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Wegen Hitlerkarikatur Wegen Hitlerkarikatur: Weißandt-Gölzauer Wehrleiter rausgeworfen

Von Helmut Dawal 19.07.2016, 06:15

Weißandt-Gölzau - Das muss wohl wie ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Da ist jemand seit 1993 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, opfert ungezählte Stunden seiner Freizeit für ein wichtiges Ehrenamt, bestreitet viele Lösch- und Hilfseinsätze mit, arbeitet sich nach oben, wird schließlich im Jahr 2011 Wehrleiter.

Und dann wird er quasi über Nacht aus der Feuerwehr rausgeschmissen. Genau das ist David Ebert passiert, Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Weißandt-Gölzau.

„Mit Verfügung vom 29.06.2016 wurde Herr Ebert ... mit sofortiger Wirkung aus der Feuerwehr der Stadt ausgeschlossen“, heißt es in einer Beschlussvorlage, über die der Stadtrat der Stadt Südliches Anhalt am Mittwoch abstimmen soll. Gleichzeitig, wird weiter ausgeführt, sei Ebert die „Führung der Dienstgeschäfte als Wehrleiter untersagt“ worden.

Stadtverwaltung hält sich bedeckt

Was hat sich Ebert zu Schulden kommen lassen, dass Bürgermeister Burkhard Bresch (Linke) als Dienstherr der Feuerwehren des Südlichen Anhalts eine solch drastische Entscheidung getroffen hat? In der Stadtverwaltung hält man sich bedeckt und will nichts Näheres sagen, „aufgrund der Vertraulichkeit und der betroffenen persönlichen Belange des Herrn Ebert“, teilte Stadtsprecher Christian Merx auf MZ-Anfrage mit und verwies auf die Beschlussvorlage. „Die Gründe für die Abberufung liegen im persönlichen Bereich des Herrn Ebert. Aufgrund der durch die besonderen Umstände dieses Falles bestehenden berechtigten Interessen des Betroffenen wird an dieser Stelle auf nähere Erläuterungen verzichtet“, ist zu lesen.

Hitlerkarikatur auf Facebook „geliked“

Nach MZ-Recherchen soll dem geschassten Wehrleiter rechtsextremes Handeln vorgeworfen worden sein, was mit seiner Tätigkeit als Wehrleiter nicht vereinbar wäre. Im sozialen Netzwerk Facebook hatte jemand eine Hitlerkarikatur gepostet. Sie wurde von vielen Nutzern mit „Gefällt mir“ geklickt. Ebert soll das Bild auch angeklickt haben und nun offenbar als einziger dafür belangt werden.

Ein wirkliches Vergehen indes liegt vor, wenn jemand den Hitlergruß zeigt. In Deutschland ist die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar. Aber hat es einen solchen Vorfall bei der Feuerwehr tatsächlich gegeben? Diese Frage gilt es zu klären. Und dafür sollten hieb- und stichfeste Beweise vorgelegt werden.

Zügiges Verfahren angestrebt

Das Verfahren gegen den 35-Jährigen will man offenkundig ganz zügig durchziehen. Nach seinem per Verfügung erfolgten Ausschluss aus der Feuerwehr steht nun Eberts Abberufung von seiner Funktion und die Entlassung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis auf der Tagesordnung der Stadtratssitzung. „Aufgrund der vorbenannten Verfügung ist Herr David Ebert kein Mitglied der Feuerwehr der Stadt Südliches Anhalt mehr und kann daher ... die Funktion des Wehrleiters nicht mehr ausüben. Er ist daher abzuberufen“, heißt es in der Beschlussvorlage. Der Kreisbrandmeister sei in dieser Angelegenheit angehört worden.

Das kann Heiko Bergfeld allerdings noch nicht bestätigen. „Ich habe zwar inoffiziell davon gehört, aber das reicht mir nicht“, sagte er am Donnerstagabend der MZ. Am Dienstag habe er in Bitterfeld seinen Bürotag und werde prüfen, ob Unterlagen eingegangen sind. „Es gibt dafür ein Formular, das wird unterzeichnet und geht dann an denjenigen zurück, der es eingereicht hat“, schilderte der Kreisbrandmeister den Werdegang.

Bürgermeister stellt Anzeige

Noch anderweitig droht dem Weißandt-Gölzauer Ungemach. Nach MZ-Recherchen hat Bürgermeister Bresch bei der Staatsanwaltschaft in Dessau Anzeige gegen David Ebert erstattet, was Pressesprecher Olaf Braun auf MZ-Anfrage bestätigte. Zum Tatvorwurf wollte er sich allerdings nicht äußern. „Die Ermittlungen wurden aufgenommen“, teilte Braun mit.

Die Anzeige hat bei einigen Stadträten Zweifel aufkommen lassen, ob die Verfahrensweise der Stadtverwaltung richtig ist. Vor einer Entscheidung über Ausschluss und Abberufung hätte erst das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen abgewartet werden müssen, hieß es.

Außerdem wurde die Frage aufgeworfen, warum erst jetzt Schritte eingeleitet wurden. Der vermeintliche Vorfall soll sich bereits im Mai 2015 ereignet haben. „Wenn es denn ein solch schwerwiegender Verstoß gewesen sein sollte, hätte er eigentlich sofort zur Anzeige gebracht werden müssen“, meinte ein Stadtrat.

Diskussion unter Feuerwehrleuten

Die Nachricht über Eberts Rausschmiss hat schnell die Runde gemacht und bei vielen Feuerwehrleuten für Diskussionen gesorgt. „Was da abgeht, ist eine riesengroße Sauerei. Ich kenne David Ebert seit vielen Jahren, das ist keiner aus der rechten Ecke“, äußerte der Glauziger Wehrleiter Olaf Mann. Für ihn handelt es sich um eine Inszenierung, die zum Ziele habe, den Wehrleiterposten in Weißandt-Gölzau neu zu besetzen. „Wenn das so durchgezogen wird, kann es passieren, dass einige Feuerwehrleute hinschmeißen“, äußerte Mann.

David Ebert selbst wollte sich nicht äußern. „Ich warte ab, wie sich das entwickelt“, sagte er der MZ. Er hat sich rechtlichen Beistand genommen. Sein Anwalt hat bei der Stadt Südliches Anhalt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf „Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs“ gestellt.

Aus Sicht des Anwalts war der Bürgermeister für den Ausschluss des Wehrleiters gar nicht zuständig. Bresch habe sich am 22. Juni bei der vorgeblichen Anhörung Eberts und am 29. Juni, dem Tag der Verfügung, offiziell im Urlaub befunden und für diese Zeit seine Amtsgeschäfte an seine Stellvertreterin übergeben, teilte der Anwalt der MZ mit. Weiter sei das Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt nicht beachtet worden, das bei einem Ehrenbeamten angewendet werden müsse. Stattdessen habe man nur die Feuerwehrsatzung der Stadt in Verbindung mit der Laufbahnverordnung für Mitglieder Freiwilliger Feuerwehren herangezogen.

Außerdem habe noch keine Anhörung stattgefunden. „Denn zu der vorgeblichen Anhörung hatte ich, damit man sich äußern kann, zuvor Akteneinsicht beantragt. Diese ist weder bis zum Erlass der Verfügung noch bis heute von Seiten der Stadt gewährt worden“, teilte der Anwalt mit, der darin einen klaren Verstoß gegen den „grundrechtlich geschützten Anspruch auf rechtliches Gehör“ sieht. (mz)