1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Harz
  6. >
  7. Afrikanische Schweinepest: Abwehr der Afrikanischen Schweinepest im Landkreis Harz: Tote Wildschweine im Wald sofort melden

Afrikanische Schweinepest Abwehr der Afrikanischen Schweinepest im Landkreis Harz: Tote Wildschweine im Wald sofort melden

21.10.2019, 12:56
Um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, müssen alle Beteiligten die Szenarien durchspielen - je häufiger, umso besser.
Um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, müssen alle Beteiligten die Szenarien durchspielen - je häufiger, umso besser. Agentur

Quedlinburg - Es ist ruhig geworden um das Thema „Afrikanische Schweinepest“. Doch hinter den Kulissen wird alles getan, um sich auf den Supergau vorzubereiten. Der Quedlinburger Harz-Bote sprach darüber mit Dr. Rainer Miethig, Leiter des Amtes für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung im Landkreis Harz. Das Gespräch führte Detlef Valtink.

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) spielt derzeit in der Öffentlichkeit kaum noch eine Rolle. Müssen wir uns keine Sorgen mehr machen
Rainer Miethig: Ganz im Gegenteil. Wir haben bereits jetzt in Europa fast die Fallzahlen des Vorjahres erreicht. In Belgien gibt es 479, in Polen 1 720, in Rumänien 487 oder in Ungarn 1 030 positive Fälle. Die ASP ist noch längst nicht unter Kontrolle. Das ist aber auch kein Wunder, da aufgrund der Handelswege in der Europäischen Union der Virus „freie Bahn“ hat.

Wie ist das zu verstehen?
Miethig: Wir sind uns ziemlich sicher, dass die kontinuierliche Ausbreitung vorrangig über infizierte Lebensmittel geschehen ist. Belastete Wurst auf einem Brötchen einfach im Wald entsorgt, von Wildschweinen gefressen und schon hat das Virus Regionen erreicht, die eigentlich hunderte Kilometer von den ASP-Gebieten entfernt sind.

Lebensmittel im Rohzustand sollten daher nicht aus den ASP-Ländern mitgebracht und unbekümmert entsorgt werden. Der Virus ist für den Menschen ungefährlich, aber dort, wo er auftritt, müssen in bestimmten Radien alle Hausschweinbestände gekeult werden.

Die wirtschaftlichen Schäden sind dann erheblich, gerade für ein Export-Land wie Deutschland. Und nicht zu vergessen, ein ASP-Ausbruch wird sich auch auf die Fleischpreise auswirken. Wir alle bekommen die Folgen mehr als deutlich zu spüren.

Wirklich verhindern können Sie eine solche Ausbreitung aber nicht?
Miethig: Das ist richtig, aber wir können aufklären, informieren und immer wieder an die Vernunft aller appellieren. Es wurden Befragungen durchgeführt, ob das Thema bekannt ist.

Es war erschreckend, feststellen zu müssen, wie viele Menschen davon noch nie etwas gehört haben und damit auch nicht wissen, was sie selbst tun können. Niemand muss Angst haben, aber aufmerksam sollten alle sein.

Was kann der Einzelne denn überhaupt tun?
Miethig: Sich informieren und wie schon erwähnt, auf die Mitnahme von Rohwurstwaren aus ASP-Ländern verzichten. Jetzt ist Pilzsaison: Wer beispielsweise ein verendetes Wildschwein findet, sollte das sofort anzeigen, sich den Standort merken und diesen markieren. Gut ist auch, wenn keine Küchenabfälle verfüttert werden.

Landwirtschaftsbetriebe sollten ihre Biosicherheitsmaßnamen einhalten und Jäger darauf achten, dass nach Schweine-Jagden die Bekleidung gesäubert und die Schuhe desinfiziert werden. Ansonsten gibt es im Internet oder im Veterinäramt ausreichend Info-Material.

Welche Anstrengungen hat der Landkreis bisher unternommen?
Miethig: Wir haben an länderübergreifenden Übungen teilgenommen, wo die einzelnen Szenarien durchgespielt wurden. Dabei wurde getestet, wie die Räder ineinandergreifen, um Erkenntnisse zu sammeln, wo wir noch mehr tun können und müssen.

Das vom Land bereitgestellte Tierseuchenbekämpfungsset wurde in Weddersleben erprobt und es gibt im Land eine Fachgruppe ASP, in der wir uns ständig zu den neuesten Informationen austauschen. Es gibt den Austausch mit den Amtstierärzten in Göttingen, in Goslar und im Harz sowie eine Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung Harz. Wir stehen ständig in Verbindung mit Behörden, Verwaltungen, Wald- und Grundstücksbesitzern, den Zuchtbetrieben und allen, die mit den Auswirkungen eines ASP-Ausbruchs zu tun haben.

Das hört sich nicht nach einer Zentralisierung an?Miethig: Tierseuchenbekämpfung liegt in regionaler Zuständigkeit und jede Behörde versucht, sich so gut wie möglich vorzubereiten. Doch ein Seuchenausbruch ist immer ein gesamtgesellschaftliches Problem und sollte auch so bewertet werden.

Ich würde mir wünschen, dass bereits jetzt die finanziellen Mittel in einem Fonds zur Verfügung gestellt werden und nicht erst, wenn die ASP ausgebrochen ist. Gleiches gilt auch für den Einsatz von Personal. Um schnell und wirkungsvoll reagieren zu können, bedarf es schon heute einer größeren millionenschweren Summe.

Um damit was zu machen?
Miethig: Wir müssen beispielsweise Bergetrupps vorhalten, ausbilden und ausrüsten. In Thüringen gibt es davon schon 55, wir können im Landkreis bisher auf zwei Trupps zurückgreifen. Es muss geklärt sein, wer aus welchen Einrichtungen zur Seuchenbekämpfung eingesetzt wird.

Auch diese Helfer bedürfen der Ausrüstung und Schulung. Offen ist, wo beispielsweise Stellplätze für die Entsorgung der Tierkadaver mit Strom- und Wasseranschluss sein werden. Das ist nur die Spitze eines Eisberges. Es gibt noch viel mehr zu tun.

Welche Lücken gilt es noch zu schließen?
Miethig: In Tschechien wurden zur Wildschweinjagd in den Gebieten, in denen die ASP festgestellt wurde, beispielsweise Scharfschützen der Polizei eingesetzt, um die Bestände auf Null zu bringen. Nach Anfrage bei der Polizei ist dies bei uns derzeit nicht möglich. Da bedarf es aber klarer Aussagen.

Gleiches gilt auch für den Einsatz der Bundeswehr. Wir sollten solche Fragen nicht erst klären, wenn die ASP ausgebrochen ist. Dann heißt es eigentlich, schnell zu handeln und nicht erst zu organisieren, was nötig ist und gebraucht wird.

Also müssen wir uns doch ein wenig ängstigen?
Miethig: Sicherlich nicht! Aber wir sollten alles dafür tun, wirklich gut vorbereitet zu sein. Die bisherigen Übungen haben gezeigt, wenn auch nur ein Teil des komplexen Räderwerkes nicht funktioniert, kommt alles zum Stillstand. Dann verlieren wir Zeit, die wir dann eigentlich nicht haben. Und das bereitet mir wirklich Sorgen. (mz)