist Steve Gaines und seine Schwester Cassie, die im Background singt. Der Rest der Band überlebt schwer verletzt. Die Geschichte scheint beendet.
Doch da sind sie heute immer noch. Seit Ronnies Van Zants zehn Jahre jüngerer Bruder zum zehnten Jahrestag des Flugzeugabsturzes gemeinsam mit dem überlebenden musikalischen Kopf Gary Rossington beschloss, Lynyrd Skynyrd wieder ins Leben zu rufen, haben die selbsternannten „Last Rebels“ eine zweite Karriere hingelegt. Störrisch spielt die Band, die eigentlich nicht aus Alabama, sondern aus Florida stammt, quer zum Zeitgeschmack ihren bluesgetränkten Boogie-Rock – die „Letzten einer aussterbenden Art“, wie sie eines ihrer neueren Studioalben genannt haben.

Die erfolgreichste Southernrockband der Welt ist ihr eigenes Reservat. Hier hat der Zeitgeist Hausverbot. Auf der Leinwand hinter der Bühne laufen Bilder von früher, Songs wie „Saturday Night Special“ beschwören alte Zeiten herauf. In Erinnerung an Gary Rossington, das letzte Originalmitglied, das 2023 starb, spielen sie „Tuesday’s Gone“. Johnny Van Zant schaut hoch in den Himmel über der Arena und hebt den Finger. „Sie schauen uns alle zu“, glaubt er, und auf dem Bildschirm hinter ihm erscheinen die Namen all der Bandmitglieder, die schon vorangegangen sind, wie Van Zant sagt.
Party nach dem Gottesdienst
Nach dem Gottesdienst ist wieder Party. „Simple Man“, eine Beschreibung des Lynyrd-Skynyrd-Selbstverständnisses als Band einfacher Leute, die auf Bibel und Gewehr vertrauen statt auf die Regierung, wird zum großen Chorgesang. Auch den Text von „Sweet Home Alabama“, einst als harsche Entgegnung auf Neil Youngs vorwurfsvolles Lied „Alabama“ geschrieben, kennt hier jeder.

Den Schlusspunkt setzt natürlich „Free Bird“, die ausufernde Emotionsoper im Repertoire der letzten Rebellen. Es geht ums Bleibenwollen und Gehenmüssen, darum, dass sich alles verändert, selbst wenn jeder hofft, dass es für immer so bleiben möge. Die erste Strophe singt Johnny Van Zant, die zweite sein Bruder Ronnie, überlebensgroß eingeblendet. Minutenlang weinen dann die Gitarren, dass kein Auge trockenbleibt.
Am Freitag gastieren Bonnie Tyler und Chris Norman auf der Peißnitzbühne: www.peissnitzinsel.com